Im Jahre 1987 durfte der studierte Moskauer Pavel Lungin erstmals in den Westen, nach Paris reisen. Als er zurückkam, schrieb und inszenierte er seinen Debütfilm „TAXI BLUES“ von Pavel Lungin (B+R; Sowjetunion/Fr 1990; 110 Minuten; Start D: 04.04.1991). Der gewann im Vorjahr bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis für die “beste Regie“.
Im Mittelpunkt des Geschehens: Ljosa, Saxophonist und Alkoholiker, und der Taxifahrer Schlikov. Der Künstler, der Intellektuelle, und der Arbeiter. Ljosa hat Schlikov um den Fahrpreis geprellt, seitdem sind sie “aneinander gekettet“ wie zwei Sträflinge. Sie können sich nicht ausstehen, dennoch entsteht zwischen ihnen so etwas wie eine Hassfreundschaft, bei der sich die Positionen zwischen Stärke und Schwäche andauernd verwischen. Schlikov ist von dem versoffenen, selbstzerstörerischen Ljosa fasziniert und abgestoßen. Eine neue Welt tut sich für den bislang “einfach“ denkenden und handelnden Arbeiter auf. Eine “freie“ Welt, die ihn ebenso neugierig macht wie anwidert. Die ihn in seiner gradlinigen Lebensphilosophie wanken lässt, die ihn krank macht, aber auch Überlegenheit vermittelt.
“Taxi Blues“ ist eine rüde, spannende, realitätsnahe Bestandsaufnahme von “Mütterchen Russland“ – heute. Geht tief in die Poren und steigt in die Seelen der Menschen, verweist auf gesellschaftliche Unsicherheit und Abgründe in diesem Umbruchsland. Argumentiert aber nicht elitär, abgehoben oder nur symbolhaft, sondern mit bester kommerzieller Erzähl- und Bilderkunst. “Taxi Blues“ ist russisches Hollywood-Kino in bestem Sinne. Und: Besitzt zwei außergewöhnlich überzeugende Hauptakteure. PJOTR MAMONOV, Lead-Sänger der schrägen Rock-Gruppe “Zvouki-Mu“, bringt viel von seiner manischen Persönlichkeit mit ein und spielt den exzessiven Schreihals und Outlaw mit brachialer Gewalt. PJOTR ZAICENKO als Taxifahrer ist ein erregender dampfender Krieger im Ruhestand. Zwei besessene Anti-Helden wie Mickey Rourke oder Robert De Niro in ihren besten Amok-Zeiten.
“Taxi Blues“ von Pavel Lungin, das ist actionreiches, intelligentes Wut-Kino. Mit viel Faust und noch mehr Gehirn (= 4 PÖNIs).