BEALE STREET

„BEALE STREET“ von Barry Jenkins (B; Co-Prod. + R; USA 2017/2018; nach dem Roman „If Beale Street Could Talk“ von James Baldwin/1974; K: James Laxton; M: Nicholas Britell; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 07.03.2019); vor zwei Jahren tauchte ER als völlig Unbekannter auf und triumphierte: erhielt für sein Werk „Moonlight“ (s. Kino-KRITIK) drei „Oscars“, darunter für den „Besten Film“ und für Mahershala Ali als „Bester Nebendarsteller“ (= wie gerade auch für seine Mitwirkung in „Green Book – Eine besondere Freundschaft“). Der neue Film des Afroamerikaners BARRY JENKINS, 39, basiert auf einem Roman von James Baldwin aus dem Jahr 1974, der hierzulande gerade als Taschenbuch unter dem Titel „Beale Street Blues“ herausgekommen ist. JAMES BALDWIN, 1924 in New York geboren, war und ist ein verehrter, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und eine Ikone der Gleichberechtigung aller Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Herkunftsmilieus. Er war der erste schwarze Künstler auf einem Cover des „Time Magazine“. Baldwin erlag 1987 in Südfrankreich einer Krebserkrankung.

Seine Vorbemerkung zu seinem Roman lautet: „Die Beale Street ist eine Straße in New Orleans, wo mein Vater, Louis Armstrong und der Jazz geboren wurden. Jeder in Amerika ist in der Beale Street, ist im Schwarzenviertel irgendeiner amerikanischen Stadt geboren, ob in Jackson, Mississippi, oder in Harlem in New York: Alle ‚Nigger‘ stammen aus der Beale Street. Diese Beale Street ist unser Erbe. Dieser Roman handelt von der Unmöglichkeit, von der absoluten Notwendigkeit, diesem Erbe Ausdruck zu geben. Die Beale Street ist eine laute Straße. Es bleibt dem Leser überlassen, aus dem Schlagen der Trommeln den Sinn herauszuhören“. Heute ist die BEALE STREET eine Straße in Downtown Memphis im US-Bundesstaat Tennesssee. Sie führt auf einer Länge von 2,9 Kilometern vom Mississippi bis zur East Street. Die Straße gilt als die „Heimat des Blues“.

Und wie der Blues ist auch der Rhythmus der Geschichte angelegt. Als eine Liebesgeschichte, in der sich die gesellschaftlichen amerikanischen „Impulse“ der 1970-er Jahre bewegen. Wo der 22-jährige Bildhauer Alonzo „Fonny“ Hunt (STEPHAN JAMES/der Jesse Owens aus „Zeit für Legenden“) und die 19-jährige Verkäuferin Tish (KiKi LAYNE) ein ganz normales Paar sind. Die ihr erstes Kind erwarten. Als Fonny jedoch fälschlicherweise beschuldigt wird, die Puertoricanerin Viktoria Rogers (EMILIY RIOS) vergewaltigt zu haben, obwohl er sich überhaupt nicht in der Nähe des Tatorts befunden hatte, muss er ins Gefängnis. Ein weißer Polizist zieht hier im Hintergrund seine schmutzigen, rachsüchtigen Hass-Fäden und weiß sich vom vorurteilsvollen Justizsystem unterstützt.

Barry Jenkins zelebriert mit „Beale Street“ kein Justiz-Drama, sondern geht in das Innere der Beteiligten und Betroffenen. Erzählt, wie sich die Familie zusammenschweißt, während der Film die Liebesgeschichte der Beiden immer wieder rückwirkend einfügt. Jenkins geht es nicht um den Zorn, sondern um die Grundtöne einer Gemeinschaft, deren Stimmungen extrem schwankend und demzufolge inhuman sind. Er inszeniert seine überwältigend-berührende Geschichte wie eine vielschichtige Jazz-Ballade, mal aufbegehrend, dann zärtlich; mal drängend emotional, mal sanft-subtil. Mit einem unvergleichlichen Gespür für authentische Atmosphäre. In der Tish aus dem Off die nüchterne Wut besonnen wie aufwühlend erläutert. Motto des Filmkünstlers, des Schriftstellers: Die Würde ist nicht verhandelbar.

Ein aktueller Film. Mit einem brillanten Ensemble, darunter REGINA KING als verständnisvolle Mutter von Tish, die ihrer schwangeren Tochter ein starker Rückhalt ist und die für ihren Part mit dem „Oscar“ als „Beste Nebendarstellerin“ gerade bedacht wurde. Unbedingt zu nennen ist auch der hervorragend begleitende, Seelen-kommentierende Soundtrack von Nicholas Britell, der ebenso eine „Oscar“-Nominierung bekam wie Jenkins für das „Beste adaptierte Drehbuch“.

Fazit: Endlich finden epochale Geschichten wie die von James Baldwin den Weg ins Kino. Sie besitzen aktuelle Dramatik, denn auch 45 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Romans sind Polizeiwillkür und Rassenhass in den USA an der Tagesordnung. Was nicht verwundert, tönt doch der größte Hass derzeit direkt aus dem Weißen Haus (= 4 1/2 PÖNIs).

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