JOHN WICK

„JOHN WICK“ von Chad Stahelski und David Leitch (USA/Kanada/China 2013/2014; B: Derek Kolstad; K: Jonathan Sela; M: Tyler Bates, Joel J. Richard, Le Castle Vania; 101 Minuten; deutscher Kino-Start: 29.01.2015); „96 Stunden – Taken 3“, mit dem 62-jährigen Liam Neeson als Rache-Engel, war neulich ein Desaster. „John Wick“ könnte man gut und gern als „Rehabilitation“ und als phantastische Version „Taken 4“ bezeichnen. Mit dem 50-jährigen KEANU REEVES und Ex-„Matrixer“ als herausgeforderter Wut-Man.

John Wick hatte einst den Ausstieg gefunden. Weil er für seinen New Yorker Unterwelt-Boss Viggo Tarasov (MICHAEL NYQVIST/der rebellische Journalist aus den skandinavischen Stieg Larsson-„Millenium“-Adaptionen „Verblendung“/“Verdammnis“/“Vergebung“) eine eigentlich unlösbare Aufgabe erledigte, kam er frei. Aus dem Paten-Rudel. Konnte seine geliebte Helen heiraten und ein bürgerliches Leben führen. Nun ist Helen gestorben. Beagle Daisy ist ihre „süße“ Hinterlassenschaft. Als ein übler Gangster einen scharfen Blick auf seinen 1969er Boss Mustang wirft, John den Wagen aber nicht verkaufen will, beginnt der Ärger. Man überfällt ihn in seinem Haus, richtet ihn übel zu, tötet den niedlichen kleinen Hund und klaut das Auto. Die Folge: John Wick (KEANU REEVES) kehrt zurück. In diese schmutzige Parallelwelt, „die in ihrer Mischung aus Realismus, Retrolook und Märchenmotiven seltsam aus der Zeit gefallen scheint“ („e-p-d“-Kritik/02/2015). Wo er der Härteste und Beste unter den besten Killern war. Und natürlich auch wieder ist. Was natürlich seinen ehemaligen Boss Viggo auf den mörderischen Plan ruft. War es doch seine Missgeburt von Sohn, der – unwissentlich, wen er vor sich hatte – John Wick attackierte. Was wiederum nun für Leichen-Berge sorgt.

Er heißt John Woo, ist Hongkong-Regisseur und hatte bisher den für mich härtesten, brutalsten wie grandiosesten Thriller in der Genre-Filmgeschichte geschaffen: „The Killer“, 1989 herausgekommen (s. Kino-KRITIK). Beeindruckend in seiner extrem stilisierten Gewalt (mit insgesamt 120 Toten) sowie in der von Jean-Pierre Melville übernommenen stilisierten Gangster-Themen-Mixtur von Ehre, Liebe, Freundschaft. Bis heute wurde dieser Film noch nie in seiner vollständigen Hart-Version gezeigt. Die beiden Stunt-Profis CHAD STAHELSKI und DAVID LEITCH, die einst mit Keanu Reeves als Stunt-Doubles bei der „Matrix“-Trilogie zusammenarbeiteten und die vielfach auch die Second-Unit-Regie bei namhaften Action-Filmen (wie „Das Bourne Vermächtnis“ oder „Dracula Untold“) übernahmen, sind bei ihrem ersten eigenen Regie-Kinofilm auf den groben Spuren von John Woo. Mit biblischem Zorn begibt sich der stets fein, mit schnittigem schwarzen Anzug gekleidete, mürrische, einsilbige John Wick in die Enkel-Nachfolge von Charles Bronson („Ein Mann sieht rot“), Clint Eastwood („Dirty Harry“), Alain Delon („Der eiskalte Engel“), um engelsgleich das „Auge um Auge“ aus dem Alten Testament deftig-heftig zu zelebrieren. Dabei kommt er schnell wie zielsicher „gut“ voran. Wohin man auch blickt, die Ansammlung verdorbener Menschen, die es zu beseitigen gilt, ist enorm. Und steigert sich ständig. (Das Skript verweist auf etwa 70 Tote).

„John Wick“ ist ein choreographisch brillant inszeniertes Unterwelt-Medley. Als intensiver Krimi-Punk-Streich (mit Musikstücken wie „Get Money“ von T-Bo und Bengie B. und „Killing Strangers“ von Marilyn Manson). Im klinischen Look. Als exzellent düster gestyltes Seperat-Universum. Mit viel „sportlich“-atmosphärischem Action-Gewitter. In einer hermetisch „abgeschlossenen“ Welt. Mit Graphic Novel-Flair. Und eigener Münzen-Gold-Währung. Mitten unter uns. Wo klare Outlaw- Regeln herrschen. Die es zu befolgen gilt. Ansonsten… greift die Chef-Etage kühl ein.

Der Film lebt von vielschichtigen erzählerischen Hintergrundmotiven. Ähnlich wie einst beim Sergio Leones Western-Brutalo „Zwei glorreiche Halunken“. Laut Regisseur Chad Stahelski dienten auch Lieblingsfilme wie dieser Leone-Klassiker sowie „Point Blank“ von John Boorman, „Vier im roten Kreis“ von Jean-Pierre Melville und nicht zuletzt „The Killer“ von John Woo als Inspiration für „John Wick“. Der charismatische Keanu Reeves, der für die Fights einen Kampfstil aus Martial Arts und Waffen trainierte, genannt Gun Fu, mimt den Unbarmherzigen mit stoischer Coolness. Sein samuraihafter Amoklauf umfasst eine beeindruckende ästhetische Kraft. Seine Gewalt ist skrupellos wie konsequent. Der blutige rote Faden ist ebenso subversiv wie schlüssig und höchst sarkastisch-emotional.

John Wick ist eine neue „leckere“ B-Radau-Figur auf der Leinwand. Die in der düsteren wie „kultivierten“ Interpretation von Keanu Reeves für viel Reiz und Spannung sorgt. Übrigens: als sein Verbündeter präsentiert WILLEM DAFOE als lakonischer Saft-Fan Marcus witzige Bonmots. Wie auch diese urige Gangster-Combo „Stil“ besitzt, die nach jedem Duell die Toten fein säuberlich „einpackt“, abräumt und abtransportiert. Merke: „John Wick“ besitzt auch einen ganz „speziellen“, herrlich schamlosen Tollhaus-Humor… (= 4 PÖNIs).

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