Killing them softly

KILLING THEM SOFTLY“ von Andrew Dominik (B+R; basierend auf dem Roman „Cogan’s Trade“ von George V. Higgins; Co-Pr: Brad Pitt; USA 2011; 97 Minuten; Start D: 29.11.2012); Harry Caul zählt zu den bedeutsamen Filmfiguren-Legenden der US-Siebziger Jahre. Der von GENE HACKMAN gespielte Abhörspezialist in dem Film „The Conversation“, deutscher Titel: „DER DIALOG“, von Produzent, Drehbuch-Autor und Regisseur FRANCIS FORD COPPOLA (von 1974) gilt als „einer der Schlüsselfilme der 1970er“ (TV Guide). Des aufbrechenden „New Hollywood“-Kinos. Das „Lexikon des Internationalen Films“ lobt das Werk „als leise, ruhige und brillant inszenierte Studie, die minutiös das Eindringen der Technik in die Intimsphäre des Menschen beschreibt. Ein Alptraum von der Zerstörung des menschlichen Individualbereichs“.

In dieser Woche taucht – nach (sehr) langer Zeit – wieder einmal „solch ein Schlüsselfilm“ in Sachen bedeutsame Zeitchronik in einem Thriller auf. Innerhalb nun unserer Epoche. Es ist damit zu rechnen, dass er auch erst über Seminare, Retrospektiven, Themenveranstaltungen und Filmwissenschaftler d i e Bedeutung bekommt, die er jetzt bereits unbedingt verdient. Dabei im Mittelpunkt: Kein Schnüffler mehr, sondern ein Berufskiller. Mit Namen Jackie Cogan (BRAD PITT). Der ist es gewohnt, einen verbindlichen Auftrag zu bekommen, den dann still, „sanft“ und aus der Ferne („Nähe bekommt mir nicht“) auszuführen und wieder abzureisen. Doch „die Geschäfte“ in den USA zu Zeiten des Wechsels von George W. Bush zu Barack Obama im Sommer/Herbst 2008 laufen „unsicher“. Die Auftraggeber von Jackie Cogan sind jetzt anonyme Buchhalter, die erst diskutieren und über die erwünschte Todesart, wenn überhaupt, manchmal ist auch „nur quälen“ angesagt, abstimmen. Dies teilt ihm jedenfalls der für ihn „zuständige“ Unterhändler, ein gealterter, aber noch reichlich gewitzter wie knochiger Fahrer (RICHARD JENKINS), mit. Der selbst über diese „Veränderungen der Strukturen“ im System angeekelt ist. Also muss „der Vollstrecker“ warten. Auf endliche konkrete Anweisungen, auf einen Kollegen-Killer aus New York, Mickey (JAMES GANDOLFINI), der immer zuverlässig war, sich aber hier, im düsteren, verregneten Milieu von New Orleans, nun nur noch als Quatschkopf, Säufer und Hurenbock erweist. Weil ihn gerade und diesmal endgültig seine Ehefrau verlassen hat.

Jackie Cogan, dieser dynamische Profi und Mustertyp von erfolgreichem „Arbeiter“, dem sein Ruf vorauseilt, seinen Job immer mit höchster wie schneller Präzision zu erledigen, für den die alten Regeln der Unterwelt höchste Priorität und Sicherheit bedeuten, wird zunehmend unruhiger. Was ist das für eine Scheiß-Zeit? In der man mit „Verurteilten“ vorher noch quatschen soll? Und wo im lauten, permanent laufenden Fernsehen die politischen Hohepriester des zerfallenden Landes, wie der als Bush-Nachfolger vorgesehene Republikaner John McCain, von ihren kapitalen wie kapitalistischen Fehlern des Finanzdebakeljahrzehnts reden, und dass sie diese baldmöglichst natürlich abzustellen gedenken, um Amerika wieder in rechte Ordnung und den vorherigen Glanzzustand zu versetzen? Was ist los? Konnte man bisher auf „gute Geschäfte“ profitabel setzen, stimmt im derzeitigen Amerika nun gar nichts mehr. Für Jackie Cogan existiert(e) sowieso nur seine Parallelwelt, in der sich allerdings nun auch mehr und mehr „merkwürdige Neugewächse“ aufhalten. Eingefunden haben. Dies ist kein Land mehr, sondern nur noch Business“, stellt er lakonisch und angefressen fest. Nachdem man sogar an seinem vereinbarten Honorar hinterher „feilscht“. Von wegen Rezession. Und wenn Jackie dies nicht akzeptiert, ist vielleicht gerade ein Kollege „bereitwilliger“. Als sozusagen preiswerterer „Aldi“-Killer. Jackie ist fassungslos. Und stinkig. Wenn nicht mal mehr unter Seinesgleichen keine ordentlichen Regeln mehr gelten. Sollen???

Ein verdammt guter, ein klasse zynischer, doppelbödiger, tragikomischer wie atmosphärischer Stoff. Mit außerordentlich viel faszinierender Denk-Puste. Sowie dazugehörigen, explizierten Gewalt- Eskapaden. Und einer packenden Ausgangsgeschichte: Mittlere und kleinkalibrige und ein ganz und gar dreckiger Ganove planen die Kopie eines einstmals erfolgreichen Coups. Ertragreiches Klauen bei einer „honorigen“ wie illegalen Pokerrunde. Damals war es der Veranstalter-Hausherr selbst, Markie Trattman (RAY LIOTTA), der ihn einfädelte, dabei zünftig absahnte und Jahre später dann lachend „veröffentlichte“. Mitteilte. In seinem Umfeld. Um dies auszunutzen und nun Markie alles in die neuerlichen Überfallschuhe zu stecken, wird also „das Ding“ nochmal durchgeführt. Und natürlich, klar, gerät Markie jetzt erst recht in die engere Verdächtigenszone. Vor allem wegen seiner vorlauten Schnauze neulich. Doch auch bei den „Gewinnern“ läuft beileibe nicht alles vorteilhaft. Und glatt. Ab. Ganz im Gegenteil. Denn als Jackie Cogan auftaucht, wird es für alle Beteiligten hier brenzlig. Und ziemlich schmutzig. Doch als er „Yes, we can“ in Aktion treten will,…..muss er viel mehr reden denn handeln. Und dies behagt dem hartgesottenen Solisten überhaupt nicht. Doch 2008, die Krise, offensichtlich überall, auch bei den „Seinigen“, die vielen Bekloppten, Bürokraten, Schwachmaten, ob in der Kotze, an der Nadel oder in Nadelstreifen, abgefuckt ist das doch alles. Nur noch das Geld und die Gier zählen: Eben – „America is not a country, it’s a business!“

Am 22. Mai hatte „Killing Them Softly“ Premiere auf den Filmfestspielen von Cannes. Autor und Regisseur ANDREW DOMINIK, 1967 in Neuseeland (Wellington) geboren, aufgewachsen in Australien, entwirft ein „störrisches“ USA-Bild. Dessen Ordnung sich in bizarrer Auflösung befindet. Unten wie oben. Sein – nach „Chopper“, einer mehrfach dekorierten australischen Debüt-Produktion von 2000, und „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“, dem ersten Hollywoodwerk 2007(erstklassig, mit Brad Pitt) – erst dritter Kinofilm adaptiert den 1974 herausgekommenen (dritten) Roman – „Cogan’s Trade – des amerikanischen Juristen, Kolumnisten, Universitätsprofessors und Bestseller-Autoren mit Kriminalromanen GEORGE V. HIGGINS (13.11.1939 – 6.11.1999). Und versetzt diesen Roman in die verunsicherten USA von 2008. Mit den Auflösungserscheinungen von heute. Wo die Amoral dominiert. Nur noch die Macht der Mächtigen, Stärkeren zählt. Was die Opferanzahl in ungeahnte Höhen versetzt. Recht hat DER, der sich „Recht“ sichert. Es für sich proklamiert. Mal mit Worten, mal mit Taten. Gewalt. Die USA als vereinigte Wertezerfallgesellschaft. Mit rabenschwarzen Aussichten. BRAD PITT als philosophierender Gangster-Guru besitzt Tarantino-Typengeschmack („Pulp Fiction“). Der sensationelle JAMES GANDOLFINI als Jackie Cogans verfetteter, geiler Saufbruder ist so heiß schäbig wie seit seinem Tony Soprano aus der gleichnamigen TV-Serie („Die Sopranos“) nicht mehr. Was für ein großartiger widerlicher Scheißkerl! Ganz starker „Oscar“-Geruch.

Die atmosphärischen 1 A-Klänge von klassischen Interpreten wie JOHNNY CASH oder VELVET UNDERGROUND runden diesen brillanten, lakonischen gesellschaftskritischen Polit-Thriller stimmungsvoll ab. Wie gesagt – man kann diesen besten US-(„Schlüssel“-)Film seit langem schon HEUTE entdecken. Oder in zehn Jahren auf einem Festival. Als Überraschungsfilm „von damals“ (= 4 ½ PÖNIs).

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