Im August in Osage County

IM AUGUST IN OSAGE COUNTY“ von John Wells (USA 2012; B: Tracy Letts, nach seinem gleichnamigen, 2008 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Bühnenstück; K: Adriano Goldman; M: Gustavo Santaolalla; 119 Minuten; Start D: 06.03.2014); JA, JA, JA – wenn SIE Schauspieler mögen und denen gerne bei ihrem absolut denkwürdigen, weil überragenden, mitreißenden, emotional wirkungsstarken Können zuschauen, dann sind SIE hier richtig! Selten hat ein Film sich SO INTENSIV auf seine Akteure verlassen…können. Sie sind in jeder Figur WUNDERBAR! (Auch übrigens in der professionellen Synchronisation).

Dabei ist das Sujet eigentlich ausgereizt. Banal. Ja, fast lächerlich. Eine Sippe trifft sich. Man ist Blutsverwandt, aber das macht „die Sache“ noch schlimmer. Denn was kann das Blut, was können die Gene dafür, dass man sich miteinander verwandt nennen und auch ab und an begegnen muss. Obwohl man so viel miteinander gar nicht kann. Und will. Und überhaupt…, diese ganze Gegend ist auch völlig überhitzt um diese August-Jahreszeit außerhalb von Pawhuska, Oklahoma. Hier hausen der in die Jahre gekommene und in die Resignation abdriftende Schriftsteller und Whisky-Liebhaber Berverly Weston (SAM SHEPHARD) und seine Frau Violet (MERYL STREEP). Eine Furie mit Mundhöhlenkarzinom, die in einer ewigen Dunstwolke aus Schmerzmittel und Psychopharmaka umnebelt herumstinkt. Mal als Hausdrache, mal als vollgekiffter Tabletten-Junkie. Er säuft, sie schluckt. Gerade hat er noch eine neue – indianisch-stämmige – Haushälterin verpflichtet, jetzt ist er verschwunden. Auf Nimmerwiedersehen. Hat sich im See ersoffen.

Die Etikette verlangt es, dass sich die Großfamilie anschließend versammelt. Kinder, Geschwister, Cousinen, Enkel und weiß der Deibel wie das alles offiziell heißt und sich zusammensetzt. Die ganze Muschpoke. Gibt sich die Ehre. Was Violet zum vielfachen Anlass nimmt, ihren Missmut, ihren weltlichen Ekel, ihre Scheiß-Gesundheit, ihre Wut, ihre Depressionen, ihren riesigen Verdruss herauszupressen. Abzulassen. Laut und überdeutlich. Gegen Alle und alles. Und Jeden. Es kommt wie es kommen muss: Gewaltige finale Eruptionen. Explosionen der Dunkel-Seelen. Dabei kotzen sich nach und nach die Innereien sämtlicher Anwesenden total aus. Natürlich, fängst du erst einmal in den seelischen Tiefen und Abgründen jedes Einzelnen an zu bohren, findest du die täglich zuhauf versteckten, unterdrückten und übertünchten Seelen-Leichen. Und Lebens-Lügen. Wie hier. Und dann geht die geheim gehaltene verbale wie handfeste Spucke-Post ab. Und WIE!

Marke: Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, das war einmal. In dem bekannten Stück des Dramatikers Edward Albee aus den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts. Damals brillant schwarz-weiß verfilmt von Mike Nichols mit Elizabeth Taylor und Richard Burton (1966). Heute lautet das brandheiße Motto: WER HAT ANGST VOR VIOLET WESTON? Meryl Streep, zum 18.mal „Oscar“-nominiert für den heißen Violet-Part, gibt die 150%-Furie. Taumelnd, jammernd, grölend, tobend, die ganze Emotionspalette. Wobei jedwede Schmerzgrenzen pöbelnd, beleidigend locker überschritten werden. Was zum „Mitmachen“ reizt. Für die lieben Anverwandten. Bei denen die Galle schließlich den Verstand besiegt.

Regisseur JOHN WELLS, Jahrgang 1956, zählt seit über zwei Jahrzehnten zu den produktivsten und erfolgreichsten Machern in Hollywood. Er ist der Mastermind hinter Erfolgsserien wie „Emergency Room“ und „The West Wing“, gewann – bei rekordverdächtigen 270 „Emmy“-Nominierungen – den TV-„Oscar“ 55-mal. Seinen Kinofilm-Einstand hatte er 2011 mit dem spannenden Finanz-Drama „Company Men“ (s. Kino-KRITIK). Hier nun stand ihm unter anderem George Clooney als Co-Produzent mit zur Seite und hatte sicherlich auch erheblichen Anteil daran, dass John Wells ein Star-Ensemble zur Verfügung stand: Mit JULIA ROBERTS als gereizte Barbara-Tochter von Meryl „Violet“ Streep (ebenfalls „Oscar“-Nominierung); mit Ewan McGregor, Chris Cooper, „Sherlock“ Benedict Cumberbatch und Abigail Breslin (die einstige „Little Miss Sunshine“). Oder mit der aufgetakelten Juliette Lewis als „sündige“ Tochter Karen und ihrem Steve-„Lover“ Dermot Mulroney. Sie alle sorgen für feurigen Augen- und brillantem Sinne-Pfeffer. Was für eine prächtige familiäre Gift-Komödie ist das hier…wenn man wahre SCHAUSPIELER/Innen in kunst-köstlichen Volldampfposen mag. Liebt. Dann ist komplette Bewunderung und Verehrung unausweichlich (= 4 ½ PÖNIs).

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