Damals wurde er nie ernst genommen. Oder gewürdigt. Er, der Sohn eines Bildhauers, Malers und Kameramanns, war halt jemand, der mit wenig Budget „billige Filme“ drehte. Konsumkino-Produkte zum Schnell-Verwerten. Er war in vielen Genres wie Horror-, Sandalen- und Kriminalfilm tätig. Sein bekanntester Film entstand 1960: „Die Stunde, wenn Dracula kommt“, ein atmosphärischer Schwarz-Weiß-Film, mit dem Barbara Steele zur Ikone des Horrorfilms wurde und der eine Welle von italienischen „Gothic-Movies“ auslöste. Mit seinem nächsten Film, in Farbe gedreht, „Vampire gegen Herakles“ (1961), sollte die ausgeklügelte Farb-Dramaturgie fortan zu seinem unverkennbaren Markenzeichen werden. Heute wird das Gesamtwerk des italienische Drehbuch-Autoren, Kameramanns und Regisseurs MARIO BAVA (31.7.1914 – 25.4.1980) cineastisch betrachtet und ausgewertet; und er selbst wird als wegweisender Genre-Regisseur hofiert. Die Zeit hat MARI0 BAVA zu einem „Klassiker“ gemacht.
1974 beendete Mario Bava die Dreharbeiten zum Thriller „Cani Arrabbiati“. Titel für den Ami-Markt: „Rabid Dogs“. Titel für Deutschland: „Wild Dogs“. Weil kurz darauf die Produktionsfirma Konkurs anmeldete, verschwand der Film. Nachdem sich sein Sohn Lamberto Bava jahrelang erfolglos um die Rechte bemühte, gelang dies erst 1996 einem deutsch-italienischen Label. Seitdem sind mehrere Versionen des Films erschienen. Eine, von Lamberto Bava und seinem Sohn Roy Bava hergestellt, existiert (seit 2002) bislang nur im englischsprachigen Raum unter dem Namen „Kidnapped!“. Im deutschsprachigen Gebiet erschien im März 2016 unter dem Titel „Rabid Dogs“ eine weitere Version des Films von damals, die ungekürzt die FSK-Freigabe ab 16 Jahren erhielt. (Werde ich mir demnächst ansehen).
2014 schuf der französische Drehbuch-Autor und Debüt-Regisseur ÉRIC HANNEZO ein Remake. Premiere war im Vorjahr auf den Filmfestspielen von Cannes; danach lief der Film hierzulande auf dem vorjährigen „Fantasy Filmfest“ und wurde dort begeistert aufgenommen. Trotzdem langte es nicht für einen „regulären“ Kino-Start, so dass dieses großartige B-Movie jetzt bei uns gleich beim Heim-Kino platziert wurde:
„WILDE HUNDE – RABID DOGS“ von Éric Hannezo (B, Co-Produzent + R; Fr/Kanada 2014; K: Kamal Derkaoui; M: Laurent Eyquem; 94 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 04.05.2016).
Schon der Vorspann. Erinnert in seiner ausgeklügelten blutroten Farblichkeit an Mario Bava. Motto: Da schart jemand mit den Hufen. Kratzt auf blutrotem Mauerwerk. Eine fiebrige Stimmung, auch musikalisch gleich „auf Speed“ getrimmt; eine fiebrige Atmo. Man ist sofort „drin“. In diesem Thriller-Rhythmus. FREITAG, 16.20 Uhr. Ein nervöser Autowagen-Fahrer. Wartet. In einer dunklen Limousine. Großstadt. Straßenecke. Natürlich ist hier „was im Gange“. Ein Banküberfall. Farb-Raketen. Explosionen. Maskierte Männer rennen mit Säcken voller Geld auf das wartende Auto zu. Die Polizei ist ihnen auf den Fersen. Eine Jagd beginnt, der Anführer der Räuber stirbt. Jetzt sind „die Rest-Drei“ auf sich allein gestellt. Sie müssen den Wagen wechseln. Drei Geiseln werden gefangen genommen. Eine Frau, ein Mann, seine schlafende, mit Medikamenten vollgepumpte kleine kranke Tochter. Diese muss umgehend ins Krankenhaus. Zur lebensrettenden OP. Transplantation. Man hatte den Vater angerufen. Doch „dafür“ haben die Gangster keine Zeit. Die Polizei ist ihnen auf den Fersen. Jetzt befinden sie sich gemeinsam auf einem Trip, der sie zu außergewöhnlichen, kuriosen, fatalen Standorten (wie dem 73. „Fest der Bären“, in einem abgelegenen Dorf) und eigenwilligen Menschen führen soll.
Die Dinge sind nie so wie sie zu sein scheinen, heißt es einmal im Film. Gedanklicher wie dramaturgischer Richtig-Wegweiser für einen Film, der buchstäblich fetzt. In den guten Unterhaltungsbauch knallt. Auch musikalisch wühlt. Als Action-Thriller-Hammer mit dann Western-Holzhütten-Geschmack a la Tarantino („The Hateful 8“) bestens psycho-duftet. Weil das exzellent zusammengefügte Figuren-Ensemble phantastisch fauchend abgeht wie Schmidts mörderische Katze: Raffiniert, mit wütenden Krallen, immer auf Hab-Acht-Stellung. Nichts ist hier vorhersehbar, und das treibt die (An-)Spannung auf Nervenhitze. Kocht die Emotionen hoch. Am SAMSTAG um 07.22 Uhr schließlich das Finale. Vollkommen verblüffend, originell, unglaublich. Aber: Pointen-Schlüssig. Irre. Toll.
Das Ensemble begeistert: VIRGINIE LEDOYEN („8 Frauen“), GUILLAUME GOUIX („Midnight in Paris“), FRANCOIS ARNAUD („Die Borgias“) und LAMBERT WILSON („Von Menschen und Göttern“) sowie FRANCK GASTAMBIDE als labiler Manu-Gangster bilden eine imposante, überzeugende Crew, bei der man nie weiß wie sie sich im nächsten Moment positioniert und wie sie überhaupt reagieren wird. So fesselnd dargeboten wird „das“ hier.
„WILDE HUNDE – RABID DOGS“ hätte auch im hiesigen (Off-)Lichtspielhaus prächtig punkten können. So aber begegnen wir im heimischen Kino einer Premium-Emotion, die sich klasse sehen lassen kann. Als Heim-Kino-Muss für B-Movie-Genießer (= 4 1/2 PÖNIs).
Anbieter: „Tiberius Film“