STRONGER

„STRONGER“ von David Gordon Green (USA 2017; B: John Pollono; nach der gleichn. Autobiographie von Jeff Bauman und Bret Witter/2015; K: Sean Bobbitt; M: Michael Brook; 119 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.04.2018); im Februar 2017 kam hierzulande der Film „Boston“ in die Kinos (s. Kino-KRITIK), die thrillerhafte Aufarbeitung des terroristischen Attentats auf den Boston-Marathon vom 15. April 2013, bei dem drei Menschen starben, darunter ein achtjähriges Kind, und 264 teilweise schwer verletzt wurden. Mark Wahlberg spielte darin einen Polizisten. In dem neuen Film, der auch um das Boston-Attentat angesiedelt ist, spielt JAKE GYLLENHAAL die Hauptrolle. Er mimt jenen 27jährigen Jeff Bauman, der damals an der Ziellinie stand, um seine Ex-Freundin Erin (TATIANA MASLANY) anzufeuern. Die Absicht: sie zum wiederholten Male zurückzugewinnen. Jeff Bauman ist ein gewöhnlicher amerikanischer Durchschnittstyp. Stammt aus einer Prekariats-Family, wohnt immer noch bei seiner alkoholkranken Proll-Mutter Patty (exzellenter Kotzbrocken: MIRANDA RICHARDSON), die am liebsten mit Freundinnen in der Kneipe säuft und gerne Stammtisch-Parolen ausspuckt. Als die zwei Bomben am Marathon-Ziel hochgehen, befindet sich Jeff mittendrin. Und verliert bei diesem grauenvollen Anschlag beide Beine. Vermag aber der Polizei wichtige Hinweise auf die Täter zu geben. Die daraufhin bald identifiziert werden können.

Die Presse kriegt Wind davon und stilisiert Jeff Bauman zum Volkshelden. Dabei ist er alles andere als ein Hero. Muss jetzt aber verkraften, damit sofort fertig-werden, zurecht-kommen, dass er künftig „ein Krüppel“ sein und von den Medien dauerbelagert wird. Wie damit umgehen? Für jemanden wie ihn? Aus der Unterschicht? Der sowieso schon seine Schwierigkeiten hat, sich inmitten dieser fürchterlichen Ereignisse irgendwie „öffentlich einzukriegen“? Um, wie „verlangt“, über seine Schmerzen und über sich halbwegs „sauber“ zu formulieren? Um überhaupt dies alles jetzt erst einmal „zu kapieren“? Unbehagen bereitet ihm dieser neue Part als Landes-Held („Bin ich schon ein Held, weil ich da gestanden habe und mir die Beine hab‘ wegblasen lassen?“); insbesondere wird dies spürbar, wenn er in einem vollbesetzten Stadion einmal die amerikanische Flagge hochzuheben hat. Zudem fühlt er sich zunehmend mit der schwierigen Frage verbunden, ob eine künftige Beziehung mit Erin überhaupt „verhandelbar“ ist. Für sie, aber auch für ihn.

JAKE GYLLENHAAL, Jahrgang 1980, zählt zu den besten geerdeten Schauspielern in Hollywood. Egal, wen er auch mimt, fast immer besitzt sein Spiel empathische Identität. Emotionale Nähe. Selten übertrieben, oft auf den seelischen Punkt gebracht, tief wie glaubwürdig, sich in seine Figuren einzufühlen verstehend. Überzeugend. Wahrhaft. Authentisch. Physisch wie psychisch. Ob als schwuler Cowboy in „Brokeback Mountain“ („Oscar“-Nominierung 2005/s. Kino-KRITIK); ob als Polizist in „Prisoners“ (2013/s. Kino-KRITIK) oder als gieriger TV-Nachtreporter-Jäger in „Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis“ (2014/s. Kino-KRITIK). Oder als besessener Boxer in „Southpaw“ (2015/s. Kino-KRITIK): Jake Gyllenhaal trifft wirkungsvolle Neugier-, Nerven- und Spannungspunkte. Ein Film mit ihm ist selten ein Verlust. Wie auch hier: Wie er diesen Underdog vorstellt, ohne ihn simpel vor-zu-führen, bloß-zu-stellen, das ist schon beachtlich und aufreibend. Jake Gyllenhaal, der den Film auch mitproduziert hat, stemmt das Drama exzellent, Kamera-As SEAN BOBBITT („12 Years A Slave“) liefert dazu beeindruckend-starke Bilder und Motive, während Regisseur David Gordon Green („Silberner Berlinale Bär“ für die „Beste Regie“ 2013 für „Prince Avalanche“) „Stronger“ auf einen sehr guten Unterhaltungsweg bringt (= 4 PÖNIs).

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