DIRTY TRIP

In diesen HEIMKINO-Filmwochen geben sich viele Stars die Ehre. Mit unterschiedlichen Qualitätsangeboten. Nach Al Pacino („Manglehorn“) und Pierce Brosnan („Survivor“), die eher (um es nett zu sagen) „verhalten“ auftraten, war Kevin Costner – mit „Black or White“ ansprechend und ist jetzt gerade RYAN REYNOLDS (zuletzt: „The Voices“) großartig „im Angebot“. Mit einer faszinierenden Spielerei, die an die besseren Outlaw-Spielfilme der 1970er Hollywood-Jahre erinnert; etwa an „Five Easy Pieces“, „Das letzte Kommando“, „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ oder „Asphalt-Blüten“. Originaltitel: „Mississippi Grind“ („Mississippi Stress“); der deutsche Heimkino-Titel lautet:

DIRTY TRIP“ von Anna Boden und Ryan Fleck (B+R; USA 2014; K: Andrij Parekh; M: Scott Bomar; 109 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 01.12.2015);

bisher ist er mir nur – wenn überhaupt – „nebenbei“ aufgefallen, der australische Schauspieler (und Musiker) BEN MENDELSOHN, 45, in Filmen wie „Killing Them Softly“, „The Place Beyond the Pines“ oder „Lost River“, hier aber glänzt er neben RYAN REYNOLDS („Buried – Lebendig begraben“) in einem dominanten Haupt-Part. Mendelsohn spielt Gerry, einen Spieler. Einen notorischen Verlierer. Bei dem Tragik und Scheitern – oder umgekehrt – einhergehen. „Ich kann nicht gewinnen“, stellt er wehleidig klar. Und auch: „Ich bin kein guter Mensch“. Knitter-Face-Gerry ist 44 und hat noch nie etwas in die richtige Lebens-Reihe gekriegt. Frau und Kind sind längst weg. Von ihm. Schulden überall. „Im Moment stecke ich in einer Art Loch“, meint er frustriert zum 35-jährigen Curtis (Ryan Reynolds), dem er zufällig an einem Spieltisch begegnet.

Curtis („Ich habe die Frauen zu gerne, um eine zu heiraten“) ist ein lockerer Hallodri, offensichtlich finanziell besser ausgestattet und für Gerry die Gewinn-Hoffnung. Die letzte. Gerry setzt auf den großen Jackpot in einem Pokergame in New Orleans, um endlich aus den Schulden zu kommen, von gewalttätigen Gläubiger-Eintreibern in Ruhe gelassen zu werden und überhaupt: um sich von diesem ganzen, beschissenen Elend und seinen inneren Trieb-Dämonen befreien zu können. Gemeinsam ziehen sie los. Von Iowa über Missouri bis nach Mississippi/Tennessee. Natürlich innbegriffen: Unterwegs-Ausraster, kurze Trennungsphasen und einige beziehungsvolle Abstecher. Mit dabei: Die attraktive SIENNA MILLER als Simone.

Wir kennen den sagenhaften Achim Reichel-Song: „Der Spieler“ (Text: Jörg Fauser). Da hat einer Glück. Und noch mehr Glück. Könnte aussteigen, und seine Pech-Strähne wäre umgehend wie komfortabel vorüber. Doch dann – setzt er alles auf die 17. Muss an dieses phantastische Lied des Öfteren denken. Hier. Denn dieser „Dirty Trip“ zweier völlig unterschiedlicher Kumpane, zielt in diese exzentrische „Charme-Richtung“. „Normal“ können und wollen Gerry & Curtis nicht sein. Mit täglichem Büro-Aufenthalt, langweiligen Verpflichtungen, „depperten“ Anweisungen entgegen nehmen. Während Gerry mit Geld spielt, spielt Curtis gerne mit Menschen. Und trickst gerne selbstsicher bis zum Anschlag herum. Zwei Kinder, die nicht die Absicht haben, erwachsenen zu werden. Lieber den Sucht-Kitzel „SPIEL“ voll ausreizen wollen. Mit sämtlichen Risiken. Plus Folgen.

„Dirty Trip“ ist keine Gut-Böse- oder Oben-Unten-Geschichte. Mit klaren Antworten. Ist dafür ummantelt: mit viel schrägem Sog. Was zu heftigen Gefühlswirkungen führt. „Dirty Trip“ ist ein balladenhaftes Road Movie um zwei spannende Loser-Typen als eigentlich nutzlose Existenzen. Eigentlich. In deren Figuren aber explosives Seelen-Potenzial rotiert und etwas von Herz-Atmosphäre schimmert. Reynolds & Mendelsohn als Curtis & Gerry zocken erstklassig, verblüffend, mitreißend, sind charakterstark, strahlen extrem viel Tiefen-Energie aus. Während die Melancholie und Seelsorge des Blues (von u.a. Lee Hooker, Memphis Slim, Memphis Minnie und Big Bill Broonzy) sie prickelnd begleiten. Reizvoll unterstützen.

Ein wunderbares Gestern-Movie. Von Heute. Antimodisch. Brillant uneben. Wendungsreich. Lakonisch. Immer mehr verblüffend. Das Autoren-Regie-Team ANNA BODEN & RYAN FLECK sind hervorragende Independent-Künstler, haben sich vor geraumer Zeit mit Filmen wie „Half Nelson“ (2006/“Oscar“-Nominierung für Ryan Reynolds) und „Zucker“ (2008) hervorgetan und liefern erneut mit diesem in 30 Tagen (in Alabama, Louisiana und New Orleans) gedrehten Road Movie ein hervorragendes Stück feines Emotions-Abenteuer-Kino ab. Mit dem Kick-Motto: Der Weg ist das Unterhaltungsziel (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“

 

Teilen mit: