TROMMELBAUCH

Gute, also unterhaltsame wie wertvolle KINDERFILME sind selten. Ein solcher ist jetzt bei uns als „Erstaufführung“ fürs Heimkino im Angebot. Er hat zwar schon einige Jahre auf dem Filmbuckel, wirkt aber alles andere als altmodisch. Warum er es hierzulande nie ins reguläre Kinoprogramm geschafft hat, ist unerklärlich. Eher unfassbar. – Vielleicht, weil er aus Holland stammt? – Denn er ist als FAMILIENFILM richtig toll, wurde 2012 sogar mit dem „Europäischen Kinderfilmpreis“ ausgezeichnet und bekam von der hiesigen Film- und Medienbewertung (FBW) das Prädikat „Besonders Wertvoll“:

TROMMELBAUCH“ von Arne Toonen (NL 2010; B: Luuk Van Bemmelen, Mischa Alexander Wijo Koek; basierend auf den „Dik Trom“-Kinderbüchern von Cornelis Johannes Kieviet; K Jeroen De Bruen; M: Erik Jan Grob; 89 Minuten; Heimkinoveröffentlichung: 03.07.2014).

Vorweg – sehen Sie sich diesen Film auf (gar) keinen Fall hungrig an. Dies könnte zur häuslichen Filmunterbrechung und zur sofortigen Suche nach „(un-)geeigneter Nahrung“ führen. Für die Einwohner von Pummelstadt ist es selbstverständlich, sich täglich und beinahe ständig mit kalorienfreundlichem „Futter“ zu befassen. Na gut, deshalb sind sie auch nicht gerade schlank, um nicht zu sagen, sie sind schon gewiss rundlich. Dem Städtchen-Namen sozusagen verpflichtet. Dafür aber sind sie auch ständig gut drauf. Eigentlich immer gut gelaunt. Viel mampfen sorgt offensichtlich auch für oftmaliges und lautes Lachen. „Ein gesunder Geist wohnt im rundlichen Körper“, lautet hier das Lebensmotto.

Die Familie Trommel ist besonders…happy. Papa kreiert als Bäcker und Genussmensch leckere Speisen. Wovon ganz offensichtlich sowohl seine Gattin wie auch Sohn Dik profitieren. Ein gemütlicher, gutmütiger Bengel. Doch der Papa träumt von „mehr“, sprich: vom eigenen Restaurant. Als er die Möglichkeit bekommt, seine eigene Futterstätte im nachbarlichen Dünnhausen zu errichten, ist der Umzug beschlossene Sache. Dabei merken die etwas naiven Pummelstädter zunächst nicht, dass hier alles „anders `rum“ verläuft. In Dünnhausen wird fortwährend SPORT ge- und betrieben. Trimmen ist dauer-angesagt. Sogar in der Schule, wo die Füße der Kinder auf Rollen in ständiger Bewegung sind. Sein müssen. Kein Gramm zu viel, ist hier gesellschaftliche Vorgabe. Maß-Figuren sind an der Tagesordnung. Man kann auch sagen: ALLE sehen fast gleich – dünn (und „sportlich“ weiß gekleidet) – aus. Entsetzlich gesund. Und sind mehr stinkig drauf als wohlgelaunt. Denn man muss immer, in jedem Moment, aufpassen, ja nicht mit Kalorien in Berührung zu geraten: „Du bist dicker geworden“, gilt in Dünnhausen als Schimpf- und Schande-Tadel. Dementsprechend wird hier auch „anders“ gegessen. GANZ anders. Und ehe Papa Trommel sich versieht, bekommt er die Ablehnung der Gemeinde zu spüren: „Ihr Lokal ist eine Gefahr für die Gesundheit!“, lautet die intolerante Abfuhr. Zugleich hat füllige Dik in der Schule die Hänseleien seiner dünnen Kameraden auszuhalten. Zudem hat es ihm die schlanke kleine Balletttänzerin Lieve angetan.

Die ist auch an der Kontaktaufnahme mit Dik durchaus interessiert, doch deren Mutter, Frau Schlager, ist die schlimmste der Aktivisten gegen die neue Lokalität der Trommels. Ach ja, und dann gibt es da noch den „dünnen“, hässlichen Zahnspangen-Konkurrenten Viktor aus der Klasse. Der „wg. Lieve“ mit fiesen Tricks hantiert. Und Dik in die emotionale Trauer treibt. Für die Familie Trommel kommt es buchstäblich „ganz dicke“. Da kann Papa noch so trommeln von wegen der inneren Werte, die doch wichtiger sind, oder behaupten, „wir sind vielleicht dick, aber dafür sind wir glücklich“: eine genormte „Schönheit“, notfalls auch von Dr. Absauger unterstützt, ist hier das schlanke Maß aller Bürger-Dinge. „Diese Skelette“, wütet der Papa verbal und sieht sich in die wirtschaftliche Enge getrieben. Soll man aufgeben? Oder sind die Bemühungen seiner korpulenten Gattin, sich anzupassen und mit dem dynamischen Sportstudio-Macker von Gegenüber zu kooperieren, vielleicht der richtige Neu-Weg? Anstatt auf Zucker & Sahne nun auf Schlankmacher Tofu & Gemüse zu setzen? Um „gleich“ und „anerkannt“ zu werden???

Spiel, Spaß, Freude, Denken. Amüsement pur. Weil die Holländer dies nicht verblöden, sondern liebevoll und stimmungsprächtig umsetzen. Mit viel Lust am fröhlichen Augen-Schmaus. Und komischen Fragezeichen in Sachen „richtige“ oder „korrekte“ oder überhaupt: ERNÄHRUNG. Ess-Genuss. Was ist erstrebenswert, was nicht? UND: Gibt es Regeln zum Aussehen? Von wo und von wem? Und WIESO? Eigentlich?

„Trommelbauch“ ist eine warmherzige und sympathisch-hintergründige Komödie. Zu Freundschaft, Toleranz und erwachsenen Kindereien. Die Bilder sind kunterbunt; die Schauspieler in ihren charmant-schrillen Charakteren angenehm- unangestrengt- locker, nie überzogen oder zu albern (MARCEL MUSTERS & EVA VAN DER GUCHT als Eltern), und auch die Kinder sind spielerisch lässig mit von der originellen Party (MICHAEL NIERSE als Dik Trom ist ein köstlicher Genießer). Das musikalische Dessert am Ende ist knackig.

„TROMMMELBAUCH“ ist ein dick empfehlenswerter Film für Spaßvögel jedweden Alters (freigegeben ab 0 Jahren).

Anbieter: „Tiberius Film“

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