DER VIDEOFILM („DeutschlandRadio/Berlin/Galerie“/28.10.1996)
Längst nicht mehr der filmische „Reste-Verwerter“ wie am Anfang seiner Einführung. Zu Beginn existierte der VIDEO-Film in Form von Leih- und Kaufkassetten. Danach wurde er im Bezahlfernsehen ausgewertet, bevor er schließlich im frei empfangbaren Fernsehen gesendet wurde. Mittlerweile “rechnet“ sich also fast jeder Film.
Dabei müssen wir unterscheiden zwischen wirtschaftlichen, also kommerziellen und künstlerischen Aspekten.
Zum ersten Aspekt: 1995 erzielten die großen amerikanischen Studios 53% ihrer Einnahmen auf dem Video-Sektor. 27% entfielen/erzielten die Kino- bzw. die Verleiheinnahmen. 18% holten sich die amerikanischen Traumfabriken vom Fernsehen. Zahlen: Die weltweiten VIDEO-Einnahmen lagen für den Verband aller großen US-Filmgesellschaften 1995 bei 8,6 Milliarden Dollar (gegenüber 7,6 Milliarden Dollar 1994). In Deutschland schnellte der Umsatz sogar um 36% an: Mit fast 42 Millionen verkauften Videos wurde erstmals mehr als 1 Milliarde Mark umgesetzt (fast doppelt soviel wie vor 3 Jahren). Der Grund: Neue Vertriebswege (Kaufhäuser, Mediamärkte, Einkaufsläden) und besseres Marketing. VIDEO-Kaufhit Nr.1: Disney‘s “DER KÖNIG DER LÖWEN“: Weltweit 55 Millionen verkaufte Kassetten brachten rund 300 Millionen Dollar ein. Und: Rund 4000 Kinos/Leinwände stehen hierzulande 6.200 Videotheken inzwischen gegenüber.
Beim zweiten Aspekt ist zu beachten, dass es zwar immer mehr Kinos/Leinwände gibt, aber: Die meisten wollen am liebsten nur die “MEGA-Filme“ spielen (siehe “Independence Day“ mit rund 900 Kopien neulich). Das bedeutet: Immer mehr Kinos/Leinwände, aber immer auch jährlich weniger Filme. Viele hochqualifizierte Filme, die früher selbstverständlich dem hiesigen Kino angeboten wurden, kommen heute bei uns gleich als “deutsche Erstaufführung/Video-Premiere“ auf Kassette heraus. Dabei sind für den Video-Interessenten natürlich riesige Entdeckungen zu machen.
Als Videopremieren sind beispielhaft folgende Titel zu empfehlen: „OTAKU“ von Jean-Jacques Beineix (“Diva“); 53 Minuten WDR-TV am 13.10., jetzt komplette Version von 168 Minuten. Ein brisanter Dokumentarfilm über junge “Verweigerer“ in der japanischen Überflussgesellschaft. Diese ziehen sich in die virtuellen Welten von Computerspielen, Zeichentrick-Pornos und Comics zurück, kommunikationsunfähig “leben“ sie am Bildschirm: Kämpfen, sprechen, duellieren sich mit Maschinen. Installieren neue Programme, sammeln Informationen und Videos, lehnen jedweden Kontakt zu Eltern, Erziehern, Freunden und Gleichaltrigen ab. Anfangs als “Verrückte“ exotisch belächelt, sind sie inzwischen eine “Bewegung“. Eine Dokumentation zwischen Faszination und Ekel; das Ein- und Abtauchen in eine neue, arme Welt und Lebensform. „GEGEN DIE ZEIT“ von John Badham (“Nur Samstag Nacht – Saturday Night Fever“) ist ein exzellenter Thriller mit Johnny Depp und Christopher Walken. Depp spielt den unauffälligen Büroangestellten Gene Watson. Wird mit seiner Tochter am Bahnhof von Los Angeles abgefangen. Tochter als Geisel. ER soll innerhalb der nächsten 90 Minuten, so lange, wie auch der Film dauert, eine hochrangige Politikerin umbringen. Weil sie offensichtlich für einige der herrschenden “Lobbyisten“ zu liberal auftritt. Gene wird permanent beobachtet, kann kaum auf Hilfe hoffen. Spannender Psycho-Thriller, der in seiner Dramatik und in seinem Nervenkitzel an Alfred Hitchcock erinnert (“Der unsichtbare Dritte“).
Absolute Kino-Qualität.