DER GROSSE TRIP – WILD

DER GROSSE TRIP – WILD“ von Jean-Marc Vallée (USA 2013/2014; B: Nick Hornby, nach dem Buch „Wild“ von Cheryl Straid/2012; K: Yves Bélanger; M: Susan Jacobs; 119 Minuten; Start D: 15.01.2015); in den letzten Jahren hat sich still und leise und SEHR qualifiziert filmisch ein neues Sub-Genre gebildet: Das Selbstfindungstrip-Movie. Menschen, die in der Wirklichkeit des Lebens „Grenzerfahrungen“ gemacht haben, begeben sich auf ihren ganz eigenen Solo-Weg. Auf ihre spirituelle Sinn-Suche. Akzeptieren dabei schwierigste Konfrontationen. So gesehen haben Filme wie „Into The Wild“ von Sean Penn (2007) – (s. Kino-KRITIK), „Dein Weg“ von Emilio Estevez (2012/mit Martin Sheen) – (s. Kino-KRITIK)und neulich „Spuren“ von John Curran (2014/mit Mia Wasikowska) -(s. Kino-KRITIK)- beeindruckende „Mitteilungen“ hinterlassen.

CHERYL STRAYED. Geboren am 17. September 1968 in Spangler, Pennsylvania. Als ihre Mutter stirbt, kann sie den Verlust kaum ertragen. Bewältigen. Nach einer gescheiterten Ehe und dem Abgleiten in die zunehmende Selbstzerstörung, beschließt sie, ihrem „Jammer“ ein Ende zu setzen und sich auf ein scheinbar völlig abnormes Abenteuer einzulassen. Ohne jegliche Outdoor-Erfahrung, mit einem monströsen Rucksack auf dem Rücken und angetrieben von einem unbändigen Willen und Wollen, begibt sie sich alleine auf eine Wanderung über den PCT, auf den Pfaden des Pacific Crest Trail. Dabei handelt es sich um einen insgesamt 4.240 Kilometer langen Fernwanderweg im Westen der USA, der von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze führt. Er zieht sich durch rund 25 National Forests und sieben Nationalparks. Der Weg gehört zu den National Scenic Trails der USA. 94 Tage war Cheryl Strayed hier 1995 unterwegs, dabei legte sie etwa 2000 Kilometer zurück. 2012 veröffentlichte sie in den USA ihre Erlebnisse in dem Buch „Wild“, das zum Bestseller avancierte. 2013 erschien das Buch bei uns, Titel: „Der große Trip“.

Die (heute) 38jährige amerikanische Schauspielerin REESE WITHERSPOON wurde populär durch den zweifachen Blondinen-Witz „Natürlich blond“ (2001, 2003). Wirkte in Komödien wie „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“, Sweet Home Alabama“ oder „Woher weißt du, dass es Liebe ist“ mit. Und spielte 2005 in „Walk The Line“ (von James Mangold) als Johnny Cash-Ehefrau June Carter ihre bislang wichtigste Hollywood-Rolle und wurde mit einem „Oscar“ sowie mit dem „Golden Globe“ als „Beste Hauptdarstellerin“ belobigt. Seit 2002 führt Reese Witherspoon ihre eigene Produktionsfirma („Type A Films“), zuletzt entstand dort „Gone Girl – Das perfekte Opfer“. Hier tritt sie sowohl als Produzentin wie auch als Hauptakteurin in Erscheinung. Zeigt als Cheryl Straid die Strapazen einer gequälten Existenz, die endlich „zu sich“ gelangen möchte. Und deshalb auf eine wagemutige persönliche Entscheidung setzt.

Im Vergleich zu den vorherigen ambitionierten Sinn-Suche-Abenteuern ist „Der große Trip – Wild“ die Light-Version. Nett. Wie eigentlich überschaubar. Besser: vorhersehbar. Mit einer Art Erlösungs-Behauptung. Es findet alles SO statt wie das zu erwarten war. Dazu mit einem ständigen pathetischen Moral-Hauch ummantelt. Eigentlich ist diese Cheryl Strayed nicht besonders Film-interessant. Ihr beknacktes, selbstverschuldetes Leben zuvor, na ja. Ihre „Fehlleistungen“, die sie nun „wettmachen“, quasi ausradieren will, okay. Im Umfeld des atmosphärischen Quäl-Charmes von „The American Way Of Life“: Tue Lauf-Buße und dir wird vergeben. Von wem auch immer. Du kannst erreichen, als Nunmehr-Anständige in die Gemeinschaft, in die amerikanische Gesellschaft, wieder aufgenommen zu werden. Und eingemeindet. Kannst gerne einen „Befreiungsroman“ darüber schreiben. Kommst damit sicherlich in die Erfolgsspur. Dermaßen Gefühlssülze haucht laufend mit, ohne, Gott sei Dank, zu dick aufgetragen zu sein.

„Der große Trip – Wild“ bleibt an der spannenden Reizschwelle, weil die ungeschminkte REESE WITHERSPOON eine grandiose Performance abliefert. Als Spät-Girl mit Ambitionen kriegt sie das Interesse, welches das schwerlastige Puzzle-Gerüst „Film“ nicht zu erreichen vermag. Sie hechelt wie ein Rudel-Tier um Anerkennung, stinkt buchstäblich nach Angst und Eigen-Wut, bemüht sich teilweise abartig, den immensen (Rucksack-)Druck zu bewältigen. Um ihn dann immer mehr zu verringern. Nach der Radikalität des Ausstiegs und der Bewältigung der Tortur soll schließlich „der Lohn“ folgen. Ein ganz normaler Mensch sein zu dürfen. Nicht mehr so abgefuckt zu sein wie vorher. Reese Witherspoon als faszinierende Metapher-Woman. Es ist IHR Film; und IHR zuzusehen ist eine aufregende, nachhallende Herausforderung. Es riecht nach einer „Oscar“-Nominierung (= 3 PÖNIs).

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