PÖNIs: (4/5)
„CLEO“ von Erik Schmitt (Co-B + R; D 2017; Co-B: Stefanie Ren; K: Johannes Louis, M: Johannes Repka; 99 Minuten; deutscher Kino-Start: 25.07.2019); von ihm war in der Branche immer mal wieder „diskret“ zu hören. Da wäre ein deutscher Filmemacher, der hätte stimmungsvolle Kurzfilme „auf Lager“; mit dem sei zu rechnen, wenn er denn seinen ersten Spielfilm realisiert. ERIK SCHMITT: 1980 geboren in Mainz. Studierte Kommunikationswissenschaften in Genf, München, Melbourne und Berlin. Startete mit Kurzfilmen, gewann 2011 den „Deutschen Kurzfilmpreis“ in Gold mit „Nun sehen Sie folgendes“. Um schräge Charaktere mit Charme ging es 2013 weiter mit dem vielfach preisgekrönten Kurzspielfilm „Nashorn im Galopp“. Mit seinem Langfilm-Debüt „Cleo“ eröffnete Erik Schmitt in diesem Jahr die Berlinale-Sektion „Generation Kplus“, und der Film hätte gut und gern auch in den Berlinale-Wettbewerb gepasst. Allerdings hätte es eines couragierten Berlinale-Leiters bedurft, der diese filmischen Berliner Visionen mit Vehemenz und Begeisterung mitgetragen hätte (und nicht seine letzte Veranstaltung einfach nur Wettbewerbs-karg und Routine-grau mäßig abwickelte).
Natürlich das Pendant: Aus „Die fabelhafte Welt der Amelie“ von 2001 vom Nachbarn Frankreich (Jean-Pierre Jeunet/s. Kino-KRITIK) entwickelt der wagemutige, phantasievolle und schelmische Erik Schmitt = „Das fabelhafte Treiben der Cleo“. Oder auch: Cleo rennt. Nach Franka Potentes „Lola rennt“ (s. Inside/SCHAUSPIELER). In Berlin, wo 2017 an über 70 Drehorten ausschließlich in Berlin herumgeflitzt wurde. Mit dem Franka Potente-„Double“ MARLEEN LOHSE, 33. Als verunsicherte Titelheldin. Und regionale Stadtführerin. Mit einigen Ver- bzw. Beklemmungszeichen. Nachdem ihre Mutter bei ihrer Geburt am 9. November 1989 im Auto auf dem Weg nach West-Berlin starb, übernahm ihr Papa das Spaß-Kommando. Lenkte sie auf Dinge, die scheinbar selbstverständlich „da“, aber doch mit speziellem Eigenleben ausgestattet sind; also wenn ein Gullydeckel zu einem Plattenspieler mutiert oder, wenn man genau hinschaut, überall im Stadtgebiet Hinweis-Pfeile entdeckt werden können. Auf was? Auf Schätze, die versteckt sind und warten, gefunden zu werden, und vor allem auf eine magische Uhr, mit der man die Zeit(en) zurückstellen kann, damit Zukünftiges in der Vergangenheit „behoben“ werden kann. Cleos Hauptantrieb. Übrigens. Diese Uhr haben einst die berühmt-berüchtigten Berliner Bankräuber bzw. Geldschrankknacker, die Brüder Sass, in den 1920er Jahren versteckt. Und, noch bekloppter gefällig: Cleo hat „Kontakt“. Sowohl mit diesen charmanten Kriminellen (BEN MÜNCHOW; MAX BEFORT) wie im Übrigen auch mit Albert Einstein (JEAN PÜTZ) und Max Planck (PETER MEINHARDT).
Natürlich ist Cleo alleine. Wer will sich schon mit solch einer eigenwilligen „Spinnerin“ einlassen, die voller Verlustängste, Schuldgefühle und „Fantasy“ steckt? In Berlin?! Mit diesen vielen Kellern? Zum Beispiel. Aber Topf trifft Deckel. Der heißt Paul (JEREMY MOCKRIDGE) und ist Abenteurer von Beruf. Und mit Leidenschaft. Das könnte was werden. Mit den Beiden. Bei ihrem Abenteuer um den verlorenen Schatz. Könnte.
Da spielt einer gerne. Mit Ideen, Tempo-Gefühl, Perspektiven. Scheut sich nicht, so richtig los – zu – spinnen. Mit visuellem Galopp. Hinein in die urige Spelunken-Metropole. In die knackige Hauptstadt. Mit feurigem Verzauberungs-Pulver, als Dauer-Bewegungsmelder und mit Typen aus dem skurrilen Panoptikum. Wie diesem Günni-Outlaw mit dem Holzbein (HEIKO PINKOWSKI) oder diese äußerst rabiate Museums-Wärterin mit toller Hackfresse (ANNA BÖTTCHER). Und dann gibt es ja auch noch diesen „aufklärenden“ wie staubtrockenen Informator mit der Handtasche, ein Bürokrat gütiger Sorte.
„CLEO“ oder: eine deutsche Spaß-Offensive, die sich nicht schwer-triefend, sondern erfrischend bewegt und ohne Blöd-Sinn auskommt. Mit magischem Berlin-Kolorit hantiert, in Zeitraffer-Suspense fasziniert, dabei viel originelle heimische Atmosphäre verbreitet. Während der optische Einfallsreichtum herrlich ausufert. Was für eine Debüt-Überraschung: ERIK SCHMITT machen Sie bloß (und bald) SO witzig und liebevoll weiter (= 4 PÖNIs).