HUUB STAPEL

TIP-Interview mit HUUB STAPEL im Juni 1988 anlässlich der Uraufführung des Films:

„VERFLUCHTES AMSTERDAM“ von Dick Maas (B; R; Co-Pr. + Co-M; NL 1988; K: Marc Felperlaan; Co-M: Golden Earring; 105 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.06.1988; s. Kino-KRITIK).

Holland spielt nicht nur guten Fußball, sondern macht auch immer bessere Filme. Jüngstes Beispiel dafür ist „Verfluchtes Amsterdam“ von Dick Maas mit HUUB STAPEL in der Hauptrolle. Huub Stapel kennen wir hierzulande auch schon aus drei anderen holländischen Spielfilmen: „Das Mädchen mit dem roten Haar“ von Ben Verbong und den beiden Dick Maas-Arbeiten „Fahrstuhl des Grauens“ und „Flodder – Eine Familie zum Knutschen“. Anläßlich eines Berlin-Besuchs sprach Hans-Ulrich Pönack mit dem 33-jährigen Schauspieler.

TIP: Was ist in Holland passiert, dass dort seit einiger Zeit so interessante Spielfilme produziert werden?

Stapel: Wir haben eine liberale Landschaft und eine ebensolche Filmförderung, wo viel möglich und machbar ist. Bei uns sind die Filme leichter zu finanzieren als in der Bundesrepublik. Unsere Filmförderung lässt einen großen Freiraum sowohl für kommerzielle wie für kunstvolle Filme. Pro Jahr entstehen bei uns an die 20,25 Spielfilme, und das ist für ein Land mit nur 14 Millionen Einwohnern eine ganze Menge. Jeder kann den Film machen, den er machen will.

TIP: Aber woher kommen diese Talente wie Jos Stelling („Der Weichensteller“), Paul Verhoeven („Türkische Früchte“), Orlow Seunke („Der Besucher“) oder Marleen Gorris („Die Stille um Christiane M.“)?

Stapel: Sicherlich nicht von unserer Film-Akademie, die es seit 1958 gibt, sie ist nicht besonders qualitativ in ihrer Arbeit. Es gibt viele Kollegen, die kommen aus der Praxis. Haben bei Regisseuren wie Paul Verhoeven oder anderen großen Künstlern den Beruf von der Pike auf gelernt und haben dann mit eigenen Projekten angefangen.

TIP: Wie hat es bei und mit Ihnen angefangen?

Stapel: Ich hatte großen Erfolg auf der Bühne. Eines Tages war ein Freund von Dick Maas im Saal, der gerade die Hauptrolle in „Fahrstuhl des Grauens“ zu besetzen hatte. Der sah mich, so kam ich zu meiner ersten Hauptrolle im Film. Mittlerweile habe ich mit Maas schon drei Filme gemacht. Derzeit bin ich auch mit Orlow Seunke und Ben Verbong im Gespräch für neue Filme, die bekanntlich ganz andere und nicht nur kommerziell ausgerichtet sind. Also die Filmlandschaft in Holland ist zwar sehr klein, aber auch ganz unterschiedlich, in jeder Beziehung. Dabei gehen wir auch mit- und untereinander sehr kollegial und liberal um. Ich bin für jeden Regisseur und für ganz extrem verschiedene Themen und Personen interessant, brauche mich nicht so typenmäßig festlegen. Es ist bei uns sehr angenehm zu arbeiten.

TIP: Sie haben die Schauspielerei an der Akademie der Dramatischen Künste in Maastricht gelernt. Warum sind Sie Schauspieler geworden?

Stapel: Ich habe die Schule andauernd verpatzt. Habe dann angefangen zu arbeiten. War in der Fabrik und habe die Drecksarbeit gemacht, war Fensterputzer. Irgendwann hatte ich die Nase voll und habe mich an der Schauspielschule angemeldet. Aus 800 oder 900 Leuten wurde ich dann mit zehn anderen zugelassen.

TIP: Klingt nach dem „amerikanischen Traum“, vom Fensterputzer zum Star. Irgendwoher muss doch der Auslöser für das Talent und den Reiz zum Schauspieler gelegen haben?

Stapel: Im Elternhaus. Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater Handelsreisender. Meine Mutter hat immer Gedichte rezitiert, beim Spülen, beim Kochen, sie kannte weit über 100 auswendig. Mein Vater war sehr musikalisch, wir haben gemeinsam viel Musik zuhause gemacht. Ich spiele ja auch Gitarre, und mit meinen Brüdern und den Eltern haben wir „Beatles“, „Stones“ und auch Klassik gespielt.

Wie man dann zum Schauspielern kommt, weiß ich nicht. Wir haben in unserem Dorf weder ein Kino noch eine Bühne gehabt, und ich habe nie was auf der Theaterbühne gesehen, bevor ich an die Schauspielschule kam. Es war, es ist wohl reine Intuition gewesen.

TIP: Aber Sie kannten Film natürlich. Was oder wen haben Sie geliebt?

Stapel: Bunuel. „Los Olvidados“ zum Beispiel. Oder Fritz Lang. An „M“ kann ich mich sehr gut erinnern mit Peter Lorre; den Film habe ich schon sechsmal gesehen.

TIP: Und wie geht das nun, wenn ein Fensterputzer an die Schauspielschule kommt?

Stapel: Du wirst eine Woche mit noch 900 anderen unterrichtet, und nach dieser Woche sagen sie dir, du bist zugelassen oder du kannst gehen.

TIP: Ging damit ein Traum in Erfüllung?

Stapel: Nein, denn ich hatte ja keine Ahnung, womit ich es überhaupt zu tun bekomme. Ich habe mein Bestes getan, und dabei kam mir meine Einstellung meine Mentalität, meine Neigung zugute, immer etwas mehr als andere zu machen. Ich habe sehr hart gearbeitet, Tag und Nacht, und damit bin ich dann wahrscheinlich auch durchgekommen. Aber erst im letzten Jahr fing es an, mir auch Spaß zu machen. Davor habe ich überhaupt nicht gewusst, wieso ich das eigentlich mache, wozu das alles diente.

TIP: Wie kann man, wenn überhaupt, d e n holländischen Film definieren? Was ist seine typische Charaktereigenschaft?

Stapel: Ich glaube nicht, dass es eine holländische Welle gibt ähnlich wie es mal den Italienern oder Franzosen gelungen ist. Oder den Deutschen damals mit Fassbinder, Schlöndorff oder Herzog. Dafür sind unsere Themen viel zu unterschiedlich. Es gibt nur Individuen, die Filme machen. Und das ist vielleicht das Typische für das holländische Kino: die Individualität jedes einzelnen.

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