SUSHI IN SUHL

SUSHI IN SUHL“ von Carsten Fiebeler (D 2011; B: Jens-Frederik Otto; 107 Minuten; Start D: 18.10.2012); die originellsten Geschichten schreibt das Leben selbst. Sein Name: ROLF ANSCHÜTZ . Geboren am 27. April 1932 in Hirschbach, gestorben am 24. April 2008. Sollte man Rolf Anschütz kennen? JA, signalisiert dieser kleine feine Film. Der eine wahre unglaubliche DDR-Anekdote nacherzählt. Motto: Niemand hat die die Absicht, tief im Thüringer Wald, in Suhl, anno 1966, in der HO-Gaststätte „Waffenschmied“, die japanische Küche einzuführen. Außer jenem Gastronom Rolf Anschütz, der es zu jener Zeit satt hatte, immer nur die einheimische Küche (Klöße mit Gulasch bzw. umgekehrt) herzustellen. Inspiriert von dem Buch „Die Küchen der Welt“ will er endlich seinen kulinarischen Traum vom „internationaler Angebot“ verwirklichen. Sprich: Die Japan-Küche „republiktüchtig“ zu machen. Mit (sehr) viel Einfallsreichtum, jenseits von Planerfüllung und Einheitsgeschmack.

Natürlich stößt das sowohl auf Misstrauen wie auch auf „obrige“ realsozialistische Ablehnung. „Störung der Ordnung“. Mangelwirtschaft. Von wegen „die Bürger auf den Geschmack bringen.“. Was Rolf Anschütz (UWE STEIMLE) aber nicht davon abhält, weiterhin an seinen exotischen Ideen zu basteln. Als seine Herd-Künste überregional bekannt werden und mehr und mehr Zulauf finden, lautet der Einheitsbeschluss: „Rolf, ab sofort kochst du für den Weltfrieden!“ Rolf Anschütz wird zum Vermittler zwischen DDR-Ost und Japan-Fern ausgerufen. Zum Botschafter seiner Kunst. Und sogar nach Japan eingeladen. Wo ihm Kaiser Hirohito bei einer Audienz einen Orden verleiht. Allerdings zahlt Rolf Anschütz für seine große Leidenschaft einen hohen privaten Preis – mehr Anerkennung und Erfolg bedeutet auch – Entfremdung von seiner Familie und Abnabelung von den irritierten Freunden. Desillusionierung beginnt sich bei ihm „bemerkbar“ zu machen, aber dies wäre eine andere, eine weitere Filmgeschichte. Um diesen skurrilen Exoten aus Suhl. Aus dem Nachspann ist zu erfahren, dass bis zum Mauerfall 1.974.000 Gäste sein Restaurant besucht haben.

Wie gesagt, diese Geschichte ist „passiert“: Diesen kauzigen energischen Egomanen und Liebhaber japanischer Küche gab es wirklich. Rolf Anschütz, dessen HO-Restauration im beschaulichen Südthüringen des öfteren umgebaut und dann als „Japanabteilung der Gaststätte Waffenschmied“ geführt wurde, war über viele Jahre das einzige japanische Restaurant der DDR. Galt schließlich als internationale kulinarische Institution, in den 70er Jahren mit Wartezeiten von bis zu zwei Jahren. Der Film will keine Biographie erzählen, sondern „davon“ erzählen. Wie damals ein grundnaiver, aber leidenschaftlicher kulinarischer Asien-Fan unpolitisch listig „seine Sache“ gegen alle Widerstände und Partei-Opportunisten durchsetzte. Behauptete. Der 48jährige Dresdner Kabarettist UWE STEIMLE, viele Jahre als Schweriner ARD-„Polizeiruf 110“-Hauptkommissar Jens Hinrichts unterwegs, taucht wunderbar ruhig wie unangestrengt in seinen Rolf Anschütz ein. Und ab. Hält überzeugend wie glaubwürdig diese Balance zwischen Naiv und Suchtpotenzial. Gibt seinem Rolf Anschütz eine pfiffige Gestalt. Verleiht ihm ein einprägsames emotionales Gesicht. Vermittelt einen sympathischen couragierten Charme-Charakter. Steimle, zum ersten Mal in dieser Größenordnung auf der Leinwand, beeindruckt angenehm.

Regisseur Carsten Fiebeler („Kleinruppin forever“/2004) vermag atmosphärisch DDR-Motive „ohne Geschrei“ zu vermitteln. Hat mit Thorsten Merten & Michael Kind als HO-Bezirks- und Kreisdirektoren zwei weitere erstklassige „Genossen“ mit im ordentlichen Ensemble. „Sushi in Suhl“ ist eine feine kleine filmische Wohltat (= 3 PÖNIs).

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