SWEET COUNTRY

„SWEET COUNTRY“ von Warwick Thornton (Australien 2016; B: Steven McGregor; David Tranter; K: Dylan River; Warwick Thornton; 113 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.09.2018); der australische Filmemacher WARWICK THORNTON – Regisseur, Kameramann, Drehbuch-Autor – wurde am 23. Juli 1970 in Alice Springs geboren, wuchs dort auf und schloss dort auch 1994 seine Ausbildung als Kameramann bei der „Central Australian Aboriginal Media Association“ ab. Nach eigenen Aussagen sieht er sich als Filmkünstler in der Tradition der indigenen Erzählkultur. Nach einer Reihe von Kurzfilmen – wie „Green Bush“, der 2005 bei der Berlinale als „Bester Kurzfilm“ ausgezeichnet wurde -, stellte er 2009 mit „Samson & Delilah“ sein Langfilm-Regiedebüt vor, das bei den Filmfestspielen von Cannes die „Goldenen Kamera“ erhielt. Zugleich reichte Australien damals diesen Film für die Auslands-„Oscar“-Nominierung ein. 2014 lief sein nächster Spielfilm, „The Darkside“, auf der Berlinale. 2017 startete „Sweet Country“ bei den Filmfestspielen von Venedig und bekam den „Spezialpreis der Jury“. Beim vorjährigen Toronto-Festival wurde ihm der „Platform Prize“ zuerkannt.

Seit Ende Juni 2018 ist Warwick Thornton Mitglied der „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“.

Diese großartige Landschaft. Diese einzigartige wunderschöne Natur. 1929. Im Outback des Northern Territory in Australien. Wie wäre es, wenn sich der Homo Sapiens an diesem Ort, in dieser Region, adäquat gegenüber den äußerlichen Gegebenheiten verhalten würde: nämlich respektvoll und ehrfürchtig. Und genießend. Doch, natürlich, das genaue Gegenteil ist der Fall. Die hässliche Fratze „Mensch“ dominiert. Gewalt, Hass und faule Intelligenz sind an der Ordnung. Dabei zeigt es sich anfangs wie es auch gehen könnte. Wenn die Akzeptanz = Gleichheit funktioniert. Sam Kelly (HAMILTON MORRIS), ein Ureinwohner, ein Aborigine, arbeitet und lebt beim freundlichen Prediger Fred Smith (SAM NEILL). Wird dort geschätzt und mit seiner Frau und Tochter „gleich“ behandelt. Als Sam und seine Familie aber beim zugezogenen Nachbarn und Kriegsveteranen Harry March (EWEN LESLIE) aushelfen, eskaliert die Situation. Denn dieser Harry entpuppt sich als verbitterter Säufer und Rassist. Für Menschen mit dunkler Hautfarbe empfindet er nur Verachtung und Abscheu. Vergleichsweise: „Nigger“. „Indianer“. Zum Vergewaltigen „geeignet“. So wird Sam zum Mörder. In Notwehr. Flieht in die Landschaft, die er wie seine Westentasche kennt. Die von einem Sergeant Fletcher (BRYAN BROWN) angeführte, Sam verfolgende Such-Truppe hat eigentlich keine Chance. Eigentlich.

Ein australischer Western-Thriller. Mit sperrigen Nuancen. In Taten und Seelen. Plus einer unheimlichen, besonnenen dauerhaften (An-)Spannung. Warwick Thornton breitet im besten Cinemascope-Licht seine glühenden Landschaftsfarben aus und lässt diese unsägliche vernichtende Hitze spürbar werden. Und er verschweigt auch keineswegs, dass inmitten der unwirtlichen Natur noch abseits jene „wilden“ Ureinwohner hausen, die sich nicht vom Weißen Mann haben „domestizieren“, die sich nicht zu „zivilisierten Sklaven“ haben unterjochen lassen, sondern die jeden brutalst attackieren, sobald er in ihr Stammesgebiet eindringt.

Keine Musik plärrt Kitsch herbei. Stattdessen unterstreichen Originalgeräusche wie der Wind, der Atem der Menschen, das Schnauben der Pferde diese brisante, eigenwillige Atmosphäre. Zu der schließlich das Gerichtsverfahren vor dem Saloon, auf der staubigen Landstraße, erheblich beiträgt. Auf dem Nachspann singt Johnny Cash: („There’ll be) Peace in the valley (for me)“.

Unsäglicher Kolonialismus, damals wie heute; Rassismus, damals wie heute; dieses widerwärtige Nicht-Akzeptieren-Wollen der Gleichberechtigung für alle; diese Wut-Gedanken begleiten einen außerordentlichen Genre-Film, der die Moral-Keule außer Acht lässt und dabei verblüffende Plot-Twists ausreizt, die ihre angepeilte Wirkung nicht verfehlen. Völlig d’accord: „Selten lagen Grausamkeit und Schönheit so nahe beieinander wie hier“! (Alexandra Seitz/“Berliner Zeitung“/27.9.18).

„SWEET COUNTRY“ ist ein emotional eher gradliniger, dafür Poren-intensiver Leckerbissen für neugierige cineastische Spurenleser. Das Arthaus-Kino hat einen Hit (= 4 PÖNIs).

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