DAS FESTMAHL IM AUGUST

DAS FESTMAHL IM AUGUST“ von und mit Gianni Di Gregorio (B+R; It 2007/75 Minuten; Start D: 30.04.2009); der 59jährige wurde auch bei uns als Drehbuch-Autor für das vielfach prämierte Meisterwerk „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ bekannt (2008 in Cannes „Großer Preis der Jury“; 5 Europäische Filmpreise, darunter als „Bester Film“ und für das „Beste Drehbuch“).

Die Idee für seinen neuen Film „Pranzo di Ferragosto“ bekam er durch eine wahre Begebenheit: Sein Vermieter wollte seine Mutter mal für ein paar Tage loswerden und „erpreßte“ Di Gregorio ein bißchen. So spielt er sich hier quasi selber. Doch der Reihe nach: Der „Ferragosto“, der 15. August, hierzulande „Mariä Himmelfahrt“ (und bayerischer Feiertag), ist in Italien ein wichtiger kirchlicher wie familiärer Feiertag. In den heißen Großstädten ist es, bis auf die Touristen, weitgehend ruhig, weil diejenigen, die nicht schon im Sommerurlaub sind, den Ferragosto gerne für Ausflüge aufs Land nutzen. Gianni, der in der Altstadt Roms wohnt, ist im sonnig-trägen Rom zurückgeblieben. Einerseits ist er wohl ziemlich klamm, andererseits kümmert sich der fast 60jährige Zuhause um seine betagte Mutter. Dies ist zu seiner einzigen Lebensaufgabe geworden. Die anspruchsvolle alte Dame wohnt bei ihm, und sie will er nicht mehr alleine lassen. Obwohl sie ihm das (Zusammen-)Leben nicht immer „einfach“ gestaltet. Also schlendert er über die Märkte, trinkt ein Gläschen, trifft einen Freund, raucht eine Zigarette, trinkt noch ein Gläschen. Kauft ein, läßt anschreiben. Wieder zurück meldet sich der Hausverwalter. Macht ihm ein „ungehöriges Angebot“: Er möchte doch für einen Tag und eine Nacht auch seine Mutter aufnehmen, gegen Verringerung der beträchtlichen Mietschulden, versteht sich. Und ehe sich Gianni versieht, ist er mit gleich vier alten Damen in seiner Wohnung „bedacht“; die Tante des Verwalters kommt ebenso noch dazu wie die Mutter seines Hausarztes, weil der plötzlich eine Schicht im Krankenhaus übernehmen muß. So sieht er sich mittenmal einem Quartett alter Damen gegenüber, die durchaus eigenwillig sind und sich alles andere als pflegeleicht erweisen.

Was daraus entsteht, ist eine der schönsten Filme, die jemals „aus dem Handgelenk heraus“ entstanden. Unter der souveränen Leitung des Regie-Debütanten und Hauptdarstellers Di Gregorio entstand eine Hymne auf das Alter. Ohne Verklärung, Maskeraden, Faxen. Einfach einfach, mit viel Zärtlichkeit, Gelassenheit, Charme. In der genauen Beobachtung/Beschreibung zwischenmenschlicher Reibungen kommt das Heitere und Skurrile mit melancholischem Charme zur Vollgeltung. Dabei ist der Blick auf das Leben von Menschen am Ende ihres Lebens so überzeugend- „normal“, weil sowohl Einsamkeit als auch körperliche Gebrechen und die schmerzhaften Erinnerungen eine ungeschönte, aber nie aufgeregte oder übertonte Rolle spielen. „Dabei legen auch wir Wert auf Kontakte, auf Freundschaften“, heißt es an einer Stelle des Films einmal.

Zugleich ist „Das Festmahl im August“ natürlich auch eine amüsante Spitzfindigkeit über die italienische Küche. Über ihre Eigenheiten, ihre Zusammensetzungen und Zutaten, über Geschmack und Geschmäcker. Mit Ereignis-Charakter: Das gemeinsame Essen als sinnlich-kulinarisch-sozialer Groß-Spaß, als ein wunderbarer Ausdruck von Gemeinsamkeit. Als wahre, berührende Lebensfreude-pur und definitiv kein Privileg für nur eine bestimmte Alters- oder Geld-Schicht. Mit liebevoller Beobachtung, herzerwärmender Menschlichkeit und einer kulinarisches Lust am Gefühlskino befindet sich „Das Festmahl im August“ auf einer unterhaltsamen Niveau-Wellenlänge mit Filmen wie „Babettes Fest“ und „Brot und Tulpen“. Die vier alten Damen sind dabei allesamt Laien-Schauspielerinnen, die in Altenheimen in Rom und Umgebung entdeckt wurden. Sie spielen sich selbst, improvisieren, ohne jede Künstlichkeit, Albernheit, Verrenktheit. Sie sind hinreißend, würdevoll, wunderbar gelassen-authentisch. Eine Perle von zauberhaftem, humanem Sommerkino (= 4 PÖNIs).

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