INTO THE WILD

INTO THE WILD“ von Sean Penn (B +Co-Produktion + R; ; Drehbuch: John Krakauer/Reportagevorlage; USA 2007; K: Éric Gautier; M: Michael Brook; Kaki King; Eddie Vedder; 148 Minuten; Start D: 31.01.2008); zählt zweifellos zu den BESTEN FILMEN der letzten Zeit und zu einem der – wenigen – ÜBERRAGENDEN der laufenden Kino-Saison. Geschrieben und inszeniert wurde er vom 47jährigen Sean Penn. DEN kennen wir vor allem natürlich als SCHAUSPIELER, aus Filmen wie „Colors – Farben der Gewalt“ (1988/von Dennis Hopper), „Die Verdammten des Krieges“ (1989/Brian de Palma), „Carlito´s Weg“ (1993/Brian de Palma), „Dead Man Walking“ („Oscar“-Nominierung/1995/Tim Robbins), „U-Turn – Kein Weg zurück“ (1997/Oliver Stone), „Sweet and Lowdown“ („Oscar“-Nominierung/1999/Woody Allen), „Ich bin Sam“ („Oscar“-Nominierung/2001/Jessie Nelson) und natürlich „MYSTIC RIVER“ (2004/von Clint Eastwood), wofür er endlich die längst verdiente „Oscar“-Trophäe als „Bester Hauptdarsteller“ bekam.

Seit 1991 aber ist Sean Penn auch als REGISSEUR und Drehbuch-Autor aktiv. Nach seinem Debütfilm „Indian Runner“ entstanden „Crossing Guard – Es geschah auf offener Straße“ (1995), „Das Versprechen“ (2001/mit Jack Nicholson/Verfilmung des gleichnamigen Dürrenmatt-Romans/siehe auch Schwarz-Weiß-Klassiker „Es geschah am helllichten Tag“ von 1958 mit Heinz Rühmann) sowie eine Episode zum Episodenfilm „11´09´01 – September 11“ (2002/mit Ernest Borgnine).

Für seinen 4. Leinwand-Spielfilm adaptierte Penn das 1996 herausgekommene Recherche-Reportage-Buch „Into The Wild“ des Bergsteigers und Schriftstellers Jon Krakauer, das ein Jahr darauf bei uns unter dem Titel „IN DIE WILDNIS – Allein nach Alaska“ veröffentlicht und inzwischen weltweit zum Bestseller wurde. Darin wird von CHRISTOPHER JOHNSON McCANDLESS erzählt. Der wuchs in einem reichen Vorort von Washington, D.C. auf. War an der Schule ein Überflieger und auch im Sport ein As seines Jahrgangs. Unmittelbar nachdem er im Sommer 1990 von der „Emory University“ MIT AUSZEICHNUNG abgegangen war, verschwand er. Nahm einen anderen Namen an – ALEXANDER SUPERTRAMP, in Anlehnung an die 1908 veröffentlichte Erzählung „Supertramp – Autobiographie eines Vagabunden“ des walisischen Dichters und Schriftstellers William Henry Davies (1871-1940)/die Musikgruppe „Supertramp“ hat sich im übrigen auch nach ihr benannt – und spendete seine gesamten Ersparnisse von 24.000 Dollar der Wohlfahrt. Ließ seinen Wagen und den größten Teil seiner Habe zurück und verbrannte auch noch sein gesamtes Bargeld. Machte sich danach daran, SEIN LEBEN FÜR SICH NEU ZU ERFINDEN/ZU DEFINIEREN. KONSEQUENT. ABSOLUT konsequent.

Er mischte sich unter Randexistenzen der Gesellschaft, wanderte quer durch Nordamerika, mit dem Ziel ALASKA, seinen Idealen und hohen Moralvorstellungen folgend, immer auf der Suche nach UNGEFILTERTEN ERFAHRUNGEN. Seine Familie hatte keine Ahnung, wo er war und wie er lebte. Zu seinen Eltern allerdings hatte er, wegen ihrer ständigen Zerstrittenheit/Reibereien, ein eher „schwieriges Verhältnis“, während ihn zu seiner Schwester Carine eine innige Beziehung verband; aber auch bei ihr meldete er sich nicht. Chris McCandless starb Mitte August 1992 in der Einsamkeit der Wildnis von Alaska. Ein Elchjäger entdeckte die Leiche des 24jährigen. Der verhungert war. Ein Tagebuch, das man bei ihm fand, enthüllte in knappen Notizen Details seiner langen Wanderung und der letzten 113 Tage in der unbewohnten Wildnis.

Der Film folgt akribisch den Spuren dieses kompromisslosen, intensiven kurzen Lebens. Erzählt von einem jungen Mann, der – ohne „Botschaft“ – die unstillbare Lust hatte, über sein Leben selbst zu befinden. Der mit der taktierenden, berechnenden „Kompromissgesellschaft“ und den allgemeinen Konsumwerten, der mit SÄMTLICHEN Konsumeinrichtungen/den „Verlockungen“/“Bequemlichkeiten“ der Gesellschaft nichts anfangen konnte/wollte, der sich für Besitztümer bzw. Errungenschaften der Komfort-Zivilisation nicht interessierte. Der ein VÖLLIG LOSGELÖSTES DASEIN führen will/wollte, ein NUR-SELBSTBESTIMMTES/EIGENSTÄNDIGES Leben für sich akzeptierte. Dabei aber kein „Irrer“/Phantast/Spinner war, sondern ein von der Sehnsucht nach dem Erkunden SEINES WAHREN ICHS denkender, handelnder Mensch auf der Suche nach der ULTIMATIVEN FREIHEIT. Hört sich heutzutage bekloppt an, ich weiß, von wegen „wieder so ein blöder Aussteiger“, wird aber vom Film von Anfang an absolut sensibel, verständlich, poren- wie seelentief-verständlich erklärt/erzählt/gespielt/gezeigt.

Es ist ein AUFREGEND-ANREGENDER Film. Weil er die in JEDEM von uns versteckten/begrabenen Gedanken/Ideale/Spuren von – wie sag ich´s – Besser-Leben/Glücklicher-Leben/Sinnvoller-Leben/“Bedeutender“-Leben…- anspricht, ohne dass es sich dabei verklärt, dass man sich schämen müsste. EINEN SOLCHEN SPANNENDEN, AUFRICHTIGEN, WAHRHAFTIGEN, NAHEGEHENDEN Spielfilm „mit Gedanken“ gab es schon lange nicht mehr. Dabei, nochmal: Ohne irgendeine Botschaft, weder eine politische noch eine gesellschaftskritische noch eine religiöse. Gott sei Dank bemühen sich Buch UND Film keine (schlichten/spekulativen) Antworten zu finden, sondern stellen die Reise durch Kalifornien, die Wüste Arizonas, über die Stromschnellen des Grand Canyons oder durch Mexiko einzig als DIE persönliche, private REISE des Chris McCandless dar. Der sie gerne wie freiwillig machte/in Angriff nahm. Und während der er zahlreichen Menschen wie einem Hippie-Paar (Catherine Keener/Brian Dierker), einem sympathischen Chaoten-Farmer (Vince Vaughn), einer jungen Sängerin, die sich in ihn verliebt (Kristen Stewart), oder einen alten Witwer (grandios: HAL HOLBROOK) begegnete, die seine offene, lügenfreie, aber stets konsequente Einfach-So- Art und „aktive Lebens-Philosophie“ beeindruckt wie verstört. Doch eine „Verbrüderung“ im Geiste wie tatsächlich ist nicht möglich ist/findet nicht statt. Weil Chris sich DADURCH viel zu sehr EINGEENGT fühlt und dies deshalb freundlich, aber bestimmt ablehnt. Er will nur ER sein.

Dass dieser Film, dieser Lebens-ABENTEUERFILM, so AUSSERORDENTLICH ´rüberkommt, ohne Verklärung, Angeberei oder Banalität, ist dem Hauptakteur, dem bislang kaum bekannten 22jährigen Schauspieler EMILE HIRSCH zu verdanken. WIE er in diese Außenseiter-Aussteiger-Figur schlüpft, wie er DIESE plausibel, unaufdringlich, wahrhaftig und charismatisch-spannend ausfüllt/präsentiert, ist absolut überzeugend/glaubwürdig und SEHR berührend.

Der zunächst in TV-Serien mitmischende Kalifornier („Emergency Room – Die Notaufnahme“) hatte dann „unauffällige“ Auftritte in Filmen wie „Lost Heaven“ (2002) und „The Girl Next Door“ (2004) und betritt hier bereits den Darsteller-OLYMP. Denn seine große darstellerische Kraft und Leistung ist es, quasi IM ALLEINGANG den Zuschauer packend-anzusprechen und zu fesseln. Emile Hirsch kommt als SEELENVERWANDTER von Chris McCandless ´rüber, eine grandiose Typen- wie Menschen-Darstellung. Dazu taucht Sean Penn seinen Film in warme Landschafts-Farben und atmosphärische Natur-Bilder. Doch sein Blick wirkt nie verklärend oder simpel-romantisch, sondern ist von großer Seelen-Sympathie geprägt: Für keinen einfältigen Rebellen, sondern für einen „normalen“ Jungen, der sich den allgemeinen Normen verweigert und sich aufmacht, ANDERS seinen inneren Frieden, SEIN Lebens-GLÜCK zu finden.

Die klugen, spannenden, hochemotionalen 148 Film-Minuten vergehen wie im Fluge; herausragend-einzigartig-wunderbar (= 5 PÖNIs).

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