HELDEN DES POLARKREISES

Das ist schon ungewöhnlich, wenn „Bonus“ nicht am Ende der DVD „gereicht“ wird, sondern es „damit“ gleich eingangs losgeht. Wenn der Regisseur sozusagen als Vorwort zu Uns-Hin spricht. Um uns „zu warnen“. Vor seinem danach folgenden Film. Der „Männer“ ziemlich, sagen wir mal höflich, ziemlich „normal“, also weitgehend „uncool“ aussehen lässt, während „die Mädels“ bei weitem, sagen wir mal, „selbstbewusster“, also cleverer, also „impertinenter“, auftreten. So etwa, in dieser Vorwarnungsart: „Unser Film handelt von männlichem Schamgefühl und geringem Selbstwertgefühl. Kein sexy Thema. Warum geringes Selbstwertgefühl? Weil Finnland kein Selbstwertgefühl besitzt“. Ich darf trocken ergänzen: In der europäischen Suizid-Statistik ist Finnland alljährlich regelmäßig „Spitze“. Wir befinden uns also filmisch und thematisch diesmal im hohen Norden. Wo die Leute und ihre Geschichten, sagen wir mal, ziemlich „skurril“ „vorhanden“ sind. Also irgendwie „anders“. Uriger. Motto hier: wenn drei Loser „losen“. In:

„HELDEN DES POLARKREISES“ von Dome Karukoski (Finnland/Island/Schweden 2010; B: Pekko Pesonen; K: Pini Hellstedt; M: Lance Hogan; 95 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.01.2012; DVD-Veröffentlichung: 22.05.2012).

„Napapiirin Sankarit“, lautet der finnische Originaltitel, „Lapland Odyssey“ der englische. Dieses kleinen schönen Streifens, der in der verschneiten Einöde Lapplands angesiedelt ist. In einem Dorf, das man guten Gewissens als „Kaff“ abstempeln kann und in dem der „Baumel-Baum“ steht. An dem sich „seit Generationen“ desillusionierte, „melancholische“ Männer bevorzugt wie gerne aufhängen. Wie uns gleich aus dem Off ruhig mitgeteilt wird. Die nächste größere Stadt heißt Rovaniemi und ist 200 Kilometer entfernt. Wie also kann man sich hier gut und gerne zerstreuen? Natürlich, entweder mit Fern-Sehen oder mit viel Alkohol. Oder auch mit beidem. Deshalb ist es auch wichtig, nachdem das analoge Fernsehen gerade abgeschaltet wird, dass man sich baldigst einen digitalen Receiver besorgt, damit weiterhin gewährleistet ist, „Titanic“ im Heimkino anschauen zu können. Inari und Janne sind ein Paar. Noch. Denn SIE (PAMELA TOLA) ist derzeit stinkesauer. Ihr ebenso antriebs- wie arbeitsloser Freund hat es bislang nicht vermocht, solch eine „Digi-Box“ zu beschaffen. Obwohl sie ihm am Morgen „dafür“ noch einen 50 EURO-Schein auf den Nachttisch gelegt hat. Doch Janne (JUSSI VATANEN) hat es mal wieder vermasselt. Traf sich mit seinen Kumpels Kalle und Ralle in der Pinte, um „etwas Bier“ zu sich zu nehmen. Inari stellt ihm ein Ultimatum: entweder er besorgt umgehend diesen Receiver oder es ist aus. Also macht sich Janne, gemeinsam mit seinen beiden Freunden, auf den dann „ziemlich komplizierten“ und sicherlich mit „umständlich“ korrekt bezeichneten Weg, ein solches Ding irgendwie noch in dieser kalten, besser eisigen Freitag-Nacht aufzutreiben. Dabei müssen sie sich mit nicht vorhandenem Benzin ebenso befassen wie sie es dann mit dem schwedischen Unterwasser-Rugby-Weiber-Team, genannt „Die Killer-Lesben“, zu tun bekommen. Oder mit aggressiven Taxifahrern und „interessierten“ Polizisten. Die es dabei genau auf den Punkt bringen: „Was für ein Scheißwetter, immer nur Regen, Schneestürme, Nebel“. Und in solch einer Nacht düsen die Drei durch die Gegend, überschlagen sich folgelos mit dem Auto, um schließlich bei netten, aber schießwütigen reichen Russen zu landen, die soeben ein Rentier angefahren haben, das ihnen nun „Koch Janne“, gegen Bares, klar doch, schmackhaft vorsetzen soll. Natürlich folgt die Flucht mit einem Schneemobil, während ein Verfolger nackt hinter ihnen her flitzt und schießt. Was zur Folge hat, dass sie auf einem völlig zugefrorenen See festsitzen, während gerade „zufällig“ ein gigantischer Schneesturm ausbricht. Alles klar? Ach so ja, und immer noch keine Digi-Box in Sicht. Was zur Folge hat, dass Inani zuhause sich von einem (geilen) Ex ihr Hab und Gut in sein Auto (ein-)packen lässt. Der Countdown läuft. Übrigens – für jeden der Drei. Am Ende, soviel darf schon mal verraten werden, wird – endlich – auch dieser Baumel-Baum gekillt.

Natürlich „schreit“ es hier aus jeder Pore KAURISMÄKI. Aki Kaurismäki. Der bekannteste, populärste finnische Cineast (zuletzt, grandios „Le Havre“) stand hier offensichtlich bei diesem lakonischen, „unartigen“ Road Movie schelmisch Pate. Ohne dass der 34-jährige Regisseur Dome Karukoski nach einer Kopie schielt. Vielmehr blickt er bei seinem vierten Spielfilm „treuherzig“-verschmitzt auf eine Region, die mit der Bezeichnung „am Arsch der Welt“ gut beziffert ist. Blickt auf die kargen Möglichkeiten von „irgendwie Leben“ hier, was natürlich eine „bestimmte Mentalität“ hervorruft, die sicherlich anderswo (zum Beispiel bei uns) als (positiv) „exotisch“ oder (negativ) „beknackt“ gewertet wird. Gewertet werden kann. Kauzige, eigenwillige Slapstick-Motive wechseln sich mit verbalen „Heftigkeiten“ witzig ab. Nicht als hämisches Schenkelklopfen, sondern als originelle „Patzer“-Nummern. Marke: spätpubertierende „Buben“ emanzipieren sich. Mit noch einmal voller Jugend-Kanne. Über letzte erwachsene Kinder-„Abenteuer“. Danach winkt „die private Ruhe“. Vielleicht. Möglicherweise. Wahrscheinlich.

„Helden des Polarkreises“ setzt auf typische örtliche Nord-Lichter-Typen und schmeißt sie – bei ständigen minus 15 Grad – in eine schmissig-eisige komödiantische Rock ’n‘ Roll-Szenerie. Mit viel guter temperamentvoller Klangbegleitung (Musik: LANCE HAGEN/der untertitelte Musik-Clip im Bonusmaterial „danach“ ist hin-/mitreißend) und atmosphärischen, landschaftlichen Neon-Örtlichkeiten (Kamera: PINI HELLSTEDT). Sowie mit vielen robusten Schwarzhumor-Pointen. Von zum Beispiel einer „handgreiflichen Rezeptionsfrau“. Die in „ihrem Hotel“ für dominante Starkstromordnung sorgt. Und so fort.

Ein wunderbarer kleiner DVD-Unterhaltungsstreich. „Helden des Polarkreises“ zählt zu jenen feinen, überraschenden wie kostbaren filmischen „Sleepern“, die versteckt in der Videothek „lauern“, um von Liebhabern des köstlichen Kinos endlich entdeckt zu werden. Schaut auf diesen Film, es lohnt sich (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Pandastorm Pictures“.

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