COPACABANA

COPACABANA“ von Marc Fitoussi (B+R; Fr 2010; 107 Minuten; französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln; Start D: 28.06.2012); es gibt eine europäische „Meryl Streep“, also eine Schauspielerin, deren Filme IMMER gesehen werden MÜSSEN. Gegebenenfalls auch – wie hier – nicht „gleich“, sondern „etwas später“. Die Hauptsache, man hat ihre SÄMTLICHEN Auftritte im Filmblick. ISABELLE HUPPERT, geboren am 16. März 1953 in Paris, habe ich seit ihrer Glanzrolle als „Die Spitzenklöpplerin“ (1977) nie mehr aus den Augen verlieren wollen. Heute ist sie eine der höchstdekorierten Schauspielerinnen in Europa. Eine Spitzenkünstlerin, die sowohl im Film wie auch auf der Theaterbühne „herrscht“.

In „Copacabana“ spielt sie Babou. Eine ungebundene „Schlampe“. Wie ihre 22jährige Tochter Esméralda meint. Weil Babou nicht nur viel herumgekommen, sondern auch völlig unabhängig ist. Sich von ihrer Tochter aushalten lässt und das Leben SO nimmt, wie sie es für richtig hält. Eine exzentrische, schmink-technisch betrachtet vulgäre, laute Chaos-Madame, die gerne immer „am Rande“ lebt und im übrigen von der sonnigen Copacabana in Rio de Janeiro träumt. Orte, Partner und Jobs waren für sie stets unwichtige Flüchtigkeitsmomente. Ihre Tochter ist und plant da völlig anders. Möchte eine bürgerliche Familie gründen, „normal“ leben. Will bald heiraten. Und die Mama auf gar keinen Fall mit-dabei haben. Die Tochter schämt sich für ihre Erzeugerin. Was DIE aufbringt. Ge- und betroffen beschließt Babou also, für sich fortan ein stabileres Leben zu organisieren. Als erstes besorgt sie sich eine ernsthafte Arbeit. Bei einer Immobilienfirma in der belgischen Küstenregion von Ostende. Dort soll sie Kunden für Ferienappartements anwerben. Angesichts der ungemütlichen kalten Jahreszeit kein leichtes Unterfangen. Zumal die innerbetriebliche Konkurrenz „hellwach“ ist. Doch Babou kann auch „anders“. Wenn sie will. Und diesmal WILL sie. Allerdings erweist sich dieses ölige Milieu-hier auch als ziemlich glatt. „Ausrutscher“ sind schnell möglich. Passiert.

Der Konflikt der Generationen einmal andersrum. Die Mutter hibbelig, die Tochter erdig. Bodenständig. Die Mutter „unanständig“, mit vielen emotionalen Defiziten, dafür schräg, schrill und offen, die Tochter dagegen pedantisch, bisweilen intolerant, käsig. Der hierzulande unbekannte 36jährige Drehbuch-Autor und Regisseur Marc Fitoussi ergreift bei seinem (nach „La vie d’artiste“/2007) zweiten Spielfilm keine Partei. Überlässt dem Zuschauer die (Be-)Wertung. Verzichtet auf tränenreiche Erklärungs- wie Versöhnungsduelle. Ganz anders beim „Zugriff“ auf die eisige Arbeitswelt. Wo Menschen arbeiten „müssen“ und deshalb Demütigungen hinnehmen. Eklige Zumutungen ertragen, nur um den lausigen Job behalten „zu dürfen“. Hier wird Marc Fitoussi (sehr) „deutlich“. Sein Film ist eine gelungene Mischung aus tragikomischer Komödie und treffendem Sozialdrama, erinnernd an vergleichbare spitzzüngige britische Konfliktfilme etwa eines Mike Leigh („Happy-Go-Lucky“) oder Ken Loach („It’s A Free World“). Getragen von hervorragenden Akteurinnen: Die 27jährige LOLITA CHAMMAH als sich nach gutbürgerlicher Familienruhe sehnende verzweifelte Esméralda steht im wunderbaren „Kampf“-Kontrast zu ihrer nicht nur Film-, sondern auch „wirklichen“ Mama ISABELLE HUPPERT. Die sich hier von unkonventioneller, schlauer „Schäbigkeit“ zeigt. Und völlig aus der Generationen-Art fällt. Beziehungsweise schlägt. Um endlich ans bunte Rio-Ziel zu gelangen. Auf konsequent nervigen wie „komischen“ Wegen.

Toll (= 3 ½ PÖNIs).

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