EXAM

Wer sucht, der findet – diese mitreißenden guten internationalen Independent-Produktionen, um die sich das heutige Arthouse-Kino kaum noch kümmert. Sie gibt es jetzt vermehrt gleich direkt fürs deutsche Heimkino. So wie diese neue Entdeckung:

EXAM“ von Stuart Hazeldine (Co-B, Co-Prod.+R; GB 2009; 101 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 15.9.2011).

Irgendwo. Jetzt bald. In einem großen Gebäude. In einem überschaubaren Raum. 8 Personen. 4 Frauen, 4 Männer. Im „besten Alter“. Sprich – offensichtlich auspubertiert. Dynamisch. Gewillt. Anpackend. Lauernd. „Interessiert“. REIF. Sie sind 8 Kandidaten. Ihr Ziel gibt der sonore Firmen-Moderator vor: „Sie sind hier, um Mitglied unseres hochangesehenen Unternehmens zu werden“. Dabei handelt es sich um einen mächtigen Pharma-Konzern, der EINEN lukrativen Job, EINEN extrem hochdotierten Arbeitsvertrag, vergeben will. Dafür wurden viele Bewerber getestet. 8 von ihnen sind übriggeblieben. Und treffen sich jetzt in diesem Raum. Zum letzten, zum allerletzten Test. Mit drei strengen Regeln: „Sprechen Sie mich oder den Wachposten an, werden Sie disqualifiziert! Beschädigen Sie Ihr Papier, werden Sie disqualifiziert! Verlassen Sie den Raum, egal aus welchen Gründen, werden Sie disqualifiziert!“. „Vor Ihnen liegt ein Prüfungsbogen. Mit einer einzigen Frage, auf die es nur EINE RICHTIGE ANTWORT gibt. Zur Beantwortung der Frage, haben Sie 80 Minuten Zeit. Noch Fragen? Die Zeit läuft. Ab jetzt!“

Die Herrschaften drehen den Prüfbogen um und sehen – nichts. Alles weiß. Von einer Frage nichts zu sehen. WAS ist hier los? WO befindet sich diese verdammeledeite Frage? WIE soll man eine Antwort finden, wenn es gar keine Frage gibt? ODER existiert diese doch und man sieht sie nur nicht? Richtig? Im ersten Augenblick? GIBT es einen Trick? Falls ja, wie wo was? Und warum? Und dann fällt IHNEN etwas auf: Jeder von IHNEN stammt aus einer unterschiedlichen Kultur und ethnischer Herkunft. Mit einer gesunden Mischung an Fähigkeiten und Sachkenntnissen. SIE befinden sich also nicht zufällig hier. ES scheint „irgendwie inszeniert“ zu sein. Dass SIE sich jetzt hier zusammen befinden. Als Teilnehmer in einem abgekarteten, geplanten Spiel. Aber mit welchen dann „tatsächlichen Regeln“? Und wieso befindet sich unter ihnen ein Franzose, der überhaupt nicht Englisch spricht? Und nicht „kommunizieren“ kann? Sich aber so „merkwürdig“ verhält?

„Wir sind nur Spielfiguren“, bemerkt „der Inder“: „Der Sinn, Macht zu haben besteht darin, sie in jeglicher Form auch auszuüben“. „Der Ami“ fühlt sich stark. „Mr. White“. Für den Job „in einem der umsatzstärksten Unternehmen“. Das gerade dabei ist, der weltweiten Pandemie die medizinische Stirn zu bieten. Denn die allgemeine Sterblichkeitsrate ist gegenwärtig sehr groß. Das neue Medikament setzt diese 90% runter. Heißt es. Ist man Mitarbeiter, ist man auch automatisch geschützt. Es geht also – buchstäblich, wahrhaftig – für alle hier ums Überleben. Also legt „Mr. White“ provozierend los: „Verpisste Philosophen. Von wegen Sartre. Gott sei Dank gehört die Welt den Machern und nicht den Denkern“. Fängt an, stänkernd „zu suchen“. Poltert los. Auch „räumlich“. Wo befindet sich der Schalter hier, der zur Klärung führt? „Die Asiatin“ steigt als Erste aus. Keine Nerven. Bleiben 7. Und nachdem zwei weitere „Unzuverlässige“ aufgeben, sind sie nur noch zu 5. Was Raum gibt für latente und dann „praktische“ Aggressivität. Jeder gegen jeden. Jeder „probiert“ es. Auf seine (Gewalt-)Weise. Mal ist DIE anführend, mal DER. Die Machtpositionen verändern sich ständig. Sind fließend. Wie die Zeit. Die unaufhaltsam abläuft.

„EXAM“, also „Prüfung“, oder: Der Psycho-Krieg. Wie weit geht „Mensch“, um Andere „herunterzustufen“. Auszutricksen. Zu besiegen? Vielleicht sogar auszulöschen? Für den persönlichen Vorteil. Wenn es eben nur EINEN „Gewinner“ geben kann. Darf. Wird. „EXAM“ sieht sich bisweilen an wie „SAW“ auf intellektuell. Demütigend. Entlarvend. Hochgefährlich. Für jeden Teilnehmer. Ein enger Raum, in dem nun nach und nach kein Platz mehr zu sein scheint für „vernünftigen Umgang“. Für einen argumentativen Austausch und moralisches Fair-Play: Für Solidarität. Humanität. Toleranz. Gewissen. Das Miteinander. Stattdessen lässt JEDER egoistisch „seine Maske“ fallen. Für DEN Erfolg. Mit brutalen „Ergebnissen“.
Und: Da ist immer noch die unbekannte Frage und vor allem die gewünschte „Examens“-Antwort? „Der Konzern“ will den „Besten“ von IHNEN. Den Zähesten. Den Fähigsten. Den Überlebensfähigsten. Auf „Abfall“ kann er gut und gerne verzichten. Sind eben „harte Zeiten“.

„EXAM“ ist ein wahnsinnig guter Denk-Thriller. Der Debütfilm des 38jährigen britischen Drehbuch-Autoren, Filmproduzenten und Regisseurs lebt von der knisternden Psycho-Spannung. Von der latenten klaustrophobischen Atmosphäre, die von Kameramann TIM WOOSTER souverän „gespenstisch“ ausgeatmet und von der „feinen“ „Endphasen“-Musik von STEPHEN BARTON begleitet wird. Ein cleverer Psycho-Thriller, leider ohne wünschenswertes Bonusmaterial. Denn von den Machern hätte man gerne etwas vernommen. Sie kennengelernt. Wie ihre Motive: Von wegen wie was und überhaupt. Nichtsdestotrotz – was für ein faszinierender Spannungsding-HAMMER. Ein Genre-Stück mit Qualitätsgarantie, denn es wurde auch von GARETH UNWIN mit-produziert, einem der Produzenten und „Oscar“-Gewinner für „The King’s Speech“ in diesem Jahr. Hier waren also vor wie hinter der sparsamen Kulisse Könner wie Ensemble-Profis am spannenden Werk! TOLL! (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „EuroVideo“

 

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