CURVEBALL – WIR MACHEN DIE WAHRHEIT

PÖNIs: (4,5/5)

„CURVEBALL – WIR MACHEN DIE WAHRHEIT“ von Johannes Naber (Co-B, R und Musik; D 2019; Co-B: Oliver Keidel; K: Sten Mende; 108 Minuten; deutscher Kino-Start: 9.9.2021);

STIMMIG. NAHE POLITIK. In Doppelkornkonfrontation. Titel = „CURVEBALL – WIR MACHEN DIE WAHRHEIT“. D 2019; 108 Minuten. Von JOHANNES NABER. Geboren am 28. Mai 1971 in Baden-Baden. Sein Spielfilmmacherweg: 2010 „Der Albaner“; bekam 2010 den Max-Ophüls-Preis und weitere nationale und internationale Auszeichnungen (s. Kino-KRITIK/3 1/2 PÖNIs). Sein zweiter abendfüllender Spielfilm lautete „Zeit der Kannibalen“, wurde mit dem Deutschen Filmpreis in Bronze ausgezeichnet und vom Verband der deutschen Filmkritik zum Besten Film des Jahres 2014 gewählt. 2016 folgte „Das kalte Herz“ (s. Kino-KRITIK). Und nun: CURVEBALL. Bedeutet sinngemäß: Ein Bogenwurf im Baseball vermag das Spiel eindrucksvoll zu verändern. Listig, doppelbödig signalisiert solch ein Wurf: siehe Kinotitel. Basierend auf „Spielereien“ in und mit: POLITIK. In der Republik Deutschland. Wo es eingangs heißt von wegen: WAHRHEIT: DIE LÖST SICH DOCH GERADE AUF. Heißt es jedenfalls eingangs. Damals-jetzt anno 1997. Und in den Folgezeiten.

Spielort: mal Fränkisch-Zirndorf, mal Pullach, schließlich überlaufend in die USA. Mitspieler: BND, CIA und viele beamtete Felsenköpfe. Die Beweise plus Figuren benötigen, auch umgekehrt, um endlich Schuldige lauthals vorweisen zu können. Besonders begehrt gerade – Beweise für Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein. Wenn DIE, also Beweise, vorhanden sind, dann ist auch die US-amerikanische Rechtfertigung für den Endlichen-Kriegs-Einmarsch in den Irak vorhanden. Also wird nach dem Beweismaterial hektisch gefahndet. An vorderster Front: Abteilungsleiter Schatz (beeindruckend: THORSTEN MERTEN), dessen Eifer und Stolz-Wucht immens ist. Und der es geradezu riecht, dass sein Biowaffenexperte und UN-Kontrolleur Wolf (SEBASTIAN BLOMBERG), der kürzlich – „ohne Erfolgsergebnis“ – aus dem Irak zurückgekehrt ist, auf Grund seiner bekannten Spürnase doch noch Pikobello-Stimmiges, also vorweisbares, also nachweisbares, finden = liefern wird. Der Anlass für diesen euphorischen Optimismus heißt Rafid Alwan (DAR SALIM), ist Asylbewerber, verlangt Begünstigungen wie Vorzugsbehandlung, mit eigener Wohnung und deutschem Pass, um dann „das Gewünschte“ zu liefern, nämlich den Beweis, dass  tatsächlich geheimes Material für die Herstellung von Vernichtungswaffen bei Saddam Hussein existiert. Gibt. Wolf nimmt „diese Quelle“ an. Begeistert rastet er aus: „Das ist der absolute Knaller“. Endlich ist die Möglichkeit gegeben, es mal allen „so richtig zu zeigen“. Wie man „Geheimdienstarbeit“ bewerkstelligt. Dass diese „Lieferung“ von Rafid Alwan purer Blödsinn ist; dass die so genannten Beweisunterlagen aus Hirngespinsten bestehen; dass die zahlreichen Einwände des genervten Verbindungsoffiziers-Kollegen Retzlaf (MICHAEL WITTENBORN) im Hause nicht geprüft, sondern empathisch beiseite geschoben werden, von wegen des großen eigenen Verhörerfolges, läuft unerkannt mit. Denn nun kann man den amerikanischen Freunden mit exklusiven Informationen „helfen“: „WIR HABEN DIE WAHRHEIT“.  Und DIE, die Amis, sind außerordentlich an den Ergebnissen der deutschen Agentenarbeit interessiert. Denn: Nach den Ereignissen vom 11. September 2001 kriegt DIE eine außerordentliche Brisanz. Und das Fürchterliche eben – den Amis scheint es völlig egal zu sein, ob die Aussagen von Rafid Alwan stimmen oder nicht. Die Hauptsache, man kann jetzt kriegerisch – amtlich – loslegen. Der Feind, die Zielscheibe, steht ja jetzt fest. Schießen wir endlich los.

Was für eine faszinierend-eklige Film-Posse. Die mit Tatsachen-Material zusammenfließt. „In knappen, scharfen Dialogen, mit angenehm zurückgenommenen, sturztrockenen Ausflügen in den Slapstick und umgeben von miefig-piefigem Büromobiliar in dunklem Grau-Braun nehmen die Psychopathologien der Beteiligten immer mehr Gestalt an. Geltungsdrang und gekränkte Eitelkeiten sind die fiesen kleinen Motoren, die das große Rad in Schwung versetzen“, heißt es süffisant-treffsicher im aktuellen „Filmdienst“. Über einen gelungenen deutschen Spielfilm, der sowohl pikant-politisch wie überzeugend-satirisch zu brillant-entsetzter Unterhaltung aufläuft. Um dann fürchterlich im Nachspann im Hinblick auf 2003 abzuschließen: DER KRIEG FORDERTE – JE NACH QUELLE – 115.000 bis 600.000 OPFER, GRÖSSTENTEILS IN DER ZIVILBEVÖLKERUNG. ER FÜHRTE ZU EINEM FLÄCHENBRAND IM MITTLEREN OSTEN, DER BIS HEUTE ANDAUERT.

„Curveball“ oder = Was für ein denk-würdiges deutsches Film-Unterhaltungs-Event (= 4 1/2 PÖNIs).

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