BOSTON

PÖNIs: (4/5)

„BOSTON“ von Peter Berg (Co-B + R; USA 2016; Co-B: Matt Cook, Joshua Zetumer; Co-Produzent: Mark Wahlberg; K: Tobias A. Schliessler; M: Trent Reznor, Atticus Ross; 133 Minuten; deutscher Kino-Start: 23.02.2017); neulich erst, Ende November 2016, haben sie mit „Deepwater Horizon“ (s. Kino-KRITIK) einen hervorragenden Action-Film gestemmt, basierend auf der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko im April 2010: Regisseur PETER BERG und „Kerl“ MARK WAHLBERG; davor arbeiteten sie auch schon in dem Militär-Fiasko „Lone Survivor“ (s. Kino-KRITIK) zusammen. Nun sind sie zum dritten Mal ein Team, bei einem Stoff, den leider ebenfalls die Realität schrieb. Datum: Montag, der 15. April 2013, am „Patriots Day“ (so auch der Originaltitel). Tatort: der Boston-Marathon. Es sollte ein fröhlicher, entspannter Tag für Teilnehmer und Zuschauer werden, doch es kam bekanntlich ganz anders.

Nervöse (An-)Spannung bei Veranstaltern, Helfern und der Polizei, ausgelassene Vorfreude bei Teilnehmern (23.000 sind am Start) und den vielen Zuschauern an der Strecke. Police-Sergeant Tommy Saunders (MARK WAHLBERG) ist zwar am Bein verletzt, hat sich aber zum Dienst gemeldet. Ist sauer darüber, von seinem Commissioner Ed Davies (JOHN GOODMAN) in den Zieleinlauf beordert zu sein; mit einer leuchtend gelben Weste, wie ein Schülerlotse. Unter den Kollegen pflaumt man sich an, das normale Programm. Dann startet der Lauf, alles verläuft reibungslos, ganz normal, jeder kennt seine Aufgabe, es herrscht Volksfeststimmung. Bis um 14:50 Uhr Ortszeit.

Parallel blickt der Film auf das Geschehen in einer Wohnung. Zwei aus Kirgistan stammende Brüder, Tamerlan und Dschochar Zarnajew, bereiten offensichtlich einen Anschlag vor. Die beiden Moslems bemühen sich mit Hass-Parolen um innere „Ruhe“ und „religiöse Motivation“. Peter Berg erzählt dies nicht heischend-voyeuristisch, sondern eher sachlich wie faktisch. Überhaupt: Schrifttafeln vermitteln Informationen über Ort, Zeit und Haupt-Beteiligte, wobei der Faktor „Zeit“ für das Geschehen immer wichtiger in den Fokus rückt. Denn um 14:50 Uhr explodieren die beiden selbstgebauten Sprengsätze der Brüder in der Nähe des Marathon-Ziels. Binnen weniger Sekunden bricht Chaos aus. Tommy Saunders wird dabei zum vermittelnden Bindeglied zwischen Hilfe beziehungsweise Helfern und den städtischen wie dann Bundes-Amtsträgern (mit dem FBI-Beamten DesLauriers/KEVIN BACON), die sich ab sofort einen Überblick in diesem Inferno verschaffen und umgehend die Jagd auf die Attentäter eröffnen müssen. Dabei vereint eines alle: Alle sind zunächst völlig überfordert, ratlos und nur extrem wütend.

Die furchtbaren Folgen sind bekannt: Drei Menschen sterben, darunter ein achtjähriges Kind, 264 werden verletzt, viele davon schwer. Wie hieraus einen spannenden, aber nicht „gierig“-spektakulären Unterhaltungsfilm fabrizieren? Peter Berg gelingt dieser Drahtseilakt. Indem er sich zum Beispiel nicht detailliert für die näheren Personalien der beiden Attentäter interessiert, was angesichts einer solchen Katastrophe auch absolut in den Hintergrund rückt. Stellt ihnen aber auch keine „amerikanischen Helden“ gegenüber, die etwa über sich hinauswachsen, um die Täter zu finden, sondern erzählt plausibel wie packend, wie mühsam – und gleichzeitig hoch unterhaltsam – die Kleinarbeit ist, wenn der vielzählige Team-Apparat der Jäger ins Rollen kommt. Dabei benutzt er auch dokumentarisches Echt-Material.

„Boston“ ist ein aufregend-überzeugendes, hochemotionales Spannungswerk, das anhand einer realen Tragödie einen Action-Spielfilm zustande bringt, der „Haltung“ zeigt und bewahrt. Man weidet sich niemals an einzelnen Schrecklichkeiten, sondern befolgt mit den Mitteln des Genre-Kinos die humane Vorgabe etwa eines Martin Luther Kings: Hass wird niemals Hass besiegen. Motto: die überwiegende Gemeinschaft der Anständigen. Am Ende kommen authentische Beteiligte zu Wort; Bezüge zu den Terror-Anschlägen von Paris, Brüssel und Nizza werden besonnen hergestellt.

„Boston“ ist tatsächlich ein „pietätvoller Thriller“ („epd-film“), der sich auf großartige Team-Schauspieler verlassen kann, darunter auch „Oscar“-Preisträger J. K. Simmons („Whiplash“) als „normaler“ Polizist und Michelle Monaghan als Ehefrau von Mark Wahlberg, die sich in ihren Rollen keine manieristischen Extravaganzen leisten, sondern glaubhafte Charakter-Präsenz zeigen. „Boston“ ist ein richtig guter Kinofilm (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: