LIEBER THOMAS

PÖNIs: (4,5/5)

„LIEBER THOMAS“ von Andreas Kleinert (D 2020; B: Thomas Wendrich; Buchvorlage Klaus Pohl; K: Johann Feindt; M: Daniel Kaiser; 157 Minuten; deutscher Kino-Start: 11.11.2021);

ICH WILL NUR ICH SEIN. Titel = „LIEBER THOMAS“. Von ANDREAS KLEINERT (B: Thomas Wendrich; Buchvorlage: Klaus Pohl; K: Johann Feindt); D 2020; 157 Minuten. Du bist Du. Mit Deinem Ich. Kotzt überall herum. Mit diesem Deinem verdammten, konsequenten Sein.

„Lied/Stille“ von Thomas Brasch (1945 – 2001): „Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber wo ich bin will ich nicht bleiben, aber die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber die ich kenne will ich nicht mehr sehen, aber wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber wo ich sterbe, da will ich nicht hin: Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin“ (Thomas Brasch: Kargo. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977. 194 Seiten).

„Dreck, Suff, Verrat, also Sozialismus vom Feinsten“. Knallt Sohn dem Erzeuger vor die Bonje. Ja Mensch, was oder wen willst Du. Eigentlich. Wo ist für Dich die Friedenszone. Du machst dies, mal das, probierst jenes, pöbelst herum, findest keinen, da sagen wir es ruhig, „Anstand“. Bürgerseits. Meistens geht Dir vieles auf den Sack. Dann tobst Du Dich aus. An der Schreibmaschine, mit dem Fusel, mal fein, mal lecker, mal Betäubung. Mit den Frauen. Die Dich begehren. Du siehst aus wie ein taffer Revoluzzer aus Hollywood. Spürst die Zufuhr. An staatlicher/amtlicher DDR-Empörung. Von wegen Deiner Gedanken. Bewegungen. Doppeltiefen. Von wegen das, was ständig lauthals aus Dir rauskommt. Du „berufsmäßiger Solist“ (Esther Dischereit). Du „öffentlicher Träumer“ (Thomas Brasch über Brasch). WER BIST DU ÜBERHAUPT. Und warum immer: DAGEGEN. Diese Hassliebe Deines Vaters („Du machst gar nicht richtig mit“). „Hier ist wenigstens Freiheit“, brüllt der Alte, inzwischen stellvertretender Kulturminister, anordnend herum. Ihr fetzt Euch immer. Egal, ob Du Jungchen oder Erwachter bist. Wo Du im Industriedreck stocherst. Der Erzeuger (JÖRG SCHÜTTAUF) suhlt sich derweil in Parteikarriere. Im Apparat. Verrät Dich sogar an die Stasi. Will Dich FESTbinden. Gleichschalten. Während Deine Gedichte und Stücke auf Ablehnung stoßen. Du aber nicht locker lässt. Mal an den Gedanken, mal auf den Frauen, mal mit dem Koks. Was für eine reiche Verzweiflung. Lange Zeit Zuhause, in der BRD-Nachbarschaft, dann tatsächlich „drüben“. Also Hier. In der BRD. Wo sie Dich hofieren, Du Dich aber nicht eingemeinden lassen-willst. AUF GAR KEINEN FALL. Schau‘ bloß wie Du Dich, Du Einzelner, durch Dein zoffiges Leben packst. Mit Aufenthalten in Cannes und New York. Du brauchst nur JA zu sagen, dann hast Du es geschafft. Aber halt – was bedeutet DIR eigentlich: geschafft? Geld, Anerkennung, Macht, Fan-Zuneigung? Oder: WAS? Du Wütender Poet trittst weiterhin herum wie ein Berserker, und aus jeder Pore schreit es: NEIN, N e i n, verdammt nochmal NEIN! Und dann klingt sogar dieser provokante Satz aus Dir, dass die zwölf Jahre Faschismus 1948 begonnen haben und nicht 1945 endeten. Verdammt nochmal, Du bist und bleibst die totale Unruhe, Thomas. Imponierend. Ebenso wie – diese: Liebe. Zu Katharina. (Thalbach). (JELLA HAASE). Für die bist Du „geeignet“.

Lese gerade, du bist zu gewaltig für Dein Jahrhundert. Gewesen. Als Nirgendwo-Hingehörer. Mit dem dauerlodernden Wut-Gefühl – wie meschugge ist einer, der sich mit Stoff-zuhauf füllt, der sich nicht ordnen kann = will, der zerbröselt. DU DA, ALBRECHT SCHUCH, geboren am 21. August in Jena, Du hast ihn übernommen. Eingemeindet. Bist faszinierend in die untiefe Seele von Thomas Brasch getaucht. Im Presseheft steht, Du hättest THOMAS BRASCH kongenial zum Leben erweckt. Stimmt. Du warst zuletzt in drei Kinofilmen eine Nebendarsteller-Wucht: „Berlin Alexanderplatz“ (s. Kino-KRITIK); „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ (s. Kino-KRITIK); „Schachnovelle“ (s. Kino-KRITIK). Hier aber verbeugen wir uns. Vor diesen umkämpften Welten eines radikal Unangepassten. Der vierfache „Adolf-Grimme-Preisträger“ ANDREAS KLEINERT lenkt Dich souverän heimatlos-verbunden. Wenigstens – EINER probiert die totale Freiheit. Ruft sie aus. Kostet sie aus. Speit sie aus. Es ist ein filmisches Ereignis, ihn dabei zu begleiten.

„LIEBER THOMAS“ elektrisiert feurige Gedanken.  (= 4 1/2 PÖNIs).

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