THE WALK

THE WALK“ von Robert Zemeckis (Co-B + R; USA 2014; Co-B: Christopher Browne; K: Dariusz Wolski; M: Alan Silvestri; 123 Minuten); mit ROBERT ZEMECKIS, 63, verbinden sich wunderbare Kino-Erinnerungen. Als da u.a. wären: „I Wanna Hold Your Hand“ (Debüt 1978); „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“; die „Zurück in die Zukunft“-Trilogie; natürlich „Forrest Gump“ („Oscar“); „Cast Away – Verschollen“; „Der Polarexpress“. Zemeckis ist – wie sein Freund Steven Spielberg – das erwachsene „Kind“, das gerne phantasievoll-vergnüglich spielt, sprich: unterhaltsame Filme herstellt. Meistens jedenfalls.

Ein Bruder im Geiste von Robert Zemeckis ist der französische Hochseilartist, Pantomime und Jongleur PHILIPPE PETIT. Der am 13. August 1949 geborene Performance-Künstler ist für seine „Spektakel“ weltberühmt. 1971 balancierte er zwischen den Kirchentürmen von Notre Dame; zwei Jahre später, „hoch oben“ und ohne Netz gesichert, zwischen den Brückentürmen der Sydney Harbour Bridge. Sein Meisterstück aber lieferte er am Mittwoch, den 7. August 1974 ab – übrigens einen Tag vor der Rücktrittsankündigung von US-Präsident Richard Nixon -, als er in einer Höhe von 417 Meter über New Yorker Boden mit Balancierstange und ohne Sicherung auf einem 1 Zoll starken Drahtseil zwischen der 61 Meter Lücke zwischen den Zwillingstürmen des – offiziell noch nicht eröffneten – World Trade Centers insgesamt acht Mal „herumspazierte“.

Philippe Petit schrieb über seine weltweit Aufsehen erregende Aktion ein Buch, das unter dem Titel „To reach the Clouds – Man on Wire“ 2008 herauskam und Grundlage für den Dokumentarfilm „MAN ON WIRE“ von James Marsh war, der eine Vielzahl von internationalen Preisen bekam und 2009 mit dem „Oscar“ als „Bester Dokumentarfilm“ prämiert wurde.

Robert Zemeckis erzählt die Geschichte dieses „ungeheuerlichen“ Drahtseilakts nun noch einmal, diesmal aber als Spielfilm. Am Anfang turnt der junge Philippe Petit (JOSEPH GORDON-LEVITT) auf den Straßen von Paris herum und führt artistische Kunststückchen vor. Ein Besuch beim Zahnarzt und ein Zeitschriften-Bild der New Yorker Twin Towers sind der Auslöser für seine Vision: Einmal zwischen diesen beiden gigantischen Türmen hin- und her zu wandeln. Der Weg vom ersten Gedanken bis zur Verwirklichung wird sechs Jahre Vorbereitungszeit benötigen und füllt die erste Film-Stunde. Stichworte: Abnabelung vom „engen“ Elternhaus; Auftritte im Zirkus, wo er auf seinen Lehrmeister, dem Hochseilexperten „Papa Rudy“ (BEN KINGSLEY), trifft; die Begegnung mit Straßenkünstlerin Annie (CHARLOTTELE BON), die zur Lebenspartnerin und Komplizin wird; das Finden eines überschaubaren Teams, das bereit ist, ihn durch das illegale Dick und Dünn zu begleiten. Schließlich: Die schwierigen Vorbereitungen vor Ort. Thema: Wie kriege ich das schwere Stahlseil und das gesamte Eisen-Material (wie Pfeil und Bogen) unbeobachtet ganz nach oben. An den zahlreichen Handwerkern und dem Aufsichtspersonal vorbei.

Aus der anfänglichen „leichten Tonart“ des Films, mit Philippe als erzählendem Begleiter, entwickelt sich nach und nach aus einem vermeintlichen (und so Off-kommentierten) Schelmenstück ein ungemein tollkühnes Unterfangen. Das mehr und mehr an den Nerven der Beteiligten kratzt. Was eben noch planerisch bestens „funktionierte“, wird nun zur komplizierten Umsetzung eines schieren Alptraums. Dabei als Antreiber: Der euphorische Philippe Petit, den nun keine Gegenargumente mehr erreichen, den nun nichts und niemand mehr auf- bzw. abzuhalten vermag.

Es gibt 3 D-Filme, in denen die dreidimensionale Darstellung und vor allem ihre Wirkung (mit der Spezialbrille) ausgesprochen lästig bis oft überflüssig sind. Hier aber ist 3 D berechtigt und entwickelt vollste, packende Sinne-Wirkung. Wenn sich „The Walk“ von einer „charmanten Spinnerei“ mit komödiantischem, bisweilen betulichen Touch zu einem handfesten Thriller dreht. Wenn die „akuten“ Stunden und Minuten anbrechen. Und aus Spaß lebensgefährlicher Ernst wird. Was Robert Zemeckis in der letzten halben Stunde inszeniert, ist die volle Kanne Nervenanspannung. Mit akutem Schweißhände-Gänsehaut-Appeal. Als ungewöhnliche wie außergewöhnliche körperliche Spannungserfahrung auch für den Zuschauer. Der mit in den Abgrund blickt. Und augenmäßig quasi mit Petit auf dem Seil mit-„hantiert“. Für Höhenangst-Personal eine ausgesprochen pointierte Kino-Erfahrung. Die an Gefühls- und Empfindungsgrenzen klopft. Und immer mit der bürgerlichen Sinnfrage im Hinterkopf einhergeht: Warum tut sich ein Mensch bloß so etwas „Bescheuertes“ an?

Es ist jedenfalls SEHR viel schöner, sich ein solch phantastisch-verrücktes Welt-Spektakel im faszinierenden 3 D-Kino anzuschauen als etwa selbst daran teilzunehmen (= 4 Angsthasen-PÖNIs).

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