„WER WENN NICHT WIR“ von Andres Veil (B+R; D 2010; 124 Minuten; Start D: 10.03.2011); der 51jährige Stuttgarter ist einer der renommiertesten Dokumentartfilmer bei uns. Hat für seine Werke wie „Die Überlebenden“ (1996), „Black Box BRD“ (2001 und „Die Spielwütigen“ (2004) mehr als 30 Preise und Auszeichnungen bekommen (Deutscher Filmpreis; Adolf-Grimme-Preis; Preis der Deutschen Filmkritik).
Sein erster Spielfilm beschäftigt sich mit DEM deutschen Terror-Alt-Thema: Der RAF und ihrem ersten Führungspersonal. Blickt auf die muffigen sechziger Deutsch-Jahre zurück, auf die Verbindung Gudrun Ensslin und Bernward Vesper. SIE kommt aus einer evangelischen Pfarrersfamilie, war das 4. von insgesamt 7 Kindern, wuchs in Tübingen auf. ER, Sohn des NAZI-Schriftstellers Willi Vesper, kommt zum Studium nach Tübingen. Man lernt sich kennen und lieben. Baut einen eigenen Verlag auf. Mit „anderen Schriften“. In der Enge der schwäbischen Provinz. Das neue politische Denken. Und handeln. Aufbruch liegt in der Luft. Auch privat. Man gibt sich „locker“. Ob zu zweit oder zu dritt. Dieses Gefühl, ein anderes Leben ist möglich, ein gerechteres. Die Töne werden lauter. Innen wie draußen. Die ersten selbstzerstörerischen Motive. Man WILL, weiß aber noch nicht WIE. 1964 beginnt der Neuanfang. In West-Berlin. Wo die Linke sich trifft. Artikuliert. Und ein Andreas Baader hinzustößt. Für Bernward wird es in dieser „offenen Klein-Familie“ eng. Zu eng. Während er sich im Wahnsinn verliert, begeben sich Ensslin & Baader in den Untergrund.
Andres Veil, der sich an dem Buch „Vesper, Ensslin, Baader – Urszenen des deutschen Terrorismus“ von Gerd Koenen aus dem Jahr 2003 orientiert, bildert dies statisch auf. Ziemlich langweilig. Maschenhaft. Erst die populären Songs von damals, als Aha-Hinweis, dann die dazugehörigen Wochenschau-Bilder, als wieder Viel-Aha!, dann die jungen, hitzigen Streit-Menschen. Inmitten der reaktionären BRD-Kultur. Sagt und zeigt der Film überdeutlich. Immer mit demselben Ritual.
Dass dabei einmal die „lustvollen Kommentare“ eines US-Fliegers aus einem Schwarz-Weiß-Dokument, der gerade „freudig“ Bomben auf Vietnam abwirft, mehr erschrecken und wütend machen als die eigentlichen Handlungs- und Erzählsträger, ist bezeichnend: Veils Spielfilm ist einfach viel zu trocken. Theoretisch. Gutwillig, aber kino-lau. Sicherlich gut recherchiert, historisch abgeklopft, aber mehr zaghaft inszeniert. Fremd bleibend. Wenig wirklich berührend. Mit nur begrenzter Neugier. Und Anteilnahme. In einer Art Ja-Gut-Egal-Stimmung. Mit dauerpaffenden Klugscheißern. Die einem wurscht sind und bleiben. Elitäre wie anonyme Intellektuelle, die „das Volk“ umstimmen wollen, aber keinerlei Bezug „zu dem“ haben/kriegen. Und deshalb ewig quatschen und dazu viel rauchen. Überraschungen ausgeschlossen.
AUGUST DIEHL, 34, strampelt sich ab. Kotzt sich buchstäblich bemüht aus. LENA LAUZEMIS, Ensemblemitglied bei den Münchner Kammerspielen, ist nach Barbara Sukowa („Die bleierne Zeit“ von Margarethe von Trotta/1981), Sabine Wegner („Stammheim“ von Reinhard Hauff/1986/“Goldener Berlinale Bär“), Corinna Kirchhoff („Die Reise“ von Markus Imhoof/1986), Anya Hoffmann („Todesspiel“ von Heinrich Breloer/TV 1997), Laura Tonke („Baader“ von Christopher Roth/2002), JOHANNA WOKALEK („Der Baader Meinhof Komplex“ von Uli Edel/2009) die „neue“ Film-Gudrun Ensslin und überzeugt mit differenziertem Körper- und Seelenspiel. Der gerade als „Shooting Star des europäischen Films“ hofierte 29jährige ALEXANDER FEHLING (neulich der poppige „Jung-Poet“ in Philipp Stölzls Film „Goethe!“) dagegen bleibt als Andreas Baader-Schönling blass und wirkungslos.
„Wer wenn nicht wir“ schwappt absichtsvoll, aber kraftlos durchs deutsche Kino-Ländle (= 2 ½ PÖNIs).