EVERYBODY WANTS SOME!!

PÖNIs: (4/5)

Er war mein persönlicher „Bester Spielfilm“ des Kino-Jahres 2014: „Boyhood“ von Richard Linklater (s. Kino-KRITIK). Die Beobachtung an einem Jungen über eine Lebensstrecke von 12 Jahren; von 2003 bis 2013.

Der neueste Film des meisterlichen Independent-Filmemachers schließt an eines seiner ersten (Kult-)Werke an: „Dazed and Confused“ von 1993, wo es darum ging, eine Highschool-Clique aus den späten 1970er Jahren an ihrem letzten Schul-Tag zu begleiten. Bevor es aufs College geht. Schon damals war die Handlung quasi Nebensache, vielmehr interessierte sich Linklater für die zeitgenössischen Accessoires wie „richtige“ Klamotten, zutreffende Musik, einstige Umgangssprache und authentische Gesten. Gemixt mit viel Geschlechter-Balzerei. Form war wichtiger als Inhalt.

Im Oktober 2014, zur Drehzeit, stellte Richard Linklater für seinen neuen Film die Zeit wieder zurück. Diesmal in den amerikanischen Herbst 1980. Vor Aids, vor Ronald Reagan und nach dem Vietnam-Krieg, und wieder mit viel Autobiographie-Geschmack: „Ich stamme aus einer Zeit, als es keine Einberufungsbefehle gab. Und wir dachten: All diese Fehler machen wir nie wieder! Es gab so viel Neues damals wie beispielsweise die Musik: Rap und Punk entwickelten sich.“ (Richard Linklater, Jahrgang 1960, geboren in Houston/Texas; aus einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 02.06.2016).

„EVERYBODY WANTS SOME!!“ von Richard Linklater (B; Co-Produzent + R; USA 2014; K: Shane F. Kelly; M: Christine Bergren, Meghan Currier, Ian Herbert, Randall Poster; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.06.2016; Heimkino-Veröffentlichung: 03.11.2016).

Der Titel bezieht sich auf den gleichnamigen Song der Hard-Rock-Band Van Halen aus dem Jahr 1980, der von lebenshungrigem wie erotischem Größenwahn handelt. Die zwei Ausrufungszeichen am Ende des Filmtitels sind von Richard Linklater beabsichtigt – sozusagen als ironischer Zusatzhinweis auf die „immense Energie“ seines Films.

Der am Donnerstag, den 28. August 1980 um 16:06 Uhr Ortszeit startet. Mit dem Zusatz: Semesterbeginn in 3 Tagen und 15 Stunden. In diesem Moment trifft College-Neuling Jake Bradford (BLAKE JENNEN) an der Southeast Texas State University ein, wo er im Studentenheim wohnen wird, das extra für die Baseball-Mannschaft reserviert ist. Denn die, die hier wohnen, haben ihren Aufenthalt-hier vorwiegend ihrem überdurchschnittlichen sportlichen Talent zu verdanken. Allerdings ist Sport zunächst Nebensache. Es gilt, in einer Gruppe von Gleichgesinnten das letzte freie Wochenende vor Studienbeginn „abzuleisten“. Sozusagen in den letzten Stunden vor dem Erwachsenen-Beginn noch einmal die gesamte pubertäre Jugend-Sau herauszulassen. Sämtliche Regeln (wie Alkohol, Sex und Koks betreffend) ausgiebig zu missachten, um in der Clique die Alpha- bzw. Hahnen-Kämpfe auszutragen. Über jeden noch so abartigen Blödsinn kiffend, saufend, zotend herzuziehen, bevor demnächst Kontrolle und Disziplin Lebenseinzug halten werden.

Die authentischen 80er aus der Jugendfieber-Sicht eines Richard Linklater: „Wie die meisten meiner Filme basiert auch der-hier auf Dingen, die ich selbst erlebt habe“. Mit taffem Bartwuchs, eigenwilligem Langhaar-Trend, VHS-Video-Kassetten, Musik von Langspielplatten oder aus dem Transistor, überhaupt – die zeitgenössischen coolen Klänge wie eingangs „My Sharona“ von The Knack über Blondie („Heart of Glass“), eben Van Halen sowie Disco-„Travolta“-Songs, Country-Naschereien bis zu „Rapper‘s Delight“ der Sugarhill Gang – bestimmen den Boys-Sound. Der für Testosteron-Schübe ebenso sorgt wie für erste Nähe zwischen Jake & Beverly (ZOEY DEUTCH).

Man ist lässig, verdrängt Ängste, lässt sich voll gehen, ist mit Sprüchen und „Philosophien“ großspurig an der Rampe, gibt sich wild auf der emotionalen Überholspur. Wohl ahnend: Der Countdown läuft; der Hörsaal winkt. Noch aber, ohne jedwede Verpflichtungen, wird die nichtreglementierte Lust aufs Leben genüsslich abgelassen.

Richard Linklater beschreibt dies nicht überkandidelt, hysterisch oder stark-wehmütig, sondern mit amüsantem Temperament, völlig Ideologie-frei, als Grenzerfahrung: das vergnüglich-melancholische Ende einer entspannten Sorglosigkeit. Es dauert etwas, bis man hier ‘reinfindet, auch, weil sämtliche Darsteller unbekannt sind, dann aber – nach dem Eintauchen – werden „erschütternde Parallelen“ ausgemacht: In „Everybody Wants Some!!“ steckt viel herrlich Bekanntes. Merke, dort wie hier. Damals war‘s. Manchmal richtig scheiße-gut.

Ach du liebe tolle Verbal-Güte! Beziehungsweise: Die Rüpel-Nostalgie rockt zünftig!

„EVERYBODY WANTS SOME!!“ oder: Was für ein wunderbarer Erinnerungs- und prächtiger Achtziger-Blick-Hit!

Anbieter: „Constantin Film“

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