EINE REINE FORMALITÄT

Das HEIM-KINO bietet immer wieder Möglichkeiten, unbekannte ältere Werke von inzwischen bedeutenden Filmemachern auszugraben und anzubieten. Zwei solcher Beispiele stehen heute auf dem Empfehlungsprogramm:

EINE REINE FORMALITÄT“ von Giuseppe Tornatore (B + R + Schnitt; It/Fr 1993; K: Blasco Juror; M: Andrea Morricone, Ennio Morricone; 111 Minuten; deutsche  Premiere am 21.04.1998 im ZDF; Heimkino-Veröffentlichung: 12.05.2016).

Natürlich „Cinema Paradiso“ (s. Kino-KRITIK): Mit seinem zweiten Spielfilm schuf der am 27. Mai 1956 in Bagheria, Sizilien geborene italienische Drehbuch-Autor und Regisseur GIUSEPPE TORNATORE ein Meisterwerk. Der Auslands-„Oscar“ dafür war 1990 hochverdient. Weitere Filme von ihm sind unter anderem „Allen geht’s gut“ (1990), „Die Legende vom Ozeanpianisten“ (1998), „Der Zauber von Maléna (2000) und zuletzt „The Best Offer – Das höchste Gebot“ (2013).

Irgendwo in den Abruzzen. Eine stürmische Nacht. Im Wald hallt ein Schuss. Ein Mann läuft durch die Gegend, wird von einer Polizeistreife aufgegriffen, kann sich nicht ausweisen. Er wird auf ein heruntergekommenes Polizeirevier in der Nähe gebracht, wo er als Erfolgs-Autor Onoff (GERARD DEPARDIEU) identifiziert wird. Weil er sich jedoch ebenso „ungeschickt“ wie „auffällig“ benimmt, unterzieht ihn der Kommissar (ROMAN POLANSKI) mehr und mehr einem Verhör. Dies müsse er tun, es sei aber alles im Grunde nur eine „reine Formsache“, betont der Beamte, der den Schriftsteller und dessen poetischen Werke schätzt. Eine Art Verbal-Duell startet, bei dem Onoff erhebliche Gedächtnislücken offenbart. Sich „verdächtig“ macht. Benimmt. Aggressiv aufführt. Während der Schnüffel-„Eifer“ des ständig nach-bohrenden Polizei-Chefs ebenso irritiert. Was ist hier eigentlich los? Was läuft hier ab? Wohin führt dieser kammerspielartige, eigenartige wie zugleich faszinierende Spannungsweg?

Die (Auf-)Lösung ist verblüffend. Aber schlüssig. Wirkt (sehr) lange nach.

Zwei Spitzen-Künstler vor der Kamera: Gerard Depardieu als „aufgescheuchtes Menschen-Wild“ und sensibler Dichter Onoff und Schauspieler-Regisseur Roman Polanski („Tanz der Vampire“) als verbissener, bisweilen unanständiger, ebenso aggressiver Ermittler sind Kopf-„Gegner“ auf Augenhöhe. Raffiniert und doppelbödig treibt Regisseur Giuseppe Tornatore ihren Psycho-Fight voran, und wir ahnen kein bisschen, was sich hier tiefgründig wirklich abspielt. Sind nur fasziniert von dieser kafkaesken Stimmung und diesem packenden Duell der Giganten. Unter Begleitung von ENNIO MORRICONES majestätischem Score. Der finale Twist schließlich, ich wiederhole mich gerne, zählt zu den exquisiten Überraschungen der Filmgeschichte.

Ein vorzüglicher Nachhol-Film eines formidablen Regisseurs, dessen ausführliche Erläuterungen im Bonus-Material („Eine Zeit der Erinnerung“/Interview: 45 Minuten) zu seiner Arbeit von vor über 20 Jahre die großartige Gesamt-Sichtung abrunden.

„Eine reine Formalität“: Intelligent-spannend (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „Koch Media“

 

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