Kill Me Please

KILL ME PLEASE“ von Olias Barco (Co-B, Co-Prod.+R; Belg 2010; 96 Minuten; Schwarz-Weiß; Original mit deutschen Untertiteln; Start D: 17.05.2012); einer meiner 1990er Jahre Lieblingsfilme stammt aus Belgien, ist eine für nur 3 Millionen Franc in Schwarz-Weiß hergestellte Produktion von drei belgischen Film-Studenten, die im Original übersetzt „Es geschah ganz in unserer Nähe“ heißt und bei uns den viel passenderen Titel „MANN BEISST HUND“ (s. KRITIK) bekam. Spielfilmthema: Ein dreiköpfiges Dokumentarfilmteam beobachtet, begleitet einen „ganz normalen“ Serienmörder mit Namen Ben „bei seiner Arbeit“. Einer der drei Film-Studenten war damals der heute populäre Schauspieler BENOIT POELVOORDE (zuletzt „Nichts zu verzollen“; „Mein liebster Alptraum“; „Die anonymen Romantiker“). Und Benoit Poelvoorde, inzwischen 46, sehen, erleben wir auch hier gleich am Beginn des Films, den ich zu den ungewöhnlichsten, außergewöhnlichsten der letzten Jahre zähle. Wenn nicht des letzten Jahrzehnts. Von einem Kritiker klingt es sicherlich waghalsig, aber in der Tat – SOLCH EINEN SAGENHAFTEN VIELSCHICHTIGEN FILM habe ich eigentlich noch nie gesehen. Erlebt. Gedanklich eingeatmet.

Der Typ ist Filmemacher. Heißt Demanet (B. Poelvoorde). Hat „das Casting“ bei Dr. Krueger (sensationell bewegungsdenkstark: AURÉLIEN RECOING, einem jungen „sanften“ Tommy Lee Jones ähnelnd) bestanden, darf bei ihm in seiner abgelegenen, abgeschiedenen winterlichen Schloss-Klinik vorsprechen. Wo es einzig und alleine darum geht, darum gehen soll, „vernünftig“ zu sterben. Dr. Krueger bietet ein komfortables, quasi „luxuriöses“ und staatlich gefördertes Rundumprogramm zum „freundlichen Ableben“ an. Für potenzielle wie begüterte Selbstmord-Kandidaten. Die gerne und möglichst bald aus dem Leben zu scheiden gedenken. Mit dabei ganz individuellen Wünschen. „Diese Klinik wurde gegründet, um dem Suizid mehr Eleganz zu verleihen“, erklärt der sonore Doktor: „Uns ist es wichtig, dass es eine würdevolle Begegnung mit dem Tod wird“. Es sind vor allem Männer, die sich hier, nachdem sie über ihre Bewerbungs-DVD Aufnahme gefunden haben, auf den möglichst baldigen Lebensabschied „freuen“. Der Eine mit Champagner und beim letzten Sex mit einer „zur Verfügung gestellten“ netten Studentin, der-die Andere, die pansexuelle Diva Rachel („Ich bin zu feige, mich vor einen Zug zu werfen“/ZAZIE de PARIS), möglichst mit der Marseillaise auf den Lippen. Der Doktor bemüht sich, für jeden bald „das passende schmerzfreie Ende“ zu organisieren. Mit seinem zuvorkommenden Service-Team. Krueger ist dabei kein geldgeiler Irrer, der die Macken, Depressionen, Wahnwunschvorstellungen seiner internationalen „Patienten“ ausnutzt, sondern voll von „seiner ideellen Hilfssache“ überzeugt: „Suizid wird eines Tages eines der Menschenrechte sein“. Also hilft er gerne wie gütig, „glücklich zu sterben“. Sachlich, fachlich, ruhig. Kompetent. Alles soll „sauber“ verlaufen, in „angenehmer“ Privat-Atmosphäre. „Begleitendes Sterben“, unterstützt mit steuerlichen Finanzmitteln, ruft aber auch „Kontrahenten“ hervor. Hier in Gestalt von Juliette Evard, die sich mal als „Finanzpolizei“, mal als Vertreterin des Dezernats für Wirtschaftskriminalität vorstellt. Ihr stinkt es, dass viele der Dahingeschiedenen dem Doktor ihr Vermögen vermacht haben. Juliette (Virginie Efira) wittert Erbschaftsbetrug. Und ermittelt. Im Hause. In dem es aber fortan „unruhiger“ zugeht. Zugehen wird. Denn „draußen“, im entfernten Dorf, hat man einen „solchen Hass“ auf „dieses Haus“. Und auf den Schlossherrn. Plötzlich schlägt die geregelte Abschiedsstimmung um. In einen Abwehrkampf. Denn plötzlich wird „auf sie“ geschossen. Es gibt „unbeabsichtigte“ Todesfälle. „Richtige“. Per Waffe. Irgendjemand eliminiert mittenmal diese Gemeinschaft. „Unter diesen Umständen kann man nicht in Ruhe sterben“, tobt ein Kunde des Hauses. Und will weg. Wie Andere auch. Zurück „in die Welt“. Zum Doch-Weiterleben. Was nun aber „komplizierter“ geworden ist.

„Kill Me Please“ kommt völlig ohne Musik aus. Den faszinierend-schaurigen Ton geben die „stimmungsvollen“ doppelbödigen Worte her. Die anfangs noch ganz schwarz-HUMORIG klingen, dann aber mehr und mehr ins Düstere kalt abdriften. Motto: Was „Mensch“ ist. Beziehungsweise sein kann. Auch angesichts des eigenen Wunschdenkens vom „helfenden Sterben“. Eine immerwährende „exotische“ bestialische Bestie. Du hast mir Tod versprochen, also „gib’ ihn mir“. Wie abgemacht. Ich zuerst. Nein ich. Nein ich. Und wo bleibt zuerst mein verabredetes kontinentales Breakfast? Das kommt nicht, weil auch die Vorräte bei einem nächtlichen Brand vernichtet wurden. Aber wir haben doch bezahlt??? Und wo kommt der anonyme Tote her, den es „richtig“ „erwischt“ hat? Und was wird jetzt mit der verletzten Geisel im Haus geschehen? Passieren?

„Kill Me Please“ ist eine packende Zivilisations-Farce. Ist ebenso grotesk. Wie absurd. Wie surreal. Polanski („Ekel“), Kafka, Bunuel oder Edgar Allan Poe streifen die ruhelosen filmischen Gedanken. In Richtung – alles wirklich Fiktion? Definitiv unmöglich? Oder, angesichts des jährlichen Milliarden-„Zuwachses“ von Menschen auf diesem überfüllten Planeten, möglich? Denkbar? Sogar mit staatlicher Alimentation? Weil es „dafür“ möglicherweise „gute Gründe“ gibt? Wie sie Doktor Krueger letzten Endes „plausibel“ vorträgt??? Ein irritierender Streifen, nie vorhersehbar, mit verblüffenden Wendungen. Originell, abartig und völlig despektierlich in der darstellerisch (unbekannten) grandiosen Typen-Riege. Die man in ihrer „labilen Verrücktheit“ nicht beschreiben, sondern erleben, „frisch“ erblicken sollte.

„Kill Me Please“ ist dazu ein auch bildlich – im „poesievollen Schnee“ wie in den klaustrophobischen Schloss-Gängen – brillant argumentierender Atmosphäre-Thriller (Kamera: FRÉDÉRIC NOIRHOMME). Mit komödiantischem Horror-Geschmack. Ist ein SEHR unterhaltsamer, kluger Wahnsinn mit Methode-Satire-Schock-Film. Der 40jährige Regisseur Olias Barco im Presseheft: „Lasst uns ALLES so lange in Ordnung bringen, bis es uns (schließlich) umbringt“. Bedeutet – der „normale Tod“ ist künftig (bald schon) passé. Die Suizid-Abteilungen in den Verwaltungen von Großunternehmen können nun (absehbar) ihre Arbeit aufnehmen…
Also: Alles nur spannender KINO-Blödsinn??? (= 4 ½ PÖNIs).

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