KUKURANTUMI – ROAD TO ACCRA

PÖNIs: (4/5)

„KUKURANTUMI – ROAD TO ACCRA“ von King Ampaw (Co-B + R; Ghana/BRD 1983; Co-B: Ralf Franz; K: Kofi Amos, Eckhard Dorn; M: Amartey Hedzoleh, Fela Ransam Kuti; 90 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.07.1985; s. TIP-INTERVIEW mit dem Regisseur).

“Die Zeiten sind vorbei, in denen der Dritten Welt mit einem Film geholfen werden konnte. Der heutige Zuschauer ist gesättigt mit einer Menge exotischer Bilder“, (be-)klagt der ägyptische Filmemacher A‘Wahed Askar, der seinen Film “Das wahrhaftige Wort des klugen Bauern“ am 18. September spätabends im ZDF vorstellt, die gegenwärtige Situation der Filmkultur in der Dritten Welt. “Die Zuschauer sind müde und verzweifelt, weil ihre eigene Situation nicht mehr die beste ist. Dritte-Welt-Filmemacher machen Filme über die Dritte Welt, um zu informieren. So bringt man Leid zum ‘großen Leid‘ noch dazu. Die Ausbeutung läuft weiter!“

Das afrikanische Kino hat es gegenüber der fortschreitenden Technisierung und “Kolonialisierung“ durch das amerikanische Medien-Netz nicht nur innerhalb des internationalen Angebots immer schwerer, sich überhaupt Gehör und Ansehen zu verschaffen und verbreitet zu werden, sondern weitgehend auch innerhalb der eigenen Region. Die neuen Möglichkeiten per Video, Satellit und modernster Elektronik und die fast totale Welt-Eroberung des amerikanischen Fernsehens und Kinos erdrücken jedwede Anstrengungen, auch nur halbwegs eine eigene Filmkultur zu initiieren. Andererseits befinden sich viele afrikanische Nationen auch in einer dermaßen katastrophalen Wirtschafts- und Finanznot, dass natürlich keine ausreichenden Möglichkeiten für eine kontinuierliche Filmarbeit, für den Aufbau und die Entwicklung einer eigenen Filmkultur vorhanden sein können. Die Gefahr ist groß, dass es in absehbarer Zeit den afrikanischen Film überhaupt nicht mehr geben wird.

Der ghanesische Filmemacher King Ampaw allerdings sieht die Schuld für den desolaten Zustand der Filme in seinem Land nicht nur bei den “Auswärtigen“ mit ihrer technischen und filmischen Über-Macht, sondern auch bei seinen eigenen Landsleuten. Die viel zu oft und gerne in das “ewige Jammertal des Klagens über die gestrige Kolonialisierung und deren Folgen“ einzustimmen bereit sind und darüber hinaus völlig den Blick nach vorne und das Handwerk verlieren. Ampaw hat lange in Europa gelernt und gearbeitet und versteht Film zuallererst als Möglichkeit und Mittel der unterhaltenden Information und nicht als Belehrung, trüben Geschichtsunterricht und resignierende Bestandsaufnahme. Darum hat er auch für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm “Kukurantumi – Road to Accra“, der in Co-Produktion mit dem NDR entstand und auf dem 9. Internationalen Panafrikanischen Filmfestival von Quagadougou im März diesen Jahres für das beste Debüt und mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet wurde, auf die obligatorischen folkloristischen Elemente und den ständig wehklagenden Beiton über sein “armes, gebeuteltes“ Land verzichtet und sich stattdessen auf eine Story konzentriert, in der zugleich über Land und Leute auf spannende, mitteilsame Weise eine ganz Menge zu erfahren ist.

Ein Lorry-LKW-Fahrer verliert nach einem Unfall, für den er nichts kann, seinen Job und muss Dorf und Familie verlassen, um in der lärmenden Hauptstadt Accra nach einem Job zu suchen. Dort aber haben sich die Zustände auch nach der Revolution wenig verändert. Nur wer über fragwürdige Beziehungen verfügt, sich mit Diebstählen über Wasser hält oder eine hübsche Tochter “zum Verscherbeln“ besitzt, kann sich behaupten. Alles und jeder ist käuflich, der Riss zwischen den traditionellen Werten und den “modernen Anforderungen“ ist unverkennbar und schmerzlich groß. Während der Alte irgendwie weiterzumachen versucht, kehrt seine Tochter zu einem jungen, desillusionierten Palmwein-Zapfer zurück, der im Dorf bleiben und die Erde urbar machen wird.

Ampaw versagt sich jedwede Anklage, folgt da lieber kritisch und geduldig seinen Protagonisten, verweist auf seine Sympathie für die Menschen aus seiner Umgebung und interessiert durch sein gekonntes „europäisches“ Handwerk. Mir ist lange nicht mehr ein so bemerkenswerter afrikanischer Spielfilm begegnet (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: