„WIN WIN“ von Tom McCarthy (B+R; USA 2010; 109 Minuten; Start D: 21.07.2011); wenn er als Schauspieler auftrat, zum Beispiel zuletzt in Filmen wie „Meine Frau, unsere Kinder und ich“ oder „Jack in Love“, dann war er bislang „der Dritte von links“, also mehr unbekannter Mitspieler denn strahlender Hauptakteur. Mit seinen beiden eigenen Filmen aber wurde der am 30. Januar 1966 in New Jersey geborene Thomas „Tom“ Joseph McCarthy als Drehbuch-Autor und Regisseur zu einem Triumphator. Denn sowohl „STATION AGENT“ (2003/mit dem wunderbaren Peter Dinklage) als dann auch „EIN SOMMER IN NEW YORK – THE VISITOR“ (2007/mit dem großartigen Richard Jenkins/“Oscar“-Nominierung) waren/sind cineastische Perlen. Von herrlich lakonischem Humor durchsetzt, als Plädoyer für Toleranz und zwischenmenschlichem Respekt, mehr an den Menschen als an ihren „Ereignissen“ interessiert. Richtig gute warmherzige Berührungsfilme. Falls bislang noch nicht wahrgenommen – unbedingt nachsehen.
Der dritte Film dieses bemerkenswerten Talents bleibt auf den Human-Spuren spannender Durchschnittsleute. Motto: Familien-Erweiterung. Ebenso zufällig wie ungewollt wie bereichernd. Sich auf Fremde einzulassen, bedeutet auch seelischer Gewinn. Wir befinden uns einmal mehr auf dem Spielplatz der amerikanischen Gesellschaftsmitte. Allerdings am unteren Rand. Denn Anwalt Mike Flaherty (PAUL GIAMATTI!!!) steht in seiner New Jersey-Kleinstadt immer mit einem Bein vor der beruflichen Pleite. Vor dem finanziellen Absturz. „Ich bin ein Idiot“. „Ja, aber ein Idiot mit Herz“, beruhigt ihn Ehefrau Jackie (AMY RYAN). Und tatsächlich, mit einem bisschen Tricksen gelingt ihm der nächste Coup.
Mike wird zum bezahlten Betreuer für einen Klienten mit Alzheimer-Schüben bestimmt. Dies sorgt für ein wenig materielle Luft. Doch als dessen minderjährige Neffe Kyle (ALEX SHAFFER) auftaucht und partout nicht mehr zu seiner drogenabhängigen Mutter zurückwill, taucht eigentlich das nächste Problem auf. „Eigentlich“ aber nur, denn der introvertierte Bengel kann außerordentlich gut ringen. Und schließlich betreut Mike in seiner Freizeit, mit ein paar „merkwürdigen“ Trainer-Kumpanen, das Ringer-Team an der Schule. Bisher ein permanentes Verlierer-Team. Jetzt, aber, wo Kyle mitmischt, ändern sich die Ergebnisse. Ein Familienzuwachs, der sich zu lohnen scheint. Bis…dessen Mutter auftaucht. Geradewegs aus der Entzugsklinik, vollkommen pleite und…sagen wir mal…störrisch. Es gilt, sich wieder neu zu positionieren. In der Family Flaherty & Co.
„Win Win“ bedeutet zu versuchen, dass es über eine Doppelsieg-Strategie keinen Verlierer gibt. Dass beide Seiten von einer Auseinandersetzung profitieren. Es geht sozusagen um einen positiven Interessenausgleich. JOHN TIBONI ist seit 16 Jahren Anwalt mit Spezialgebiet Seniorenberatung und –betreuung. Er hat seine Kanzlei 1995 in seiner Heimatstadt New Providence in New Jersey eröffnet, wo auch der Film spielt.
John Tiboni und Tom McCarthy sind seit Kindheitstagen befreundet und waren auch zusammen im High School-Ringkampfteam. Gemeinsam entwickelten sie das Drehbuch zum Film „Win Win“. Einer Geschichte um bescheidene wie clevere Mauscheleien im Dasein kleiner Leute. Die imgrunde kein Interesse daran haben, irgendwelche „Dummheiten“ zu machen. DIE aber DIE dann doch machen müssen, „begrenzt“, in Maßen, um ihre Existenz zu sichern und sich halbwegs wieder auf „stabil“ zu loten. Denn wie schon die anderen Figuren in den Filmen von Tom McCarthy, ein kleinwüchsiger Bahnhofsneubesitzer in der Provinz und ein integerer Professor mit illegalen Immigranten in seiner New Yorker Wohnung, handelt es sich bei „seinen“ Beteiligten weder um aufrührerische Rebellen noch um toughe Lebensclowns. Sondern um normale moralische Menschen. Die sich ihr gewolltes, aber abhanden gekommenes Gut-Sein erst wieder irgendwie neu „hinbiegen“ (müssen), um weiterhin halbwegs überschaubar existieren zu können. Vernünftig. Richtung mehr Spaß als Sorgen haben.
Nach „Barney’s Version“ in der Kinopremieren-Vorwoche nun also gleich ein weiterer Auftritt dieser grandiosen „prickelnden Durchschnittsvisage“ PAUL GIAMATTI. Der seinen amerikanischen Otto Normalbürger einmal mehr mit charmanter Würde, mit gut dosierter schwarzhumoriger Körpersprache und proll-eleganter Diplomatie ausfüllt. An IHM bleibt man gerne dran. Folgt ihm. Läßt man sich gedanklich, seelisch einspannen. Während um ihn herum ein feines Ensemble agiert. DIE dem Rampenantihelden schlitzohrige Stichworte liefert.
„Win Win“, der Film, ist etwas für Genießer. Von vielen Kleingut-Gedanken. Auf Tom McCarthy und seinen Filmen gilt es weiterhin (SEHR) zu achten (= 3 ½ PÖNIs).