SWEENEY TODD – DER TEUFLISCHE BARBIER AUS DER FLEET STREET

„SWEENEY TODD – DER TEUFLISCHE BARBIER AUS DER FLEET STREET“ von Tim Burton (USA/GB 2007; B: John Logan; nach dem gleichn. Musical von Stephen Sondheim (Musik) und Hugh Wheeler (Buch); K: Dariusz Wolski; M: Stephen Sondheim; 116 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.02.2008). Der heute 49-jährige Kalifornier TIM BURTON (geboren am 25. August 1958 in Burbank) zählt zu den – im besten Sinne – SCHRÄGSTEN Filmemachern Hollywoods. Hat witzige, morbide, bizarre, originelle Werke wie „Pee Wee´s irre Abenteuer“ (Debüt 1985), „Beetlejuice“ (1988), „The Nightmare Before Christmas“ (1993/Stop-Motion-Pupppentrickfilm) oder das noch unentdeckte Meisterwerk „Big Fish“ (2003) geschaffen. Eines seiner Markenzeichen: Er setzt für seine Filme regelmäßig dieselben Schauspieler ein wie z.B. seine Lebenspartnerin HELENA BONHAM CARTER, mit der er seit den Dreharbeiten zu „Planet der Affen“ (2001) liiert ist und inzwischen zwei Kinder hat. Seit 1990 aber schon arbeitet er vorwiegend mit JOHNNY DEPP zusammen und hat mit dem jetzigen Piraten-Superstar („Fluch der Karibik 1-3“) insgesamt 6 Produktionen verwirklicht: „Edward mit den Scherenhänden“ (1990), „Ed Wood“ (1994/“Golden Globe“), „Sleepy Hollow – Köpfe werden rollen“ (1999), „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (2005/“Golden Globe“), „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ (2005/Animationsfilm/Depp spricht die Hauptfigur) sowie nun auch den aktuellen Film.

DER basiert auf einem Broadway-Musical von Stephen Sondheim (Musik) und Hugh Wheeler (Buch), das eine Groschenroman-Serie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zum wahrscheinlichen Vorbild hat, am 1. März 1979 in New York uraufgeführt wurde und dann mit gleich 9 Bühnen-„Oscars“, den „Tony Awards“, ausgezeichnet wurde (und nach 557 Vorstellungen bis zum 29. Juni 1980 dort lief). 1984 nahm die New York City Opera das Stück in ihr Repertoire auf, danach folgten andere Opernhäuser weltweit, darunter auch die Komische Oper Berlin. 24 Songs werden hier in rd. 2 1/2 Stunden geträllert, das gesprochene Wort ist hier also zweitrangig. Das heißt: JOHNNY DEPP muss/darf hier ständig (mit-)singen.

In einer Geschichte, die an Motive des französischen Rache-Klassikers „Der Graf von Monte Christo“ erinnert: Der Titel-Barbier kehrt nach 15-jähriger, unschuldiger Strafkolonie in Australien in das viktorianisch-düstere London zurück. Einst hieß er Benjamin Barker, war ein glücklicher Ehemann und Familienvater. Doch ein schurkischer Richter neidete ihm die schöne Frau und schickte ihn unter falscher Anklage in die Verbannung. Jetzt nennt er sich Sweeney Todd, hält seine Ehefrau für tot, sieht seine heranwachsende Tochter als Mündel seines Todfeindes, Richter Turpin, in einem „Goldenen Käfig“ ein unglückliches Leben fristen und schwört/nimmt Rache. Zu seiner Liebschaft-Komplizin wird die nett-„schmuddelige“, verwitwete Fleischpastetenbäckerin, Mrs. Lovett. Denn seine künftig-reichlichen „Frischfleischlieferungen“ werden in ihrem (ziemlich heruntergekommenen/abgeschriebenen Laden) nunmehr zum Gourmet-Knaller der Gegend. Und Sweeneys Blut-Hunger ist gigantisch. Doch dann beginnt sich DAS auszubreiten, was gemeinhin „Schicksal“ bedeutet… Zunächst.

Zartbesaitete sollten vorsichtig sein, hier sprießen die Blut-Fontänen in einem für Musicals ungeahnten/ungewohnten Ausmaß. Wo sonst fröhliche Menschen beschwingt-rhythmisch die heile Welt umgarnen, darf hier ein diabolischer Barbier das KEHLEDURCHSCHNEIDEN in epischer Breite und bei lautem Singsang makaber dauer-ausüben. Das Musical als bigottes Schauer-Märchen also, mit Anklängen an „Jack the Ripper“ etwa, mit Referenzen an den Stummfilm-Charme, an die „Prekariat“-Atmosphäre einer „Dreigroschenoper“ oder auch an die Charles-Dickens-Elendigkeit. Visuell eher konventionell-„überschaubar“ (also ohne große Optik-Opulenz) dargeboten, „eigenwillig“ halt mit dem Genre MUSICAL „hantierend“/mit den hübsch-„wackligen“ Stimmen der beiden Stars Depp + Carter und mit einem namhaften Ensemble drumherum: Der auf Bösewicht-Rollen spezialisierte ALAN RICKMAN („Stirb langsam“; „Robin Hood – König der Diebe“; der Severus Snape in den „Harry Potter“-Filmen, aber auch „Snow Cake“, mit Sigourney Weaver/Berlinale-Eröffnungsfilm von 2006) ist ein dämonischer Richter-Satan; der dicke TIMOTHY SPALL (der Peter Pettigrew, genannt Wurmschwanz, in den „Harry Potter“-Filmen; neulich in Disneys Blöd-Komödie „Verwünscht“) als sein fies-mieser Adlatus besitzt prima-schurkische Schleimer-Qualitäten; und – in einem furiosen Kurz-Auftritt – „Borat“ SACHA BARON COHEN als köstlicher Pseudo-Italiener-Sweeney-Konkurrent halten das Darsteller-Niveau hoch.

Eine sicherlich GEWÖHNUNGSBEDÜRFTIGE (Musical-)Unterhaltung; ausgesprochen schwarz- bzw. bluthumorig, was über die Dauer von 116 Minuten ganz ordentlich-„anders“, aber keineswegs brillant unterhält. Amüsement für ein stabiles Nervenkostüm, so was in der Art… (= 3 ½ PÖNIs).

Teilen mit: