TIP-INTERVIEW MIT DEM GHANAISCHEN FILMEMACHER KING AMPAW UND SCHÖPFER VON WERKEN WIE:
„KUKURANTUMI – ROAD TO ACCRA“ von King Ampaw (Co-B + R; BRD/Ghana 1983; Co-B: Ralf Franz; K: Eckhard Dorn, Kofi Amos; M: Amartey Hedzoleh, Fela Ransam Kuti; 90 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.07.1985); s. Kino-KRITIK.
TIP: Ich habe Ihre Biographie gelesen und mich würde interessieren, ein bisschen mehr noch zu erfahren, als hier auf dem Papier steht. Beispielsweise zum Werdegang in Stichworten: Wann begann überhaupt bei Ihnen in Afrika das Interesse an „Kino“, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie wie ein Europäer jeden Tag ins Kino gehen konnten. Wie begann das überhaupt mal? Wie hat das bei Ihnen mal angefangen?
Ampaw: Als ich klein war, ich meine, ich habe Glück gehabt, mein Vater kam aus diesem Dorf. Wir sind aber öfter nach Accra gefahren. Mein Vater ging öfters ins Kino. Wenn er ins Kino ging, fuhr ich mal mit in seinem Auto. Er bezahlte mir auch die Kinopreise und ich setzte mich immer vor ihn, wie es bei uns so üblich ist. Dann habe ich immer sehr viele Filme, Charlie Chaplin-Filme damals und alles was bei uns in Afrika lief, gesehen. Ich meine, das war ein Glück, weil wenn ich nur in dem Dorf gelebt hätte, hätte ich gar nicht diese Möglichkeit gehabt, so viel Kino zu sehen. Aber als ich nach Europa kam, war es mir nicht bewusst, dass ich Film studieren werde.
TIP: Wie war die Kinosituation damals, gab es da ganz normal‚ entschuldigen Sie, dass ich so dämlich frage, weil ich bin nun mal ein dämlicher, weißer Europäer, gab es da viele Kinos? War denn in Ghana Kino akut? Man stellt sich immer vor, Afrika ist hinter dem Mond und Europa ist der Nabel der Welt. Erzählen Sie ein bisschen, wie war das bei Ihnen in der Kinosituation?
Ampaw: Ich bin 1940 geboren und soviel ich weiß, als ich groß wurde, gab es Kinos schon bei uns zu Hause. Das heißt Theaterspielhäuser. Filme wurden nicht produziert, aber es gab in jeder Großstadt mindestens ein Kinohaus.
TIP: Also wurden ausländische Filme gezeigt?
Ampaw: Nur ausländische Filme.
TIP: Amerikanische vorwiegend?
Ampaw: Meistens waren es nur amerikanische und englische, aber später kamen indische Filme rein. Die indischen Filme waren bei uns zu Hause sehr beliebt, weil die Filme mit sehr viel Musik ausgestattet waren. Melodie, Emotionen. Die haben immer so viel gesungen und das war sehr beliebt bei uns zu Hause. Jetzt kann ich mir das erst erklären, damals konnte ich mir das nicht erklären. Der Afrikaner ging nur in diese Kinos, um sich zu erholen. Die Musik zu hören, die Bewegung zu sehen, die Aktion zu verfolgen. Aber ganz genau, wenn man aus dem Kino hinausging, hatte man nichts mehr im Kopf. Weil das sind Geschichten, die in einer anderen Welt passieren, womit wir in Afrika sonst gar nichts zu tun hätten.
TIP: Wurden denn in der Hauptsache kommerzielle, emotionale Filme oder auch politische Filme gezeigt? Wahrscheinlich nicht.
Ampaw: Politische Filme kaum. Ich kenne keinen politischen Film von damals.
TIP: Was waren Ihre Lieblingsfilme damals? Sie nannten schon Chaplin, was war noch so im Herzen drin?
Ampaw: Das waren damals die Chaplin Filme, weil man dort immer lachen konnte. Ich meine, wir wollten nur lachen. Dann kamen noch diese Cowboy-Filme, die “blow men“, “seven seven“, wo immer vom Pferd auf ein anderes gesprungen wurde, gekämpft und geschlagen. Immer ist einer ein Held, immer kann einer gut schießen. Das sind die Filme, ich habe mich wirklich amüsiert. Das waren sehr gute Filme bei mir. Ich liebe diese Filme auch heute noch.
TIP: Da ist also was hängen geblieben, da ist der Grundstein gelegt worden. Sie sagten, als ich nach Europa kam, wie sind Sie nach Europa gekommen?
Ampaw: Das ist ganz normal, wie es bei uns in Afrika jetzt ist. Jeder junge Mensch, nachdem er sein Abitur gemacht hat, versucht eine Chance zu bekommen in Europa zu studieren. Damals haben wir einen Präsidenten gehabt, Nkrumah, der sehr stark mit östlichen Ländern gearbeitet hat und dadurch bekam ich ein Stipendium von Ostdeutschland, der DDR, deswegen bin ich gleich nach Leipzig gefahren. In Leipzig habe ich erst mal die Sprache studiert. Aber ursprünglich auf meinem Papier hieß es, ich wollte Feinmechanik studieren und durch das Feinmechanikstudium kam ich nach Dresden, wo ich anfing mich mit Optikergeräten, Messgeräten, Fotokameras bis zu Kleinkameras zu beschäftigen. Da erst habe ich gehört, dass man Film studieren konnte. Dann habe ich sehr stark daran gearbeitet, damit ich an der Hochschule für Film, an der Akademie für Film in Babelsberg, ankam. Es war nicht einfach. Ich musste eine Aufnahmeprüfung ablegen und das habe ich gemacht und Gott sei Dank bin ich durchgekommen. Dann habe ich in Babelsberg angefangen.
TIP: War das ungewöhnlich damals für einen Afrikaner in Babelsberg? Überhaupt in Europa, in Deutschland, Deutschland, West oder Ost, ein Studium zu bekommen oder war das die Regel. Waren viele Kollegen von Ihnen in Ostdeutschland?
Ampaw: Ja, viele Kollegen vor mir waren in Ostdeutschland, haben andere Sachen studiert, aber Film, soviel ich weiß, nicht. Als ich in Babelsberg war, war ich allein.
TIP: Was hat Sie zu dem Entschluss gebracht, Filme zu machen, und doch nicht Feinmechanik, nicht Optik, weiter zu machen?
Ampaw: Ja, das kam vom Kamerabau. Nachdem ich gelernt hatte, wie man eine Kamera baut, mich mit Kino oder Film auseinanderzusetzen, interessierte es mich. Damals als ich in Afrika war, wusste ich gar nicht wie ein Film aufgenommen wurde. Dann habe ich gesehen, dass dieses Gerät diese ganze Geschichte aufnimmt. Dann wollte ich einfach mal die Geschichte machen, aber nicht mehr das Gerät.
TIP: Sind Sie damals als Sie nach Deutschland kamen wieder viel ins Kino gegangen?
Ampaw: In der DDR, da bin ich viel ins Kino gegangen, ich bin immer gern ins Kino gegangen.
TIP: Wie ging das dann weiter?
Ampaw: Wie gesagt, ich habe erst in Babelsberg angefangen bis 1965, dann wurde unser Präsident Nkrumah, von einem Militärputsch gestürzt, wie es öfter üblich ist bei uns in Afrika. Dann kam eine Militärregierung. Dann hieß es damals: Alle Leute, die in östlichen Ländern studieren, wir wollen keine Kommunisten mehr in Ghana haben, die sollen nach Westdeutschland gehen. In Westdeutschland ihr Studium fortsetzen. So kam ich nach Westdeutschland. Da habe ich erst gemerkt, dass es damals überhaupt keine Filmhochschule hier gab. Es gab die Berliner Schule, aber die Berliner Schule war für mich sehr technisch und nicht sehr künstlerisch damals, heute weiß ich nicht, wie das aussieht. Deswegen habe ich hier herumgehangen. Dann habe ich erfahren, dass es eine Schule in Wien gibt. Dann bin ich nach Wien gegangen. Dort musste ich schon wieder eine Aufnahmeprüfung machen. Bei der Akademie für Musik und darstellende Kunst.
Dann habe ich wieder Glück gehabt, die haben mich aufgenommen. Da habe ich drei Semester gemacht an der Wiener Schule bis die Hochschule für Funk- und Fernsehen in München aufgemacht wurde. Warum ich von Wien nach München umgesattelt habe‚ ist ganz klar. Ich habe gemerkt, wenn man Film studiert, muss man die Möglichkeit haben, sehr viel praktische Arbeit zu machen. Man muss sehr viel mitdrehen oder man muss sehr viel drehen können. Die Wiener Schule hat kein Geld gehabt. Wir haben jahrelang nur mit Bolex-Kameras herumgehangen und man hatte keine Chance an große Produktionen zu kommen. Als ich nach München kam, musste ich wieder eine Aufnahmeprüfung machen, weil die Schule neu war, es gab nur ein erstes Jahr.
TIP: Sie waren also beim allerersten Mal dabei, als sie aufgemacht wurde?
Ampaw: Beim allerersten Mal mit Wim Wenders, Fassbinder, auch von Wien nach München gekommen. Der Rainer, der war auch bei der Aufnahmeprüfung, aber der ist durchgefallen. Geißendörfer wollte auch hin, der ist aber nicht gekommen. Ich, Wenders, Gies‚ Michael Höth, wir waren alle in derselben Schule da. Wir haben alle zusammen studiert.
TIP: Gab es für Sie mal einen Moment mittendrin in dem Studium, wo Sie gesagt haben, weil immer dauernd neue Schwierigkeiten auf Sie zu kamen, Sie konnten nicht arbeiten, wie Sie wollten, Sie konnten nicht lernen, wie Sie wollten und Sie mussten immer wieder Aufnahmeprüfungen machen, gab es irgendwann einmal mittendrin eine Phase, wo Sie gesagt haben, ich will nicht mehr oder was soll das eigentlich?
Ampaw: Das ist das Verdammte bei dieser Profession. Ich konnte sagen, ich mach nicht mehr mit, ich mach was anderes, aber ich bin zu dem Schluss gekommen: Film, wenn man mal dabei ist, kommt man nicht mehr raus.
TIP: Wenn man Blut geleckt hat, wie man so schön sagt.
Ampaw: Ich habe das immer mitgemacht.
TIP: Sie sind nach Abschluss des Studiums in der Bundesrepublik geblieben.
Ampaw: Ich bin hier geblieben, habe viel mit den Bavaria-Ateliers gearbeitet.
TIP: Was haben Sie gemacht?
Ampaw: Ja, damals habe ich Kameraassistenz gemacht, damals habe ich auch Kabel gehalten beim Fernsehen.
TIP: Anders gefragt, war das für Sie eine Schwierigkeit, trotz der bestandenen Abschlussprüfung als Schwarzer angenommen zu werden. Haben Sie Ressentiments gemerkt oder gab es diese Probleme nie?
Ampaw: Noch mal bitte diese Frage.
TIP: Gab es für Sie nach Abschluss der Prüfung in irgendeiner Form Schwierigkeiten dadurch, dass Sie kein Europäer, kein Weißer waren?
Ampaw: Hier in Deutschland, das muss ich bestreiten. Ich habe nie so ein Problem gehabt.
TIP: O.k.‚ gut zu hören.
Ampaw: Ich habe so viel Kollegen, so viel Freunde, ich meine, wenn sie nach München kommen, ich meine, wir sind alle Freunde. Das hat mir sehr gut gefallen. Gleich auch beim Studium, meine Freunde haben mir alle geholfen. Damals konnte ich nicht so viel Deutsch. Wim Wenders, Hajo Gies‚ Michael Höth, die haben mich immer mitgenommen, wir haben zusammengesessen, wir haben gemeinsam diskutiert oder gelernt, ich habe keine Schwierigkeiten gehabt.
TIP: Auch nicht nach Beendigung des Studiums, als Sie Geld verdienen mußten. Sie mußten ja leben.
Ampaw: Nach Beendigung des Studiums habe ich nur Schwierigkeiten gehabt mit den Fernsehanstalten. Mit den Fernsehanstalten, das heißt, ich wollte immer afrikanische Filme machen, dann habe ich viel Arbeit geleistet, so viel recherchiert, habe so viel afrikanische Stoffe aufgeschrieben. Ich glaube, es gibt keine Fernsehanstalt, die mich bis jetzt noch nicht kennt. Bin dann von Tür zu Tür gegangen, von einem Dramaturg zum anderen, da geklopft und hineingegangen, herausgegangen, jahrelang, aber ich kam nie zu einem Filmprojekt.
TIP: Kurze Zwischenfrage: Was ist ein afrikanischer Film?
Ampaw: Ich meine ganz genau, dass ich einen Film drehe, mit der Thematik von Afrika und afrikanischer Darlegung, afrikanischen Probleme oder Tragödien oder ich meine, Unterhaltung, einen Film mit afrikanischem Hintergrund, der die afrikanischen Probleme widerspiegelt. Das war es, was ich meine.
TIP: Und da wollte niemand mit Ihnen das machen?
Ampaw: Komischerweise wollte niemand. Warum, verstehe ich bis heute überhaupt nicht.
TIP: Sie haben dann wahrscheinlich gejobbt, wie man so schön hier sagt, wie Sie sagten, Kabel halten und immer gewartet und wie kam es dann zum ersten Projekt überhaupt?
Ampaw: Dann habe ich immer sehr viel hier gearbeitet, habe ich immer versucht, wie gesagt, beim Fernsehen anzukommen. Filme zu drehen, ist mir nie gelungen. Aber, ehrlich gesagt, ich hatte Angst, wieder zurück nach Hause zu fahren, weil ich nicht wusste wie ich, bei mir zu Hause auch zu einer Filmproduktion käme.
TIP: Gab es oder gibt es in der Zwischenzeit eine ghanesische Filmproduktion?
Ampaw: Wir haben eine Firma in Accra, die heißt ‚Ghana Film Industry Corporation‘, das ist eine Filmindustrie, die kam damals schon vom ‘British Film Institut‘. Die machen mehr Regierungsaufträge, Dokumentationen und so weiter, aber Spielfilme können die nicht so viele produzieren. Bis jetzt haben sie mit meinem Film drei Spielfilme produziert, aber immer mit, z.B. in meinem Film, einer Co-Produktion vom Ausland. Weil es immer ums Geld geht.
TIP: Wollten Sie in irgendeiner Form Auftragsarbeiten machen oder wollten Sie speziell Ihren afrikanischen Film machen. Hat man Ihnen andere Arbeiten angeboten, die Sie machen können, dass man gesagt hat, machen Sie lieber das oder das…
Ampaw: Das habe ich auch versucht beim Fernsehen hier. Ich habe immer rumgeschrien, mein Gott, es gibt doch deutsche Fernsehkorrespondenten in afrikanischen Ländern, Kenia oder was, ich würde immer mitmachen, aber da bin ich nicht reingekommen.
TIP: Ahnen Sie warum nicht?
Ampaw: Ich weiß nicht. Schwer zu sagen. Natürlich verstehe ich, dass die Leute, die vom Haus sind, die sind Angestellte, man muss versuchen, die erst mal unterzubringen, bevor man einen neuen Mann einstellt, aber ich habe gedacht, ich bin Afrikaner, ich habe hier studiert, deshalb könnte ich vielleicht etwas bessere Arbeit leisten.
TIP: Mit einer abgeschlossenen Ausbildung. In Deutschland legt man Wert auf Papier und Sie hatten ja das Papier, trotzdem. Wie kam es dann zum ersten Spielfilm? Hatten Sie den schon geschrieben, wussten Sie schon, was Sie in Ihrem ersten Spielfilm erzählen wollten oder wann ist das entstanden, die Story?
Ampaw: Mein erster Spielfilm, den ich drehen wollte, war eine Geschichte, die ich mit einem Kollegen von mir in München geschrieben habe, der heißt Klaus Bedecker. Wir haben aus der Missionarsgeschichte, der Bremer Mission, der Baseler Mission, da haben wir die ganzen Dokumente zusammengekloppt, haben wir einen Spielfilm geschrieben. Der Film hieß: “Der Missionar“. Mit diesem Drehbuch habe ich sogar den Kuratoriumspreis gewonnen, hier in Deutschland. Ich bin der erste Afrikaner, der überhaupt mal einen Preis mit Drehbuch hier gewonnen hat. Damals war das mit einer Summe von circa 300.000 Mark verknüpft. Dann habe ich gedacht, ich könnte mit dem Geld was anfangen und diesen Film drehen. Ich habe das Drehbuch in Auftrag gegeben bei einer Firma in München, die hieß Solaris. Damals war Eichinger mein Freund. Dieser Eichinger war bei dieser Solaris und der Eichinger hat versucht auch extra Geld zu kriegen, damit wir diesen Film realisieren konnten. Aber das ist nicht gelungen. Zwei Jahre ist es mir nicht gelungen, extra Geld aufzutreiben, deswegen ist diese Kuratoriumsprämie nach zwei Jahren mir wieder weggenommen worden. Das war der Höhepunkt, was mich hier gestört hat. Dann habe ich gesagt, ich fahr nach Hause.
TIP: Wann war das etwa?
Ampaw: Das war 1977, da bin ich nach Hause gefahren. Ich fing an bei uns zu Hause beim Fernsehen zu arbeiten, aber wie gesagt, das Fernsehen produziert keine Spielfilme. Ich musste nur Dokumentationen, Reportagen drehen, immer so viel Krampf. Die Regierung wollte das, du bist immer auf Achse.
TIP: Ich lese gerade hier: Sie sind 1977 Direktor der ghanesischen Rundfunkgesellschaft geworden.
Ampaw: Das ist falsch. Filmdirektor soll das heißen, Regie-Filmdirektor. Dann habe ich mit einem Professor von mir gesprochen, Professor Wolfgang Lengsfeld an der Hochschule für Funk- und Fernsehen, ein sehr guter Freund von mir. Seitdem ich in Ghana bin, ist Lengsfeld schon 11 Mal bei mir in Ghana gewesen. Das erste Mal kam er durch das Goetheinstitut im Auftrag ein Filmseminar in Ghana zu machen und von diesem Kunstseminar aus habe ich mit dem Professor Wolfgang Lengsfeld einen Dokumentarfilm gemacht, der heißt “Urwald im Umbruch“ („Forest in Change“), das war ein sehr guter Film, der lief auch im Fernsehen, der wurde mit Ghana und dem Goetheinstitut produziert. Aber als dieser Film so ein Erfolg war, habe ich mir gedacht, ich muss wieder mal eine Geschichte schreiben, versuche, mal wieder einen Spielfilm zu drehen. Dann habe ich die Geschichte geschrieben, diese Kukurantumi, weil ich unbedingt einen Film über diese Lorries drehen wollte, weil 1961, als ich von Ghana nach Europa kam, nur solche Lorries bei uns zu Hause liefen. Aber jetzt 1977, als ich wieder zurückkam, habe ich gemerkt, dass die Leute weniger werden, die sterben fast aus. Da habe ich gedacht, bevor man diese Leute nicht mehr auf der Straße sieht, sollte man doch mal einen Film darüber machen. So kam ich zu dieser Geschichte.
TIP: Sie haben sie selber geschrieben. Als Co-Produzent fungierte der NDR?
Ampaw: Ja, das tat er. Ja, ich habe die Geschichte geschrieben, dann kam ich zum NDR zu einem Redakteur, Herrn Kleiner, bei dem ich mich auch sehr gerne bedanken will. Kleiner sagte, ok, die Geschichte ist gut, aber er schickt mir einen deutschen Dramaturg oder Drehbuchautor, der Ralf Franz aus Berlin. Ich sollte mich mit dem zusammensetzen, bei mir in Ghana, um das Drehbuch besser zu machen oder auseinanderzusetzen, dass wir ein gutes Werk leisten.
Und der Ralf, der war bei mir in Ghana. Für 4 bis 6 Wochen haben wir sehr viel gearbeitet, hat er sich selbst sehr viel umgesehen. Er ist ein sehr guter Junge. Der ist ein Profi, der kann aus nichts etwas machen. Das hat mir sehr gut gefallen, so dass wir das Drehbuch so gebracht haben, wie es jetzt im Film zu sehen ist.
TIP: Wie war es, als dann die Produktion bei Ihnen begann, wie war dann die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem europäischen Team, da sind ja zwei ganz verschiedene Welten aufeinandergeprallt. War das so einfach, wie sich das im Film ansieht oder gab es Komplikationen, Schwierigkeiten, für Sie, für die Anderen?
Ampaw: Ehrlich gesagt, ich hätte es schlimmer erwartet.
TIP: Warum?
Ampaw: Weil ich Angst hatte, dass Leute kämen, die die Mentalität hier nicht verstehen, die mussten mit unseren Technikern hier auch arbeiten. Aber ehrlich gesagt, ich habe Glück gehabt, dass solche Leute kamen. Natürlich gab es ab und zu Probleme, wie sie es bei jeder Filmproduktion gibt, aber das ist nicht so nennenswert. Ich meine, ich bin froh, es ist wirklich alles gut gelaufen.
TIP: Ich habe manchmal den Eindruck, Sie werden mir sicherlich gleich widersprechen, dass in Ihren Filmen inhaltlich und handwerkliche Elemente des europäischen Films drin sind, das heißt, ich kann Ihnen nicht sagen, was ein afrikanischer Film ist, ich kann Ihnen aber nur sagen, ich finde da dauernd vom Handwerk, vom Timing und von der Spannung her, europäische Elemente. Ich sehe das gar nicht als Vorwurf, um Gottes willen, ich finde das nur halt drin, was sagen Sie dazu?
Ampaw: Deswegen habe ich damals, in meinem allerersten Interview gesagt, Kamera ist Kamera, aber keine Kakaoplantage. Ich meine, ich verstehe unter Filmsprache nur eine. Für mich gibt es keine afrikanische Film-Sprache und für mich gibt es keine europäische Filmsprache. Wir arbeiten alle mit Kameras, genauso wie ein Schreiber mit seiner Schreibmaschine arbeitet. Es gibt Regeln und Gesetze beim Filmemachen, entweder du machst eine Aufnahme groß oder du machst eine Aufnahme total. Inzwischen musst du mal nahebringen und du musst sehen, wie du die Sachen zusammenschneidest, damit du eine schöne Geschichte oder eine verständliche Geschichte erzählen kannst. Das ist für mich die Filmsprache. Wenn man jetzt versucht, mir klar zu machen, dass die afrikanische Filmsprache anders sein muss, bezweifle ich das. Ich meine, Film als Medium, kommt sowieso aus Europa. Ich meine, wir haben keine Holzkamera, wir haben nur unsere normale Kamera jetzt. Man muss nur versuchen mit diesem Medium, mit dieser Sprache, mit dieser Technik, seine eigene afrikanische Geschichte, Probleme zu widerlegen, zu präsentieren oder widerzuspiegeln.
TIP: Wissen Sie, man hat wahrscheinlich auch im Kopf von vielen Filmgängern, diese typischen Alibi-afrikanischen Filme, die man ja oft gesehen hat. Wissen Sie, wo Europäer nach Afrika gegangen sind und so eine Art Mitleidsfilme gedreht haben; die einem ja heute schon bis hier stehen. Da ist man überrascht, dass jemand, ein Afrikaner, einen Spielfilm, einen wirklichen spannenden, interessanten Spielfilm, über seine Probleme macht. Ist das eigentlich ein afrikanischer Film? Wie sehen Sie das eigentlich mit dem Filmverständnis bei Ihnen zu Hause für diesen Film? Sieht man da heute auch fast nur Musikfilme, wie Sie vorhin sagten, oder Bewegungsfilme. Das ist doch jetzt ein ganz anderer Film, der ein bisschen mehr in den Kopf geht, in die Identität geht. Wird der zu Hause angenommen, so wie Sie ihn gemacht haben?
Ampaw: Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Der Film läuft gerade heute noch, während ich hier spreche. Ich meine, die Leute sind natürlich verwöhnt, von diesen amerikanischen Filmen und die sind verwöhnt, weil die nie was anderes gehabt haben. Ich meine, wir müssen mehr afrikanische Filme produzieren oder wir müssen mehr Filme aus Afrika produzieren. Das man nicht weiß, was die mit diesem Begriff afrikanische Filme oder Filme aus Afrika meinen. Ich meine, wenn die mehr Filme von uns sehen würden, sie wieder mal umdenken, das heißt, wie ich vorhin erzählt habe, die mögen solche Filme wie meinen Kukurantumi sehr, weil die können mit sich selbst sprechen. Ich bin wirklich froh, die gehen in diese Kinos rein, die gehen sehr viel rein.
TIP: Inwieweit müssen Sie Kompromisse eingehen, weil der Geldgeber und teilweise die Technik aus Europa kommt, also von einer anderen Schicht, von einer anderen Mentalität kommt. Müssen Sie überhaupt Kompromisse eingehen oder können Sie tatsächlich den Film machen, die Filme machen, die Sie machen wollen?
Ampaw: Ich würde sagen, wenn man Kukurantumi anguckt, ich konnte das machen, was ich machen wollte. Wenn man diesen Film sieht, man kann dort echt nicht von europäischen Einflüssen reden, es gibt nichts in dem Film, ich meine, man soll mich doch mal fragen, warum hat eine europäische Institution überhaupt Geld gegeben für so einen Film, der sonst mit Europa gar nichts zu tun hat?
TIP: Warum glauben Sie?
Ampaw: Ich glaube, der Redakteur hat mehr gedacht, er will den Europäern auch mal beibringen, wie es in anderen Ländern gelebt wird. Er will nicht, dass jeder mit seinem Vorurteil alle Afrikaner in einen Topf schmeißt. Das ist für mich eine Bildung für Europäer, dass sie sehen, wie andere Menschen auch Probleme haben. Ich meine, wie die ihre Probleme lösen, wie die leben, wie die tanzen, wie die essen, ich meine, das ist eine Bildungslücke hier in Europa allgemein. Deswegen müssen solche Filme gemacht werden und gerade eine Aufgabe vom Fernsehen auch. Das Fernsehen meint, dass die Fernsehzuschauer auch Bildung wollen.
TIP: Glauben Sie, dass Kukurantumi, so eine Art Durchbruch dann ist, für Sie, aber auch für Ihre Kollegen möglicherweise, dass solche Filme gemacht werden können? Das Sie in die Lage versetzt werden, mehr solche Filme zu machen?
Ampaw: Ich will hoffen.
TIP: Lassen Sie mich zum Abschluss fragen, auch wieder wahrscheinlich eine dumme Frage, was mich überrascht hat, Sie haben das ja teilweise schon beantwortet, der Film ist kein verbiesterter Film, es ist kein ideologischer Film. Es ist ein Film, der Spannung gleichzeitig hat, der Spaß macht, der unterhaltend ist, aber der sehr viel informiert, der alles das reinpackt, was man ja gern in einem Film sehen möchte. Mich hat das etwas überrascht, dass Sie unterhaltend informieren wollen.
Ampaw: Ja, das wollte ich auch, ich bin der Meinung, man kann den Leuten mehr beibringen, mehr lernen, wenn der Mensch mit seinen Kollegen sich unterhalten kann. Ich muss hier nicht immer die “Rote Fahne“ nehmen und etwas auf den Kopf klopfen und sagen, so ist das und so ist das. Man muss sich mit den Leuten unterhalten können. Je mehr wir uns unterhalten können, desto mehr lernen wir uns kennen und desto mehr gibt es eine Völkerverständigung.
TIP: Darf ich Sie zum Schluss fragen, was Sie als nächstes Projekt machen werden?
Ampaw: Ist schon gemacht. Ja, ich habe mit dem NDR jetzt einen zweiten Film gedreht. Der Film ist jetzt gerade fertig mit der Nachbearbeitung, ich habe hier geschnitten.
TIP: Von was handelt der Film, vielleicht wollen Sie ein Stück erzählen?
Ampaw: Wir haben den Film gerade am Freitag gemischt, der geht jetzt in den Negativschnitt. Dieses Mal haben wir uns mehr bewegt in der afrikanischen Tradition. Wir haben eine Geschichte gemacht, über einen Häuptling, der alt ist und in einem kleinen Dorf lebt, der dieses Dorf regiert mit seiner Umgebung, seinen jungen Menschen in dem Dorf, die jetzt moderne Ideen haben, gegen seine uralten Verbote, traditionelle Ideen. Da kommen natürlich, wie in jedem Film, so viel Sachen zusammen. Ich glaube, der Film wird auch sehr interessant sein.
TIP: Ist es ein Spielfilm?
Ampaw: Wieder ein Spielfilm mit dem NDR.
TIP: Darf ich einmal persönlich fragen: Da Sie so lange in Europa gewohnt haben, in Deutschland gewohnt haben, wie ist denn das, wenn man in seine Heimat zurückkommt. Wie ist das für Sie nach den Erfahrungen, die Sie in Deutschland, in Europa gemacht haben? Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen.
Ampaw: Das habe ich vorhin schon einmal angedeutet; wieder zurück nach Hause zu fahren, das war sehr schwierig für mich, ich habe Angst gehabt, weil ich nicht wusste, wie ich das alles anpacken musste. Aber ich will Ihnen ehrlich sagen, ich habe 16 Jahre hier gelebt, jetzt habe ich es gepackt, bin wieder zurück nach Hause, jetzt lebe ich schon seit 8 Jahren zu Hause, und ich kann Ihnen garantieren, ich würde nicht mehr in Europa leben. Ich wollte nicht mehr. Kommen, Leute besuchen, arbeiten, Bier trinken, unterhalten, aber leben wollte ich hier nicht mehr.