JAMES BOND 007 – SKYFALL

PÖNIs: (5/5)

„JAMES BOND 007 – SKYFALL“ von Sam Mendes (GB/USA 2011/2012; B: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade; K: Roger Deakins; M: Thomas Newman, Adele/Titelsong; 143 Minuten; deutscher Kino-Start: 01.11.2012); bin störrisch, denn es handelt sich natürlich NICHT um den 23., sondern bereits um den 24. BOND-Film seit dem Serien-Beginn von vor 50 Jahren (mit „Dr. No“/Premiere am 5.10.1962); denn – „SAG NIEMALS NIE“ von 1983 NICHT mitzuzählen, nur weil dieser Streifen nicht von der „sonstigen“ Produktionsfirma stammt, ist purer Blödsinn. Schließlich spielt ja in „Never Say Never Again“, einem Remake von „Feuerball“ (1965), der Ur-Bond-Mime SEAN CONNERY zum sechsten (und letzten) Male den Agenten Seiner Majestät.

Nur zur weiteren Erinnerung: Max von Sydow (als Ernst Stavro Blofeld) und Klaus Maria Brandauer (als Maximilian Largo) waren damals für die Seite der Bösewichte zuständig, Edward Fox trat als Bond-Boss „M“ auf, Barbara Carrera (als Fatima Blush) sowie Kim Basinger (als Domino Petachi) sorgten für die attraktive weibliche „Ausstattung“, und „Mr. Bean“-Akteur Rowan Atkinson war für den Part des schussligen Nigel Small-Fawcett von der britischen Botschaft in Nassau/Bahamas besetzt. „Sag niemals nie“, hierzulande am 20. Januar 1984 in die Kinos gekommen, war damals die Nr. 13 der Bond-Reihe. „Skyfall“ ist also der 24. James Bond-Film. Basta.

Der britische Inlandsgeheimdienst Security Service ist besser bekannt als MI5 (nach der historischen Bezeichnung: Military Intelligence, Section 5). 1992 waren die Briten baff, als die Regierung bekannt gab, dass der MI5 künftig von einer Frau geführt wird: Stella Rimington. Eine Boulevardzeitung druckte ein Bild von ihr, „M“ war damit enttarnt. „Jane Bond“ wurde damals die Chefin von mehr als 2300 Geheimdienstlern auch genannt. Fast fünf Jahre, bis zu ihrem 65. Lebensjahr, führte sie den Dienst, bei dem sie einst in Indien als Sekretärin angefangen hatte. Danach begann sie, inzwischen von der Queen mit dem Rittertitel DAME geadelt, Geheimdienst-Romane zu verfassen. „Stille Gefahr“ setzte 2005 erstmals ihre Terrorbekämpferin Liz Carlyle in Bewegung, „Leiser Verrat“ war 2007 das zweite Abenteuer der tapferen Front-Frau. Als die britische Adels-Schauspielerin und „Oscar“-Lady DAME JUDI DENCH („Shakespeare In Love“) erstmals 1995 in dem Bond-Film „Golden Eye“ als MI6-Auslandsgeheimdienst-Chefin „M“ auftrat, war Stella Rimington „überaus geschmeichelt“: „Ihr wurde sogar meine Kurzhaarfrisur verpasst“, gab sie später zu Protokoll.

Judi Dench alias (zum bereits 7. Mal) „M“ steht auch gleich am Anfang dieses 24. Bonds vor einer riesigen Herausforderung. Denn die Gefahr besteht, dass „ihr“ Bond durch die eigene Außendienstpartnerin Eve Moneypenny (NAOMIE HARRIS) während eines Auftrages in der Türkei erschossen wird. Bei einem fulminanten Duell auf einem fahrenden Zug. Zwischen Bond und einem ebenso „sportiven“ Schurken, einem französischen Söldner-Profi, der einen geklauten Datenträger aus dem Hause von MI6 besitzt, den 007 zurückerobern soll. Pech nur, dass seine Assistentin Eve tatsächlich ihn erwischt. Und vom Zug fetzt. James Bond: „Missing in Action“ heißt es ab sofort. Für Queen und Vaterland. Sein Nachlass wird bereits „geregelt“, doch Agent 007 hat natürlich überlebt. Mit beziehungsweise inmitten nun einer Sinn-Krise. Die Absturzfolgen. James Bond (DANIEL CRAIG) fühlt sich müde. Ausgelaugt. Wie ein altes Pferd. Das längst „auf die Weide“ gehört. Von wegen Gnadenbrot. 007 taucht erst ab und dann unter. Doch dann erfährt er, dass im Internet – dank des geklauten Datenträgers – die Identitäten von fünf geheimen NATO-Agenten veröffentlicht wurden. Was ihre Liquidierung zur Folge hatte.

Mit der anonymen Absichtserklärung, jede Woche weitere fünf zu enttarnen, steht M ab sofort unter erheblichem politischen Druck. Sie soll „diskret“ zurücktreten. Mit dem „kultivierten“ Gareth Mallory (RAPH FIENNES) steht der Nachfolger schon bereit. „M“ wehrt sich, ist nun aber erstmals angreifbar. Bond kehrt zurück. Wird aber nicht mehr „für voll“ genommen. Soll, ebenso wie M, „sauber“ ausgemustert werden. Muss Tests über sich ergehen lassen. Von wegen weiterer „Verwendungsfähigkeit“. Als aber das Hauptquartier von MI6 durch eine Explosion attackiert wird, reaktiviert man Bond. Schickt ihn nach Shanghai, wo der französische Söldner aus der Türkei „erwartet“ wird. Um im Auftrag seines „Herrn“, des geheimnisumwitterten Mr. Raoul Silva (JAVIER BARDEM), wieder „aktiv“ zu werden. Die Spiele sind eröffnet. Mit dabei: Ein neuer, junger„Q“, ein pickliger Jung-Spund-Absolvent von der Universität (BEN WHISHAW) als genialer Sonderling = Hacker-Nerd-Einsteiger („Keine explodierenden Stifte mehr“). Ebenso originell wie auch der Jux – wieder einen ASTON MARTIN DB5 zu reaktivieren. Als es schließlich nach Skyfall geht. Zum Final Countdown. Wo die Alten… Nein, mehr nicht.

„Wiederauferstehung ist meine Spezialität“, betont Bond einmal. Und in der brillanten Tat: 007 lebt. Und wie. TOLL! Ähnlich wie THE ROLLING STONES tourt er nun schon seit fünf Jahrzehnten durch die Welt, und sein Rock ‘n‘ Roll ist heuer wieder der volle Speed. Aber nicht mit den früheren filmischen Sättigungsbeilagen um „geschüttelte, nicht gerührte“ Martinis, schöne Girls-Puppen, um exzellente Maßanzüge und haufenweise toughes exotisches Jagd-Fieber, sondern mit Bedacht. In einer Art Qualitätsoffensive: Mit gleich fünf „Oscar“-Gewinnern hinter den Kulissen: Regisseur Sam Mendes („American Beauty“), „M“ Dame Judi Dench, „Raoul Silva“ Javier Bardem („No Country for Old Men“), Designer Dennis Gassner („Bugsy“/1991) sowie Special Effects-Profi Chris Corbould (davor tätig für Christopher Nolans Meisterstück „Inception“). Für das Drehbuch wurden die Bondfilm-erfahrenen NEAL PURVIS & ROBERT WADE (beide seit 1999/“Die Welt ist nicht genug“/mit-dabei) sowie JOHN LOGAN („Oscar“-Nominierungen für die Drehbücher zu „Gladiator“, „Aviator“ und zuletzt für „Hugo Cabret“) verpflichtet.

Was im Ansatz bedeutet – der dritte Neu-Bond, nach „Casino Royale“ (s. Kino-KRITIK) und „Ein Quantum Trost“ (s. Kino-KRITIK), beabsichtigt, ein „gehobenes“ Bond-Imperium zu schaffen. Äußerlich wie vor allem – innerlich. Einen BOND mit Kraft UND Charakter. Mit seelischen (Durch-)Hängern. Zweifeln. Trüben Gedanken. Über M und die Welt. Dazu allerdings bedurfte es eines „besonderen“ Regisseurs: Der am 1. August 1965 geborene Brite Samuel Alexander „Sam“ Mendes, Schulabschluss in Oxford, Bachelor in Englisch an der Universität von Cambridge, hatte bereits erfolgreiche Karriere am Theater gemacht, als er 1999 mit „American Beauty“ seinen ersten – umjubelten – Kinofilm schuf. 5 „Oscars“ erhielt das Werk zugesprochen, darunter zwei für ihn, für die „Beste Regie“ und den „Besten Film“. Seine Kinofilme danach waren auch „nicht ohne“: Sowohl „Road to Perdition“ (2002/der letzte mit Paul Newman) wie auch (u.a.) „Zeiten des Aufruhrs“ (2008/mit dem „Titanic“-Paar Kate Winslet/Leonardo DiCaprio) besaßen Prädikats-Präsenz. Will sagen – Bond-Serien-Movie Nr. 24 ist ein seriöser, ernsthafter Film. Mit vielen komischen Facetten. Als begeisternder Psycho-Thriller, mit großartiger Action- und Seelen-Spannung.

In Details: Nach einem fulminanten 12 Minuten-Action-Dampf-Beginn, mit der erwähnten Jagd durch Istanbul, schmeichelt sich der ohrwürmige Titelsong von Adele mit einem melodiösen „This ist the end“ beginnend ein. Währenddessen ein poppiger Vorspann auf diese „große britische Bulldogge von Film“ („The Times“) für stimmungsvollen Neugier-Reiz sorgt (Saul Bass lässt grüßen). Und schon viel von der faszinierenden Spannungsruhe signalisiert, mit der dieses Abenteuer sich dynamisch und vielschichtig entwickeln wird. „Regisseur Sam Mendes und Daniel Craig bringen das Gefühl zu den 60ern zurück – mehr Sean“ (Produzent Michael G. Wilson). Mit einer „richtigen“ Geschichte, mit interessanten Figuren, mit natürlich spektakulären Außenansichten. Und mit einem gebrochen-starken James Bond. Im 21. Jahrhundert.

Apropos – nix ist mehr von der lächelnden Kleiderstangen-Ironie eines Roger Moores. Geblieben. Nur noch etwas vom Macho-Kost-und-Draufgänger Sean Connery. Der DANIEL CRAIG-Bond, mit seinen 178 Zentimetern „Höhe“ vergleichsweise ein „Zwerg“, ist „irgendwo zwischen Gentleman und Türsteher“ („STERN“) als Prollklassen-Aufsteiger angelegt. Tatsächlich eher einer verbissenen Bulldogge denn einem früheren 007-Helden ähnelnd. Mehr knurrend denn „lieb“. Ein Body-Typ in der überzeugenden Klasse-Balance zwischen Norm und Charakter. Als cooler wie schwermütiger Rocker-Bubi. DANIEL CRAIG, 44, Sohn eines Stahlarbeiters und einer Kunstlehrerin, ist endlich „im Bond“ angekommen. Dank Sam Mendes. Es ist sein bislang überzeugendster 007-Auftritt.

Wie auch DER von JUDI DENCH. Im Film auch schon mal – vom Schurken Silva – als „Mutti“ bezeichnet. Weil ihre Rolle, endlich, ausgebaut wurde. Als „M“ hat sie nicht nur bekannte, mürrisch bestimmende Anweisungen zu geben, sondern ist in die Gesamthandlung involviert. Wird direkt attackiert. Und beschädigt. Die bisher über jeden Verdacht erhabene Chefin gerät in die Defensive. Wird für James Bond zum wichtigsten Bond-„Girl“ überhaupt. Denn ihre Existenz ist mit seiner stark verwoben. Verbunden. Ohne den Anderen funktioniert nichts. Richtig. Also baut sie auf ihn. Obwohl sie eingangs seinen Tod billigend in Kauf genommen hat. Job ist halt Beruf. ER ist und bleibt loyal wie eh und je. Ihr gegenüber. Diese Beiden gehören und zählen zusammen. Bis… Judi „M“ Dench hat im Frühjahr in einem Interview von einer Krankheit berichtet, an der sie leidet, und dass sie möglicherweise ihr Augenlicht verlieren wird.

Die Bond-Girls sind hier nur obligatorisch. Heißen Sévérine (BÉRÉNICE MARLOHE/wird gekillt) und Eve (NAOMIE HARRIS/“28 Tage später“), die zur neuen Miss Moneypenny mutiert. Als emanzipatorische Pointe.

„Unser“ Gerd Fröbe war einst ein gewichtiger Gegenspieler des Agenten 007. Als „Goldfinger“. Der Spanier JAVIER BARDEM, 43, tritt in seine – dämonischen – großen Fußspuren. Als von „Mutti“ einst gedemütigte Nun-Bestie. Die jetzt nach Rache giert. Und dabei unschlagbar wie unaufhaltsam zu sein scheint. Dabei gibt Javier Bardem wieder einmal, nach seinem sensationellen psychopathischen schwarzen „Prinz Eisenherz“-Killer Anton Chigurh in „No Country for Old Men“, eine köstliche Drecksfigur ab. Mit erneut viel Hang und Spaß am Theatralischen. Am Sexistischen (Bond zeigt sich amüsiert und nicht „abgeneigt“). Wie am Brutalen. Machen. Handeln. Das Haar diesmal „zu einer hellen Idiotenfrisur gestriegelt“ („SPIEGEL“). Mr. Internet weiß wie „es geht“. Am schlimmsten funktioniert.

Waren früher, zu Kalten Kriegszeiten, die Gegner lokalisierbar, und auch danach noch eine ganze Weile „überschaubar“, herrscht heute, wer „das Netz“ beherrscht. Heute kann sich der mächtige Feind an jedem Platz der Welt aufhalten. Und agieren. Ein paar raffinierte „Klimpereien“ am Computer und schon sind Alarm und Chaos „weit weg“ ausgelöst. Angerichtet. Jemanden unter diesen anonymen Umständen aufzuspüren, wird immer schwieriger. Auch davon erzählt der Bond von 2012. Ohne natürlich auf die reißerischen Verfolgungsjagden per Auto, Motorrad, auf den Straßen, auf den Dächern oder eben auf einem Zug zu verzichten. Der Basar von Istanbul dient dabei als ebenso funkelnder, prickelnder Schauplatz wie eine entgleisende Londoner U-Bahn, die schließlich in ein Kellergewölbe kracht. Und eine Sergio Leone-Western-Atmosphäre wird dann im Finale wach, wenn sich die Kontrahenten fast „biblisch“ in Skyfall duellieren.

Was für eine phantastische Wiederbelebung in Sachen Bond & Co. Listig. Schwarzkomisch lustig. Durchtrieben-ironisch. Bisweilen grollend. Mit charmanter Tiefenstarre. Aber immer „dran“. Am Geschehen. An den Figuren, an den unaufdringlichen, schmunzelnd-protzigen Action-Bildern des bislang neunfach „Oscar“-nominierten Kamera-Chefs ROGER DEAKINS („No Country for Old Men“; „Die Verurteilten“). Alles passt bestens zusammen. Wer hätte DAS gedacht – dieser neueste James Bond-Film ist ein vitales, gescheites Gesamtkunstwerk. Von erstklassigem Genre-Kino (= 5 PÖNIs).

P.S.: „Bei Bond krieg ich das Kotzen“ (Tom Tykwer/„STERN“ 6/2009).


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