PÖNIs: (5/5)
LEBENDIG: KUNST MIT SCHMACKES. Titel = „THE FRENCH DISPATCH“. Die französische Depesche. Von WES ANDERSON (B, Produktion + R); D/USA/Fr 2019; 108 Minuten. Ich dachte, wir seinen längst entfleucht. Dieser Kunst mit Schmackes. Mit speziellem Pfiff. Heutzutage ist der KINO-Reiz doch zu mehr als %-Prozent verbunden mit den Schulmechanismen von einst: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Wobei spätestens nach 33 Minuten eigentlich klar und deutlich ist, was ist, wer ist, wer schurkische(r) ES ist, und wie kriegen wir das Böse plausibel eingefangen. Nach 90 bzw. Folge-Minuten bestätigen uns die Leinwand-Maestros die – deutlichen – Vermutungen. Absichten. Eben: Der oder Die isses. Sind es. Und dann DAS: WES ANDERSON – geboren am 1. Mai 1969 im texanischen Houston – taucht wieder einmal auf. Wir kennen ihn durch besonders „andere“ Spielfilme wie „GRAND BUDAPEST HOTEL“ (2014/s. Kino-KRITIK) und „ISLE OF DOGS – ATARIS REISE“ (2018/s. Kino-KRITIK), aber auch über die Anfänge-Movies wie „Die Royal Tenenbaums“ (2001) oder „Darjeeling Limited“ (2007). Wo „das System Kino“ einfach, aber frohlockend umgepolt wurde. Nun aber wird noch eine exotische Schippe draufgepackt. Thema: Wir sehen, erleben, ahnen, empfinden. Aber um GENAU Bescheid zu wissen, müssen wir in „The French Dispatch“ mehrmals rein. Sonst bleibt es beim ewigen guten Geruch.
Um folgendes: Ich wohne jetzt in Frankreich. Und feiere „das Französische“. Mein Film erweckt eine Sammlung von Geschichten aus der letzten Ausgabe einer amerikanischen Zeitschrift (gemeint ist „The New Yorker“), welche in der (fiktiven) Stadt Enni-sur-Blasé zu letztem Leben erweckt wird. Zweitens – warum? Anlässlich des Todes des hochgeschätzten, aus Kansas gebürtigen Verlegers Arthur Howitzer; Jr. (BILL MURRAY) versammeln sich Mitarbeiter von „The French Dispatch“, um einen Nachruf zu verfassen. Drittens – So entstehen vier, von den Erinnerungen an Howitzer geprägte Geschichten. Als da wären: Viertens – Der thematische Überbau: ein Reisebericht von dem radelnden Reporter aus den verrufensten Ecken der Stadt; „Das Beton-Meisterwerk“ über einen geistesgestörten, kriminellen Maler, seine Gefängniswärterin und Muse und seine raffgierigen Kunsthändler; „Korrekturen eines Manifests“ beziehungsweise: eine Chronik von Liebe und Tod auf den Barrikaden, auf dem Höhepunkt der 68er Studentenrevolte; sowie, welch ein Einblick, „Das private Speisezimmer des Polizeichefs“, eine kirre, fesselnde Geschichte über, na bitte, Drogen, Kidnapping und bessere Küche. Fünftens – Über die Jahre hinweg sind die Filme von WES ANDERSON immer komplexer und facettenreicher geworden, sprich: sind die einzelnen Einstellungen immer stärker vollgepackt mit visuellen und narrativen Details und Bezügen. Werte und Emotionen unterliegen dem zeitlichen Wandel. In „The French Dispatch“ wechselt das Bild plötzlich von Schwarzweiß zu Farbe, von Breitbildformat zu Normalformat. Es kann sein, dass plötzlich Untertitel in einer Ecke der Einstellung auftauchen und dass das Gefühlsregister von der Komödie zur Poesie wechselt, also zu tiefsten Sehnsucht. Eben, wir befinden uns mittendrin in einem Erlebnisfilm. Und Sechstens – DAS AUFGEBOT. An klar erkennbaren Stars wie an namhaften Masken-Beteiligten. Sie zu entdecken und zu erleben ist mitreißend. Motto: Die auftauchende Perlen. Wie: BENICIO del TORO; FRANCES McDORMAND; OWEN WILSON (als radelnder Reporter); JEFFREY WRIGHT; ADRIEN BRODY; TILDA SWINTON (mit roter Aura); TIMOTHÉE CHALAMET (als ZEFFIRELLI); LÉA SEYDOUX; OWEN WILSON; MATHIEU AMALRIC oder auch EDWARD NORTON; WILLEM DAFOE; HENRY WINKLER; CHRISTOPH WALTZ (als Paul Duval), aber auch ANJELICA HUSTON (als Erzählerin) und BOB BALABAN sowie CÉCILE de FRANCE (als Mrs. B). LIEV SCHREIBER taucht auf. Sowie II: Andersons Lieblingsbeteiligter BILL MURRAY als HOWITZER; Jr., der verfügte, dass das Magazin „anlässlich seines Todes“ einzustellen ist.
Wir können an diesem Erbe-auswertenden Ensemble süffisant teilhaben, bei und mit ihren erwachsenen Kinderstorys. Denn „THE FRENCH DISPATCH“ ist mehr als EIN Film, ist eine Schatzgrube von Geschichten inmitten von Erinnerungen inmitten von Rahmenhandlungen, die sich optisch-wechselhaft formen. Ein filmisches Kuriositätenkabinett öffnet sich, angefüllt mit dynamisch bewegten Wundertüten, die als Liebesbrief an die Welt der Druckerzeugnisse sich berührend werten lassen. Dabei hochgradig unterhaltend, lecker amüsierend ZU EMPFINDEN verstehen. Tilda Swinton bringt es auf den Punkt: „Es ist Wes´ französischer Liebesbrief an die Internationale der Kultur und an die segensreiche Kunst des unabhängigen Journalismus“. BRAVO (= 5 PÖNIs).