BRIGHTON ROCK

BRIGHTON ROCK“ von Rowan Joffe (B+R; GB 2009/2010; 111 Minuten; Start D: 21.04.2011); ist ein sehr angenehmer „Zwischenaufenthalt“ im heute oftmals so überhitzten Fieber- bzw. Adrenalin-Kino. Eine gute Geschichte, angenehm unaufgeregt, dabei sehr spannend erzählt. In einem reizvollen, atmosphärischen Umfeld, mit hervorragenden Schauspielern. Kurzum: Wer mal Lust auf fesselndes „Normal-Cinema“ hat, wird hier bestens bedient. Vom 38jährigen britischen Leinwand-Debütanten (und Sohn des Regisseurs Roland Joffe/“The Killing Fields – Schreiendes Land“, 1984; „The Mission“/1986.) Rowan Joffe. Der bisher als Drehbuch-Autor („28 Days Later“; zuletzt „The American“) und TV-Regisseur arbeitete. Und hier den populären Roman „Brighton Rock“ des britischen Schriftstellers GRAHAM GREENE (2.10.1904 – 3.4.1991) aus dem Jahr 1938 adaptierte, der in der BRD 1950 unter dem Titel „Am Abgrund des Lebens“ veröffentlicht und jetzt wieder neu herausgebracht wurde . Die schwarz-weiße britische Erstverfilmung dieses Dramas entstand 1947 unter dem originalen Roman-Titel (Regie: John Boulting), mit Richard Attenborough in der Hauptrolle, kam aber bei uns nie in die Kinos.

Heute ist die Geschichte von vor-damals in das Seebad Brighton von 1964 verlegt. Mitten hinein in die aggressiven, „pop-kulturellen“ Auseinandersetzungen und provokanten Muskelspiele zwischen Rockern & Mods an diesem schönen britischen Küstenstädtchen am Ärmelkanal, in der Grafschaft East Sussex. Wo die Polizei zunehmend „gereizter“ reagiert. Und sich der 17jährige „Laufbursche“ Pinkie daranmacht, seinen Platz in der Klassengesellschaft zu suchen. Pinke, der Klein-Ganove, will „mehr“. Will höher hinaus, will geachtet und gefürchtet werden. Sowohl in seiner „Gruppe“ wie überhaupt/allgemein. Damit kommt er dem mächtigen örtlichen Mobster Colleoni mächtig in die Quere. Denn das Terrain an diesem „vornehmen Ort“ teilten sich bislang drei Gangs. Eine „ganz obere“ und zwei untergeordnete, „Gangsterfußvolk im Mittelfeld“. Wie die von Pinkie. Doch die ist gerade eine Art „Auslaufmodell“. Als einer von „seinen Leuten“ ermordet wird, sieht Pinkie seine Chance. Sich neu zu platzieren. Hat aber zunächst Skrupel, sein dunkles Ich „hervorzubringen“. Zumal er damit die unbedarfte wie schließlich vom Proll-Vater „verscherbelte“ Kellnerin Rose gefährdet. Rose glaubt an die große Liebe, Pinkie dagegen will sie „eigentlich“ nur benutzen, um eine lästige wie harmlose Zeugin „zu umgarnen“, „ruhig zu stellen“. Um seine Aufstiegspläne ungestört und ungefährdet vorantreiben zu können. Dabei stören individuelle Gefühle immens.

Moral oder Nicht-Moral, das ist hier die Frage. Und: WIE stelle ich es an, mich hier geschickt und „gesund“ bleibend durch die „aufgescheuchte“ Unterwelt erfolgreich zu lavieren? Zumal auch noch Roses Chefin, eine resolute örtliche Geschäftsfrau mit Weitblick, Pinkies Avancen und „Bewegungen“ mit Argwohn beobachtet. Und schließlich „handfest“ selbst eingreift, um eine Tragödie zu verhindern. Wie sie glaubt.
Man meint, das bessere britische Gangsterkino von einst „riechen“ zu können („The Long Good Friday – „Rififi am Karfreitag“). Vornehme Bürgerwelt, die Strampeleien „unten“, die kriminellen wie sozialen Grabenkämpfe um die feudalen, profitablen regionalen Machtpositionen. Dabei im Fixierpunkt: Die etablierten, disziplinierten Alten gegen die unbeherrschte Meute der drängenden Kids. Die Wissenden gegen die Minder-Klugen. Und Versuchs-Cleveren. Mit „katholischem“ (Graham Greene-)Hintergrund: Schuld und Sühne: Die Hölle ist stets näher als der Himmel. Verzweiflung im „realen Leben“ wird dadurch „akzeptiert“. Es sei denn, ein irdischer Engel wie Rose taucht auf und führt durch dieses bittere Tal der Sünde in das „reine Dasein“. Zum Sarkasmus des Alltags.

Ein Film Noir-Thriller bester Tradition. Mit tollen photografischen Brighton-Aufnahmen, innen wie außen; also mit beeindruckenden Landschafts- wie Seelenmotiven; exzellent dargeboten von einem erstklassigen Ensemble. SAM RILEY, Jahrgang `80, der suizidbedrohte „Joy Division“-Sänger Ian Curtis in der heftigen Musiker-Biographie „Control“ (2007), überzeugt in dem verbissenen Spagat zwischen Unsicherheit, Aufbegehren und Selbstzerstörung. „European Shooting (Berlinale-)Star“ und 2011-Darling ANDREA RISEBOROUGH, neulich im tragikomischen Weiber-Streik-Movie „We want Sex“ von Nigel Cole schon angenehm aufgefallen, pariert prächtig in der Balance zwischen Unschuld und Aufbruch. „Oscar“-Lady HELEN MIRREN („The Queen“) als Roses Chefin und „Beschützerin“ Ida ist sich ebenso wie der zerknautschte 70jährige Kraftpaket-Oldie JOHN HURT („Der Elefantenmensch“) als ihr Freund aus gütigeren Tagen nicht zu schade fürs charakterlich brillante Stichwortgeber-Personal.

„Brighton Rock“ ist eine feine und sehr atmosphärische britische Spannungsperle im aktuellen Kino (= 4 PÖNIs).

 

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