TSCHICK

TSCHICK“ von Fatih Akin (Co-B + R; D 2015; Co-B: Lars Hubrich, Hark Bohm; nach dem gleichn. Roman von Wolfgang Herrndorf/2010; K: Rainer Klausmann; M: Vince Pope; 93 Minuten; Start D: 15.09.2016); gutes, handwerklich sauber-schmutziges amerikanisches Deutsch-B-Kino. Schnörkellos, furios, gerade-aus, besser -weg. Natürlich: der Kids-Klassiker „Stand by Me“ (s. Kino-KRITIK) streift die Film-Erinnerung, aber „Tschick“ bedeutet – Ton, Bewegung und Power-Rotz von heute.

Maik (TRISTAN GÖBEL) ist 14 und Außenseiter. Frustriert vom „gut-bürgerlichen“ Villen-Zuhause, wo niemand ist. Mama befindet sich in der Entzugsklinik, der Papa geht gerade Urlaubs-„fremd“. In der Schule trifft er auf den gleichaltrigen Tschick (ANAND BATBILEG). Der gilt als „schwierig“ und wohnt in irgendeinem Hochhaus-Silo in Marzahn. Am Berliner Rand. Der ist doch nicht ganz dicht, lautet die allgemeine Klassen- und Schul-Meinung. Schon, wie der mit einer Art Irokesen-Frisur „abhebt“. Tschick ist das egal, hat mit seinen 14 Jahren schon viel erlebt, und das Meiste davon war sicherlich wenig „anständig“. Ferien. Was tun? Maik langweilt sich. Tschick taucht mit geklautem Kleinwagen auf und besteht auf einen Trip. In die Walachei. Ohne Karte oder Wegweiser. Oder Navy. Einfach schnell mal so.

Klar doch: Der Osten lebt. Wild und unerwachsen. Provinziell. Man brettert durch Maisfelder, tritt auf der Autobahn voll aufs Pedal, begegnet Dorf-Polizisten, die den Namen zu Recht tragen und trifft auf eine Hippie-Familie. Mit Willkommens-Kultur. Dazu stakst Isa (MERCEDES MÜLLER) aufmüpfig in ihr Leben. Voll mittenmang. Auf einer Müllhalde. Absolut passend.

Der erste beste Sommer ihres Lebens. Maik & Tschick ziehen ihn bzw. es durch. Das Neugierig-Sein, das Machen-Wollen, das mit dem Abenteuer-Probieren. Ohne erklärtes Heldentum, nur mit dieser instinkthaften Vibration der Jugend. Ich mache was, also bin ich. Etwas. Wert. Existiere. Irgendwie. Fatih Akin („Goldener Berlinale-Bär“ 2004 mit „Gegen die Wand“; „Soul Kitchen“) schmutzt lässig in warmen Sommer-Farben, hält mal spielerisch an einem Stausee, in Wäldern oder an einer mühsam zusammengehaltenen Holzbrücke an, um von Unsicherheit, Leichtsinn und jungenhaftem Vergnügen zu erzählen.

„Als erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee“: Mit diesem Satz beginnt der zweite Roman des früheren „Titanic“-Illustrators Wolfgang Herrndorf (12.6.1965 – 26.8.2013). Die Geschichte über die ungewöhnliche Freundschaft eines 14jährigen Außenseiters mit einem gleichaltrigen Spätaussiedler aus Russland, die sich mit einem geklauten Lada auf das erste Abenteuer ihres Lebens einlassen, traf einen Nerv und entwickelte sich unmittelbar nach seinem Erscheinen im Jahr 2010 zu einem literarischen Senkrechtstarter. Bis heute wurde „Tschick“ über 2,2 Millionen Mal verkauft, wurde in mehr als 25 Ländern veröffentlicht, häufte zahlreiche renommierte Literatur-Auszeichnungen ein, darunter den „Deutschen Literatur-Preis“, wurde für das Theater adaptiert, wo „Tschick“ in der Saison 2014/2015 zum meistgespielten Stück auf deutschen Bühnen avancierte.

Auch die Musik „verhält“ sich originell, schwankt zwischen „Fraktus“ („Affe sucht Liebe“) über „Bilderbuch“ („Willkommen im Dschungel“) bis hin, unglaublich komisch-wirkend, zum schnulzig-passenden Klavier von Richard Clayderman („Ballade Pour Adeline“).

Tristan Göbel & Debütant Anand „Tschick“ Batbileg: Die Jungs passen. Sind keine langweiligen Text-Aufsager, sondern spannende, charismatische Typen mit viel Präsenz. Sich eingemeindend in die Rüpel-Verwandtschaft von „Tom Sawyer & Huckleberry Finn“ (von Mark Twain).

Auch Wolfgang Herrndorf wäre mit dieser Adaption seines Bestsellers sehr zufrieden gewesen (= 4 PÖNIs).

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