DAS ALIBI – SPIEL DER MACHT

„DAS ALIBI – SPIEL DER MACHT“ von John Curran (USA 2016/2017; B: Taylor Allen; Andrew Logan; K: Maryse Alberti; M: Garth Stevenson; 101 Minuten; deutscher Heimkino-Start: 14.9.2018); im Original heißt der Film „Chappaquiddick“ und meint eine kleine Insel vor der Küste des US-Bundesstaats Massachusetts. Dieser kleine Naturfleck wurde weltweit bekannt, weil dort Mary Jo Kopechne am 18. Juli 1969 bei einem von US-Senator EDWARD KENNEDY verursachten Autounfall ums Leben kam. „Ted“ Kennedy, voraussichtlich der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, wurde zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Dieses Film-Drama arbeitet diesen „Fall“ auf. Dabei heißt es im Trailer: „Nach der wahren und unerzählten Geschichte“. „EIN PACKENDES STÜCK ZEITGESCHICHTE“, urteilte „Variety“.

Es ist Freitag, der 18. Juli 1969. Edward Kennedy (JASON CLARKE), jüngster Spross der berühmten Kennedy-Familie, will in den Schatten seines populären, ermordeten Präsidenten-Bruders John Fitzgerald (29.5.1917 – 22.11.1963) treten und in drei Jahren als „nächster Kennedy“ ins Weiße Haus einziehen. Demzufolge spuckt er gerne patriotische Sprüche wie „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Leuchtfeuer der Demokratie!“ heraus. Was allgemein gut ankommt. Die Beliebtheitsquoten des Bewerbers befinden sich in einem guten, steigerungsfähigen Bereich. Doch an diesem Wochenende macht ein ganz anderes Ereignis – weltweit – von sich reden: Die erste Mondlandung mit Apollo 11 steht kurz bevor. Die Medien stürzen sich natürlich „darauf“ und nehmen erst „mühsam“ wahr, was sich an diesem Weekend auf einer kleinen Insel in Massachusetts ereignet (hat). Dort findet am Freitag-Abend eine private Party statt, zu der Senator Edward Kennedy anlässlich einer am Samstag stattfindenden Segelregatta Freunde/Innen eingeladen hat. Spät am Abend fährt er, mit der 28-jährigen Mary Jo Kopechne (KATE MARA) auf dem Beifahrersitz, angeblich in Richtung Fähre, landet aber auf einem Feldweg und verfehlt eine Brücke. Der Wagen überschlägt sich und stürzt in den etwa zweieinhalb Meter tiefen Gezeitenkanal. Kennedy vermag sich zu befreien, läuft benommen zurück und alarmiert NICHT die Polizei. Sondern informiert erst seine Berater. Und ruft seinen greisen, nach einem Schlaganfall gelähmten Vater (BRUCE DERN) zuhause an, der ihm nur zu-stammelt: A l i b i.

Erst am nächsten späten Vormittag informiert Edward Kennedy die Behörden, sprich: die Polizei. Währenddessen beginnen die juristischen Berater des renommierten, reichen Hauses Kennedy „zu handeln“. Ignorieren das „Ich hab’s im Griff“-Geplärre des offensichtlich „angeschlagenen“ Teds und handeln nach dem Motto: Vertuschung ist ab sofort alles. Währenddessen verweist der Ted im Edward seine verunsicherte private Umgebung, wie etwa seinen besten Freund und Mentor Joe Gargan (ED HELMS/der Zahnarzt-„Hangover“), darauf hin, dass man doch schließlich „eine Familie“ sei: „Und innerhalb einer Familie müssen wir zusammenhalten“. DAS SYSTEM beginnt zu arbeiten. Was bedeutet, Manipulationen werden in Gang gesetzt.

Und Gedanken bewegen sich. Rücken nahe: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“, heißt es bei George Orwells Roman „Farm der Tiere“ aus dem Jahr 1945. „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhaben Bürger“ war 1970 ein italienischer Polit-Kriminalfilm, der die Machenschaften eines einheimischen Polizeichefs (Gian Maria Volonté als „Dottore“) süffisant beschrieb. Marke. Die Kleinen hängen, die Großen bleiben unbehelligt. Wie hier. „Ich will unbedingt ein großer Mann sein, ich weiß nur nicht, wer ich bin“, bettelt schließlich Edward seinen autoritären Dad in Sachen Vater-Liebe an. Doch der hat nur Augen-Verachtung für ihn.

Kurz vor dem Nachspann heißt es: Edward Kennedy (22. Februar 1932 – 25. August 2009) blieb populär; trat 1980 vergeblich zur Nominierung als Demokratischer Präsidentschaftskandidat an (verlor die Vorwahlen gegen Jimmy Carter), erwarb sich den Ruf als „Der Löwe des Senats“ und „entwickelte“ sich zum „am viertlängsten amtierenden Senator in der Geschichte der USA“.

Der großartige Ensemble-Film erzählt spannend – nachdenklich von der Macht und seiner „Konzentration“ in einem demokratischen Gemeinwesen und wie überhaupt „das mit der Demokratie“ wirklich „Oben“ funktioniert. Dabei enthält er sich spektakulären Motiven und behandelt sein packendes wie aktuelles Politik-Thema mit spannender Detailtreue und einem ebensolchen Blick auf den sauren Geruch von Korruption und Manipulation in den Entscheider-Etagen der Mandatsträger und ihrer geschickten Adlaten. Der australische Schauspieler JASON CLARKE (in „Die Macht des Bösen“ verkörperte er 2017 Reinhard Heydrich) liefert eine porentief-hervorragende Performance als „Ted“ Kennedy ab. Regisseur JOHN CURRAN („Der bunte Schleier“/2006; „Spuren“/2013) trifft politischen Ton, kritisches Anliegen mit vorzüglicher, besonnen-konsequenter Erzählhaltung. „Variety“ nochmal: „Eine wirklich faszinierende Studie, wie Korruption in Amerika funktioniert“.

In der Tat: Der Heimkino-Film „DAS ALIBI – SPIEL DER MACHT“ hinterlässt ein gutes, kluges Wut-Gefühl (= 4 PÖNIs).

 

 

 

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