I’M NOT THERE

PÖNIs: (4/5)

„I’M NOT THERE“ von Todd Haynes (Co-B + R; USA 2007; K: Edward Lachman; M: Bob Dylan; 135 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.02.2008). Der in L.A. geborene, heute 37-jährige Todd Haynes ist Schauspieler, Regisseur, Drehbuch-Autor und Produzent. Er studierte Kunst und ging nach seinem Abschluss nach New York. Dort drehte er 1987 den kontrovers aufgenommenen Kurzfilm „Superstar: The Karen Carpenter Story“. Sein erster eigener Regie-Spielfilm war 1991 „Poison“ und erhielt beim „Sundance Film Festival“ den „Großen Preis der Jury“. Danach entstanden die Spielfilme „Safe“ (1995), „Velvet Goldmine“ (1998) und „Dem Himmel so fern“ (2002/Darstellerpreis für Julianne Moore beim Venedig-Festival). Sein neues Projekt ist die BOB-DYLAN-Annäherung „I`m Not There“. Der Film war im offiziellen Wettbewerb der 64. Filmfestspiele von Venedig im letzten September, bekam den „Großen Preis der Jury“ zugesprochen, während CATE BLANCHETT mit dem Darstellerpreis „Coppa Volpi“ geehrt wurde.

Zunächst einmal BOB DYLAN in Kurzform: Geboren als Robert Allen Zimmerman am 24. Mai 1941 in Duluth, Minnesota; Folk- und Rock-Musiker, spielt Gitarre, Mundharmonika und Klavier; gilt als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Nahezu 60 Alben hat die musikalisch vor allem von WOODY GUTHRIE geprägte und in seinen Texten von ARTHUR RIMBAUD, CHARLES BAUDELAIRE und DYLAN THOMAS beeinflusste Pop-Ikone bislang veröffentlicht. Todd Haynes nähert sich dem „rätselhaften Menschen“ Dylan über gleich 6 verschiedene Figuren/Facetten/Charaktere innerhalb seines Werdeganges. Der Film besitzt also keine „Handlung“ im herkömmlichen/klassischen Sinne, sondern deutet auf sechs ganz unterschiedliche Phasen/“Bewegungen“ im Leben dieses Ausnahme-Künstlers. Deshalb wird „Bob Dylan“ auch von 6 verschiedenen Darstellern verkörpert: Es beginnt mit dem 11-jährigen farbigen Woody Guthrie (MARCUS CARL FRANKLIN), der mit seiner Gitarre durchs Land zieht und ziemlich altklug über seine musikalischen Visionen schwadroniert.

Wir begegnen dem Poeten Arthur (BEN WHISHAW) auf der Suche nach seiner literarischen Identität. Sowie dem Erfolgs-Sänger Jack Rollins (CHRISTIAN BALE), der sich plötzlich zum Prediger, „Pastor John“, berufen fühlt. Der Schauspieler Robbie dagegen (der kürzlich verstorbene HEATH LEDGER in seiner vorletzten Leinwand-Rolle) lässt unvermindert Ehefrau (CHARLOTTE GAINSBOURG) und Kinder im Stich, während wir auf den androgynen wie exzentrischen Rock-Star Jude Quinn (CATE BLANCHETT) stoßen und schließlich noch mit dem gealterten Outlaw Billy the Kid (RICHARD GERE) zu tun bekommen, der sich in sein „Ich“ zurückgezogen hat.

SIE-ALLE sind Teile/Spuren/Elemente/Facetten von BOB DYLAN. Sind Teile eines Puzzles einer vielschichtigen Persönlichkeit, die in kein „Schema-F“ zu pressen/einzufangen bzw. zu erklären/zu erzählen ist. Zugleich werden die Spiel-Elemente des Kinos bemüht: von Dokumentaraufnahmen über Standfotos, Interviews, Traumsequenzen, Spielszenen bis hin zu Kino-Zitaten. Dabei ist man zuweilen ebenso ratlos wie staunend-beeindruckt. DIESER Bobby Dylan lässt sich „nicht fangen“, nicht SEZIEREN. Bleibt eine faszinierend-spannende UNBEKANNTE in diesem Mysterie-Spiel seines Lebens.

In dem die beschwingt-unbeschwerten 60er Jahre-Beatles-Komödien eines Richard Lester genauso rhythmisch mitschwingen wie die reizvoll-skurrilen Verweise auf die Existenzialismus-Dramen der „Nouvelle Vague“ à la Godard oder Truffaut. Und wenn man Haynes Lieblingsschauspielerin JULIANNE MOORE nicht (er-)kennen würde, könnte man tatsächlich annehmen, echte Interview-Szenen eines Fans zu erleben. Aber das alles setzt natürlich in der verschiedenen Darstellung/den unterschiedlichen Darstellern die Krone auf. Und hier dominiert/triumphiert eindeutig die australische Schauspielerin CATE BLANCHETT, die einmal mehr begeisternd unterstreicht, dass sie zu den derzeit führenden Charakter-Darstellerinnen des internationalen Kinos zählt.

Die „Oscar“-Preisträgerin („Beste Nebendarstellerin“ als Katharine Hepburn in Scorseses „Aviator“; in diesem Jahr gleich 2 x nominiert: Als „Beste Hauptdarstellerin“ in „Elizabeth – Das goldene Königreich“ + eben hier als „Beste Nebendarstellerin“; und demnächst spielt sie auch noch im neuen, im 4. Indiana-Jones-Film mit) setzt MIT IHRER „provokanten“ Dylan-Interpretation hier allen und allem das schauspielerische Sahnehäubchen auf. Sie wirkt zäh, gebrochen, durchtrieben, extravagant, exzentrisch, melancholisch: „eine“ hin- wie mitreißende „Bob Dylan“.

Fazit: Kino als ungewöhnliche Rätsel-Show, bei der/in der „der Meister“ persönlich nicht in Erscheinung tritt, während seine Musik den Weg weist zu einem charismatischen, widerspenstigen, nie ganz zu verstehenden/begreifenden/“passenden“, „einzuordnenden“ WIRKLICHEN Super-Star. Eine absolut außergewöhnliche Biographie-Suche/-Bestimmung; eine Klasse Zeit- /Seelen- und Musik-Reise (= 4 PÖNIs).

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