GIULIAS VERSCHWINDEN

GIULIAS VERSCHWINDEN“ von Christoph Schaub (Schweiz 2009; B: Martin Suter; 87 Minuten; Start D: 04.02.2010); der 51jährige Schweizer Produzent und Regisseur ist bei uns wenig bekannt. Sein Episodenfilm „Happy New Year“ von 2008 wurde beim vorjährigen Internationalen Filmfest in Moskau präsentiert, erhielt 4 Nominierungen für den „Schweizer Filmpreis“, wurde aber hierzulande nie aufgeführt. Für seinen neuesten Film, der mit mehr als 160.000 Besuchern im Vorjahr der erfolgreichste Schweizer Jahreskinofilm war, konnte der 61jährige Schweizer Erfolgsautor MARTIN SUTER („Small World“1997/“Lila, lila“/2004, neulich als enttäuschende wie erfolglose deutsche Produktion kurz im Kino; „Der letzte Weynfeldt“/2008) als Drehbuch-Autor gewonnen werden.

Brandaktuelles Gesellschaftsthema: Das Älter-Werden. Menschen, die „in die Jahre“ kommen/gekommen sind. Frauen wie Männer. Dabei im ersten Blickpunkt: Die gerade 50 Jahre „jung“-alt gewordene Giulia. Auf dem Weg zu ihrer Geburtstagsfeier, mit Freunden beim „Italiener“, hält sie „inne“. Fährt „weiter“. Mit dem Bus. Kuckt sich um, schaut, registriert, bilanziert, befindet sich in „traumatischer“ Melancholie-Stimmung. Von wg. „Nun-50“. Eine Laune, die sie gar nicht mag, verstehen, begreifen will. Meine Güte, 50, ich bin doch noch „toll“, sehe „einigermaßen“ aus. ODER? Währenddessen erleben wir „ihre Freunde“ in der Lokalität. Wie DIE sich anfurzen. Wie DIE sich aufplustern. Wie DIE dauersticheln. Sich lächerlich benehmen. Dummbazig daherreden. Wie DIE sich angiften (ich wäre dort nicht sitzengeblieben, sondern abgehauen; die wären mir allesamt zu unangenehm, zu „tückisch“).

„Giulias Verschwinden“ zerfällt in zwei Teile, die leider sehr unterschiedlich im Niveau ausfallen. Da ist diese Clique aus selbstgefälligen, sich selbst überschätzenden, sich andauernd verletzenden Freundes-Herrschaften. Deren „Botschaft“ immer nur dieselbe ist: ICH BIN DOCH NICHT ALT! Ich bin doch noch „toll“. Wieso, weshalb, warum wird vehement erklärt, langwierig ausgetragen, vollmundig ausgepustet. Und natürlich benehmen SIE sich dabei zumeist alibi-lächerlich, blöd, unangenehm, einfach doof. Hörspiel-Charme verbreitet sich. Mit verbalem Gemetzel. Auftritt hier, Ansage dort, Gegenantwort dort; die Typen sind klar und deutlich fixiert und „ändern“ sich auch nicht (mehr); nach einigen Minuten hat man´s kapiert, überschaut, zur Kenntnis genommen. Man diskutiert über Bauch + Falten, Sportschuhe, Vergeßlichkeit, das Altern, klar, undsoweiter undsoweiter. Das ganze Dauer-Palaver-Programm. Mit vielen Sticheleien. Daneben mischt noch eine freundliche ältere Dame mit, die zum 80. Geburtstag ihrer Freundin ins Altersheim fährt, wo sich gerade die Jubiläums-Mama und ihre spießige Tochter ein ruppiges Duell liefern. Eindeutige Punktsiegerin dabei: Die nicht nur gedanklich rüstige Oma. Und dann wuseln noch zwei Teenie-Girlies herum und klauen im Kaufhaus Sportschuhe. Alle treffen schließlich im besagten italienischen Restaurant zusammen. Auch Giulia. Aber: DIE hat inzwischen einen außerordentlich interessanten älteren Herrn kennnengelernt. Und mit DEM die ganze Zeit, angeregt wie trinkfreudig wie gemütlich plaudernd, an einer Hotel-Bar verbracht.

Diese ihre Begegnung ist filmischer Highlight. Denn WIE hier die bezaubernde, wunderschöne, energische wie „konfuse“ CORINNA HARFOUCH („Whiskey mit Wodka“) und der unwiderstehliche, amüsante, liebenswerte BRUNO GANZ („Vitus“) als unwiderstehlicher Charme-Bolzen und „George Clooney im Alter“ loslegen, flirten, „duften“, argumentieren, ist Beziehungstalk vom Feinsten. Leider viel zu kurz, denn immer müssen wir uns mit diesen „anderen Frust-Hanseln“ in der Gastronomie befassen, obwohl man viel lieber und noch viel mehr bei Corinna & Bruno wäre. MEHR von DENEN „hätte“. Die Ensemble-Akteure (wie Stefan Kurt, André Jung, Teresa Harder, Sunnyi Melles…) geben sich allesamt gute (Körper-)Sprachmühe, können aber eine schnelle Reizlosigkeit, Farblosigkeit, Gleichgültigkeit nicht überpinseln. Zu wenig „Fleisch“ geben die schrillen, überdrehten Klischee-Aha-Figuren mit ihren bekannten, „erwarteten“ Meinungen her. Einzig wenn die Titelheldin und ihr „Altersprinz“ auftreten, wird es herrlich pointiert, amüsant-leicht, wunderschön-intim. Ansonsten: Quassel-Kino, das beim vorjährigen „Locarno-Festival“ den Publikumspreis gewann und neulich in Saarbrücken Eröffnungsfilm beim „Max- Ophüls-Festival“ war. Mmmmh (= 2 ½ PÖNIs).

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