GROßE FREIHEIT

PÖNIs: (4/5)

„GROßE FREIHEIT“ von Sebastian Meise (Co-B + R; Ö/D 2020; Co-B: Thomas Reider; K: Crystel Fournier; M: Peter Brötzmann; Nils Petter Molvaer; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.11.2021);

VERBRECHEN LIEBE. Titel = „GROSSE FREIHEIT“. Von SEBASTIAN MEISE (Co-B + R; Co-B: Thomas Reider); Ö/D 2020); 117 Minuten. Die Eltern waren empört. Auf dem Savignyplatz, unserem Berliner Wohnort, stand ein unscheinbares Toilettenhaus. Dort gehen – „wie wir beobachten“ – „überwiegend Männer rein“, und es dauert eine Weile, „bis sie wieder herauskommen“. Das sind doch „bestimmt Schwule“. Die, wie wir wissen, kriminell und gemäß §175 Strafgesetzbuch strafrechtlich zu verfolgen und zu verurteilen sind. „Die müssen eingebuchtet werden“. Schließlich sind wir ein anständiges Land. Jetzt, „nach Hitler“. Die öffentliche Meinung war mit diesem Paragraphen, der seit 1872 bestand, zufrieden. Und blickte auf die entsprechenden Prozesse. Die BRD fand bis 1969 Gefallen an diesem „Recht und Gesetz“, dann folgte eine erste und 1973 eine zweite Gesetzesreform. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde die Abschaffung des Gesetzes verordnet. 2017 schließlich beschloss die Bundesregierung, den Opfern des Paragraphen 175 eine Entschädigung zukommen zu lassen.

Was bedeutet es, frei zu sein? Für Hans Hoffmann (FRANZ ROGOWSKI) bedeutet dies, seine Liebe zu Männern nicht zu verheimlichen, wie es in der Republik „damals“ gang und gebe ist. Deshalb wird er auch wie menschlicher Abschaum behandelt. Als ihn die Soldaten der Allliierten nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus aus dem Konzentrationslager befreiten, läuft seine Leidenszeit weiter. Hans wird in den Regelvollzug überstellt, um seine Reststrafe gemäß §175 abzusitzen. Im Gefängnis begegnet er dem verurteilten Mörder Viktor (GEORG FRIEDRICH). Der mit einem „175-er“ nichts zu tun haben will. Doch ihre Wege, sprich Begegnungen im Gefängnis, führen sie des Öfteren zusammen. Und der rebellische, stoische Stolz und Widerstand von Hans Hoffmann, der sich auf dem Gefängnishof und gegen die Willkür der Wärter zu behaupten weiß, nötigt ihm Respekt ab. Wieder und wieder landet Hans, der Wiederholungstäter, im Gefängnis. Und trifft auf Viktor, den Lebenslänglichen. Man lernt sich kennen. Mit einem zweigeteilten Schicksal. Hans, der sich immer mal wieder „Draußen“ befindet und dann der immer wieder Verurteilter ist, und der „Festsitzende“ Viktor, der drogenabhängig wird. Wieder und wieder begegnen sich die beiden so ungleichen Männer über die Jahrzehnte. Werden zu einer Schicksalsgemeinschaft, verbunden durch eine unstillbare Sehnsucht nach Leben in Freiheit.

Diese österreichisch-deutsche Co-Produktion lief am 8. Juli 2021 bei den 74. Filmfestspielen in Cannes in der Sektion Un Certain Regard und wurde dort mit dem Jury-Preis ausgezeichnet. Herausragend in den Hauptrollen die emotional überwältigend beeindruckenden FRANZ ROGOWSKI (war 2018 „European Shooting Star“ und gewann den ‚Deutschen Filmpreis‘ LOLA als „Bester Hauptdarsteller mit „In den Gängen“)  und das Power-Paket GEORG FRIEDRICH (2017 „Silberner Berlinale Bär“ als „Bester Schauspieler“ in „Helle Nächte“), deren körperstarke HERZliche Empfindungen große Emotionskunst bedeuten. „Große Freiheit“ ist ein großartig-erschütternder Film mit sehr viel empathischer und politischer (Wut-)Wirkung (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: