BATTLE IN SEATTLE

BATTLE IN SEATTLE“ von Stuart Townsend (B+R; USA/Kanada 2006/2007; 95 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 12.07.2010).
Er hatte seine Weltpremiere auf dem 32. Internationalen Filmfestival von Toronto im September 2007 und lief ein Jahr darauf in den USA in „ausgewählten Kinos“ an. Hierzulande hat der Film seine deutsche „Erstaufführung“ jetzt auf DVD. „Battle in Seattle“, also „Schlacht/Gefecht in Seattle“, ist der Debütfilm des 37-jährigen irischen Schauspielers Stuart Townsend (Nebenrollen in „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“/2003; „Head in the Clouds“ oder „Ein Trauzeuge zum Verlieben“/2005). Er beruht auf wahren Begebenheiten, während die Personen fiktional sind. Thema: Die WTO, die World Trade Organisation, die WELTHANDELSORGANISATION. Gegründet am 15. April 1994 in Marrakesch, Marokko. Mit über 150 Mitgliedsstaaten kontrolliert die WTO 90% des Welthandels. Es heißt, globale Großunternehmen „übernehmen“ die Macht/die Handelsmacht, ohne dass einzelne Länder eingreifen können bzw. dürfen. Und weiter: Die WTO setzt sich über Regierungen hinweg. Insbesondere wenn es darum geht, „Handelshemmnisse“ zu beseitigen, etwa wenn es „vonnöten“ erscheint, die staatlichen Möglichkeiten/Regeln des aktiven Natur- und Umweltschutzes „zu brechen“. „GELD IST WICHTIGER ALS MENSCHEN“, formulieren Kritiker aus den Reihen von Umweltaktivisten, aus den Reihen von Kirchen, Gewerkschaften oder Umweltorganisationen wie Greenpeace. Menschenrechte wie Umweltinteressen werden dem Streben nach Profit untergeordnet, also beginnt – zunächst verbal, auf Plakaten, mit Parolen – die „Schlacht um die Zukunft“.

Wir befinden uns im Jahr 1999. Genauer gesagt, am 30. November 1999. In Seattle wird die 1. WTO-Ministerkonferenz eingeläutet. Während der Bürgermeister Jim Tobin (RAY LIOTTA/“GoodFellas“; „The Rat Pack“; „Hannibal“) noch voller Stolz die offiziellen 5000 eingeladenen Delegierte willkommen heißt und die angereisten vielen jungen Kritiker aus aller Welt auffordert, „hart“ ihre Interessen zu vertreten, dabei aber „meine schöne Stadt“ nicht „zu beschädigen“, erleben wir die Vorbereitungen auf „beiden Seiten“. Die Polizei rechnet mit einigen tausend Konferenzgegnern und stellt sich „dementsprechend“ auf; die Aktivisten planen, Straßen und Kreuzungen zu blockieren, um die Konferenzteilnehmer gewaltlos, friedlich daran zu hindern, den Konferenzort, ein großes theaterähnliches Haus mitten in der City, zu erreichen.

Der Film erzählt, mit viel dokumentarischem, authentischem Material begleitet, über die als „Battle of Seattle“ bekannten 5 Tage-Ereignisse in jener Zeit. Als es den Aktivisten tatsächlich gelingt, die Barrieren der Polizei „technisch“ zu überwinden. Wirrwarr, Hektik. Aufregung(en) überall, bis die Lage eskaliert. „Tun Sie, was Sie tun müssen, aber machen sie es schnell“, befiehlt der unter „amtlichem (Weiße-Haus-)Polit-Druck“ stehende und an sich liberale Bürgermeister. Die Stadt versinkt im Chaos. Mittendrin: Die Bewegungen einzelner, individueller Beteiligter beider Seiten. Django (ANDRÉ BENJAMIN/“Be Cool“) der junge, aber schon geübte „Veteran“ mit schlimmen gedanklichen Erinnerungen im Gepäck; Sam (JENNIFER CARPENTER; „Der Exorzismus der Emily Rose“), die sich permanent die Frage stellt, „was dies überhaupt bringt“ außer den Schmerzen und – auch seelischen – Verwundungen; Lou (MICHELLE RODRIGUEZ/“Avatar“) und Jay (MARTIN HENDERSON/“Der Ring“), die alle aus persönlichen, engagierten Gründen hierher angereist sind. Im Glauben, die Welt „ein bisschen gerechter“ gestalten zu können. Demgegenüber Dale, der im Grunde besonnene Polizist (WOODY HARRELSON/“Defendor“), seine „unruhigen“ Kollegen, die erst „Attacken“ abwarten sollen, bevor sie „eingreifen“ dürfen. Sowie „Unbeteiligte“ wie Ella, Dales Frau, die im 5. Monat schwanger ist („Oscar“-Preisträgerin CHARLIZE THERON/“Monster“), und versehentlich zwischen die Fronten gerät. Mit fürchterlichen Folgen.
„Battle in Seattle“ verdammt nicht blind bzw. Blindlinks. Präsentiert die ungeheure An-Spannung, gibt tiefe Einblicke in das Funktionieren unseres demokratischen Systems, wenn es herausgefordert wird. Offenbart den internen Streit, die aufkommende interne Wut beider Parteien, die auseinanderdriftende Uneinigkeit bei der rechtlichen, moralischen wie „praktischen“ Bestandaufnahme der Geschehnisse. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen. Politik wird jetzt „handfest“. Tränengas, Gummigeschosse sowie eine hohe Polizei-Aggressivität lassen die Ereignisse ausufern. Massenverhaftungen sind die Folge.

„IST ES NICHT ZEIT, DASS MENSCHENLEBEN MEHR ZÄHLEN SOLLTEN ALS DER PROFIT?“, fragt unterdessen Dr. Maric (RADE SERBEDZIJA/“Shooter“; „The Eye“) in den Konferenzraum? ER, der hierhergekommen ist, um – gegen den Willen der Pharma-Lobbyisten, die die teuren, profitablen Patentrechte nicht angetastet sehen wollen – für billigere Medikamente in der Dritten Welt zu werben, sieht sich komplett in die Defensive abgeschoben. Und ist verzweifelt von der offenen Ignoranz und menschenverachtenden Geschäftsgier. Während die TV-Journalistin Jean (CONNIE NIELSEN), die live „vor Ort“ und voller „patriotischem Enthusiasmus“ „standardgemäß“ berichten soll, vor allem dann auch über die Ankunft von US-Präsident Bill Clinton, durch die miterlebten Vorkommnisse eine ganz ungewöhnliche, unvorhergesehene individuelle Entscheidung trifft. Und als schließlich auch dem afrikanischen Vertreter (ISAACH DE BANKOLE) das kritische Wort entzogen wird, weil die Dolmetscher jetzt „woanders“ eingeplant seien, beginnt die Konferenz auch im Innern gehörig „zu wanken“: „Die Anliegen der ärmeren Länder werden nach wie vor nicht behandelt“, heißt es schließlich im Abspann. Und: „Dies aber hält Menschen nicht davon ab, für eine bessere Welt zu kämpfen“. „ÜBERALL“.

Was für ein gelungener vorzüglicher Film. Der engagiertes Anliegen mit authentischen Fakten und menschlichem Handeln spannend, informativ und im besten Sinne nachdenklich mixt. Dabei nicht in politische, demagogischer oder ideologische Hau-Drauf-Manier argumentiert/verfällt, sondern die enormen Schwierigkeiten sorgsam beschreibt, auf die enormen Interessensunterschiede blickt im Zusammenhang mit unseren höchst unterschiedlichen politischen, gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Ansichten und Lebensvorgängen. Und dies als intelligenter Spielfilm, also packendes Unterhaltungsprodukt: „Battle of Seattle“ ist ein Hochkaräter von überzeugendem Spannungsfilm. Der viel und vor allem lange nachhallt. Ist einer jener großen kleinen Muss-DVD-Angebote bei uns. Schade nur, dass das Bonusmaterial diesmal nur sehr bescheiden (Trailer/Bildergalerie) ausfällt. Die Neugier „danach“ ist, bleibt ziemlich groß. Auf Themen, Film, Produktion, Macher & Co. Und auf Statements dieser hollywoodschen Star-Riege, die sicherlich nicht wegen des Honorars sich hier einbrachte, engagierte, verpflichtete…..(wobei alleine WOODY HARRELSON einmal mehr als großartige charakterliche Augen- und Seelenweide in seinem Nebenpart agiert).

Dieser Ami-Film hinterlässt aber auch „hauseigene Gedanken“ – warum, verdammt nochmal, ist bei uns NIEMAND in der Lage oder willens, sich auch einmal solch hiesiger Polit-Thematik anzunehmen? Die aktuellen brisanten Themen, Stories, Balladen liegen täglich auf der Hand, auf der Straße, in den Medien, werden von gescheiten Kabarettisten bissig dokumentiert, aber unsere faulen (Geistes-)Säcke von Filmemacher finden anscheinend keinen Mut, haben keine Courage, sehen sich kaum in der Lage, sich „solchen Materials“ spielfilmhaft, für hiesige LEINWÄNDE, spektakulär anzunehmen. Polemik, ich weiß. Na und???
„Battle of Seattle“ ist auch ein Film für bequeme deutsche Förder-Kino-Dichter und -Denker….. (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „KSM“.

 

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