Die „Ufa Fabrik“ für „Rias Berlin“ 1986
Texte aus alten Broschüren hören sich bekanntlich immer am schönsten an. In unserem Fall ist aus dem Band “Die Filmstätten in Berlin-Tempelhof“, irgendwann in den Fünfzigern erschienen, folgende Einleitung zu entnehmen: “In Tempelhof um die Jahrhundertwende, zwischen sandigen Exerzierplätzen und Schrebergärten, hegten und pflegten unentwegte Optimisten ein Pflänzchen, das noch nicht einmal einen Namen, aber bereits eine Zukunft hatte, und das sich zu einer der buntesten Blumen im Garten der Lebensfreude entwickeln sollte. Hier vor den Toren Alt-Berlins war der Pflanzgarten des Films. Viele hundert Filme wurden hier bis 1945 gedreht, geschnitten, entwickelt und kopiert. Ausgestattet mit aller Großzügigkeit, belebt von der Begeisterung und dem Tempo der Berliner Filmschaffenden, war Tempelhof ein Begriff für die Welt des Films“.
Ja, so klang das vor über drei Jahrzehnten, kurz nachdem alles zu Bruch gegangen und schon wieder aufgebaut war. Denn: “Heute gehört das Filmstudio Tempelhof mit seiner neuzeitlichen Ausrüstung und einer Stammbelegschaft von 250 Personen wieder zu den größten und leistungsfähigsten Filmproduktionsstätten Deutschlands“.
Aber dieser Optimismus hielt nicht lange, bald darauf war hier in Tempelhof Schluss mit Produktion und Synchron, lag das schöne, rund 20.000 m2 große Gelände brach, nichts passierte hier mehr. Der Verwaltungsbezirk mit den Stadtteilen Mariendorf, Marienfelde und Lichtenrade, 187.000 Einwohner, etwa so groß wie Mainz also, wurde zur kulturellen Wüste, wo das heimische Kunstamt mit dem 36.000 Mark-Etat keinerlei Probleme hatte. Dann, in der Stadt waren gerade Abriss und moderner Beton-Aufbau angesagt, besetzten ein 9. Juni 1979 mehrere alternative Gruppen das leerstehende und vom Abriss bedrohte Areal und erklärten es zur UFA-Kultur-Fabrik. Damals waren Besetzungen an der Tagesordnung, also regte das niemand sonderlich auf. Die meisten gaben “der Kommune“ keine Überlebenschance und ließen “die Spinner“ erst mal machen. Und die “machten“ dann auch was, und wie. Der Rest ist bekannt und klingt wie eine glücklich ausgehende Geschichte.
Heute gilt die UFA-Fabrik im In- und Ausland als ein überzeugendes Modell für die Verknüpfung von Leben, Arbeit und Kultur. Als ein Stück naturwüchsiges alternatives Leben in der Großstadt, als ein erfolgreiches unabhängiges Kulturzentrum, als ein funktionierendes Selbsthilfeunternehmen, als Begegnungsstätte für Jung und Alt von nah und fern.
Kürzlich wurde die Besetzung nach zähen Verhandlungen zwischen den UFA-Leuten und dem Land Berlin durch ein Erbpachtvertrag legalisiert – die Fabrik in Tempelhof für Kultur, Sport kann nun auch im Stadtführer von Westberlin ausgewiesen werden.