Drama in blond Heimkino

DRAMA IN BLOND“ von Lothar Lambert (B, D, Schnitt + R; D 1984; 87 Minuten; Videoveröffentlichung: 1985)

“Beim Jungvolk gab‘s so etwas nicht“, tönt die altjüngferliche Frau Meier-Kettenbach, als Lehrling Hans wieder einmal achselzuckend zu spät zum Dienst antritt und dabei noch ganz außer Puste von seinen aufregenden, nächtlichen Streifzügen “durch die Szene“ berichtet, während der Chef schon angesäuert herummosert. Bankkollege Gerhard dagegen, ein zurückhaltender, linkischer Typ um die dreißig, hält sich wie immer da raus, fühlt sich nicht angesprochen. Ihm ist sowieso alles recht, wenn es nur nicht “so extrem“ ist. In jeder Beziehung. Er ist schließlich Ordnung in seinem gesitteten Dasein gewohnt. Mehr als ihm eigentlich lieb ist. Die Schwester betreut ihn mütterlich, und die nette Nachbarin Margot umgarnt ihn mit allerlei Süßem. Aber der forsche Nachwuchs hat Gefallen an dem stillen Kollegen gefunden, man trifft sich mal nach Feierabend und taucht in die schillernde Welt der Travestie und des Cabarets ein. Was den verklemmten Gerhard so langsam aber sicher auf Touren bringt. Der kommt jetzt öfters hierher, verspürt mehr und mehr Lust, selbst Teil dieser faszinierenden Gegenwelt zu werden, vollführt couragierte, von Rückschlägen und Resignation begleitete Veränderungen
und kommt dabei sich selbst auf die Spur.

Seit 1971 macht er die hiesigen “dirty movies“, die Schmuddelfilme, die Undergroundfilme, die Unterleibsfilme Mit wenig Geld, viel Phantasie, einigen Freunden und vor allem meistens mit Buch, Produktion, Kamera, Regie, Schnitt und Hauptakteur in einem, viel Selbstarbeit. Klein, schmutzig, billig, freizügig, das sind die Attribute, die das filmische Werk des heute 41 jährigen gebürtigen Thüringers Lothar Lambert begleiten. Der nie nach Vorlagen, sondern nach eigenen Einfällen, eigenem Erlebten, Gehörten dreht. Seine Protagonisten sind vorwiegend Ausgestoßene, Opfer, Neonkinder wie Schwule, Ausländer, misshandelte Frauen, Macho-Rüpel, aber auch neulich (in “Paso Doble“, seinem bisher aufwendigsten und auch erfolgreichsten Streifen) frustrierte Mittelstandspartner, die sich auf der Suche nach Sinn und Befriedigung oft reichlich hilflos und ordinär, schwach und gemein anstellen. Fast wie im richtigen Leben.
Nun ist Lambert einen filmischen Schritt weitergegangen. Hat (wie schon in “Paso Doble“) die beklemmende Schwarz-Weiß-Atmosphäre verlassen und begibt sich in eine bunte, glitzernde Psycho-Welt von Identitätskrise und Sex-Erfüllung, stellt seinen Konflikt zwischen angepasster Bürgerlichkeit und alternativer Freizügigkeit sowohl lockerer als auch professioneller dar. Mit viel Show-Einlagen aus der hiesigen “Dreamboys Lachbühne“ und Schlagern, mit einer gehörigen Portion Selbstironie (was sich Filmkritiker, der im Übrigen Lambert ja auch noch ist, alles sagen lassen müssen….)
und einem Hauptakteur Lambert der in seiner sensiblen, tragikomischen Typisierung überrascht und die Szene beherrscht. Mit hellblonden, kurz geschnittenem Haar und Nickelbrille erinnert der filmende Publizist in seinem neunten eigenen Lichtspiel in der Tat, ob seiner leisen Gestik und Bewegung, seiner unaufdringlichen Mimik und Verschmitztheit, an den ganz frühen Rühmann.

Wie der damals versucht auch hier eine gebeutelte kleine Persönlichkeit auf recht ungelenke Art und Weise die innere graue Maus abzuschütteln, um endlich die eigene Sau mal rauslassen zu können. Wie dies Lothar Lambert ohne die geringste Peinlichkeit und Lächerlichkeit distanziert und pfiffig rüberbringt, erstaunt und macht diesen munteren, vielleicht manchmal mit zu viel Showteilen begleiteten Selbstentdeckungstrip zu einer sympathisch-lasziven Vergnüglichkeit, mit einem superben Toilettenspruch aus einer Berliner Kneipe als Motto: “Bremst Euch nicht, sonst quietschen die Seelen“.

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