STRAIGHT OUTTA COMPTON

PÖNIs: (4,5/5)

„STRAIGHT OUTTA COMPTON“ von F. Gary Gray (USA 2014; B: Jonathan Herman, Andrea Berloff; K: Matthew Libatique; M: Joseph Trapanese; 147 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.08.2015); Compton. Vorort der kalifornischen Millionenstadt Los Angeles. 95.000 Einwohner, rund 20 Kilometer südlich vom L.A.-Zentrum. Hier leben die Unterprivilegierten: Latinos, Hispanics, Schwarze und Afroamerikaner. Mitte der 1980er Jahre ist Compton einer der gefährlichsten Orte der USA. Die Gewalt eskaliert. Rivalisierende Gangs, Drogenhandel, tägliche blutige Auseinandersetzungen. Die Lebensverhältnisse schlimm, die Sterberate hoch. Die vorwiegend weiße Polizei aggressiv. Bekämpft weniger die Belieferung von Drogen, sondern die Konsumenten. Kontrolliert und verhaftet willkürlich. Benimmt sich gegenüber Farbigen extrem „auffällig“. Die Spannungen-hier sind täglich zu spüren. Siehe Titel: Wir befinden uns „direkt in Compton“.

Sie nennen sich Ice Cube, Dr. Dre, Eazy-E, DJ Yella und MC Ren. Sie leben anno 1986 in Compton und sind stinkig. Ihr Frust und Ärger über das Leben hier ist enorm. Das Misstrauen gegenüber der Obrigkeit ebenso. Wenn du keine Chance hast, dann nutze sie: Die Fünf beschließen, die Erfahrungen der Straße und ihre direkten alltäglichen Begebenheiten und Erlebnisse als Gruppe zu verarbeiten. Musikalisch. Laut und deutlich. Mit voller Energie, mit allen Widersprüchen, voll provokativ. Und wuchtig.

Sie gründen die „Gangsta“-Rap-Gruppe N.W.A., Abkürzung für „Niggaz Wit‘ Attitudes“, also „Neger mit Standpunkten“. Am 8. August 1988 erscheint ihr Debüt-Album „Straight Outta Compton“. Aufgrund der „prekären Texte“ senden weder Radio-Sender noch TV-Kanal MTV die Songs. Der Song „FUCK THE POLICE“ wird zu ihrer Hymne. Und das FBI zu ihrem Feind. (Das Musikmagazin „Rolling Stone“ sieht heute den Song auf Platz 425 der „besten Songs aller Zeiten“.) Weil aber die afro-amerikanische Community gut vernetzt ist und die Mundpropaganda funktioniert, wird die Gruppe und werden ihre stimmungsvollen Wucht-Appelle bekannt. Populär. Tonträger gehen in Produktion.

Es ist genau die richtige Gemein-Zeit, um Frust zu musikalischem Brennstoff zu verarbeiten, damit die „Unterschicht“ eine laute Stimme bekommt. N.W.A. beginnt zu funktionieren. Zumal der weiße Manager Jerry Heller (PAUL GIAMATTI) ihr Potenzial erkennt und sie unter seine Fittiche nimmt. Der Hip-Hop beginnt seine gesellschaftlichen Kultur-Kreise zu ziehen. Dröhnend wie lukrativ. Was Tumulte, Inhaftierungen, Begeisterung und gigantische Aufmerksamkeit belegen. Zwischen Empörung und Geschäftssinn. Einerseits stinken die Boys auf immer größeren Bühnen ihre derben „Frotzeleien“ über Sex & Drugs & Anarchy ab, müssen sich aber auch damit befassen, dass immer mehr verdiente Kohle auch größere interne Probleme beschert. Wer profitiert letztlich am meisten vom riesiger werdenden Kapital? Das hässliche Gewinn-Spiel fuckt mit.

„Straight Outta Compton“ ist DIE Hymne auf die gewaltige Schieflage Amerikas damals. Anhaltend bis zum Heute. Atmosphärisch an die Birne knallend. Von wegen: der Anfang der Aufschreie. Über unhaltbare Zustände. Zwischen Oben und Unten. An denen vor allem die ständig gedemütigte schwarze Bevölkerung (er-)krankt. Der Fall Rodney King: Am 3. März 1991 wurde der afroamerikanische Bürger in Los Angeles Opfer von unverhältnismäßiger Polizeigewalt. Das Video über seine brutalen Misshandlungen durch weiße Polizisten ging um die Welt und sorgte für riesige Unruhen. Der Film verbindet dieses politische Zeitgeschehen mit dem „Blühen“ des „Gangsta“-Raps und verbindet Gedanken zum Heute. Stichwort: Ferguson. Und anderswo im aktuellen USA-Rassismus. Einerseits ist „Straight Outta Compton“ das packende Biopic von fünf Rebellen mit kontroversem Habitus und phantastischem Proll-Image, deren Beats auch heute wieder sagenhaft wirken, andererseits werden gesellschaftliche Auslöser, Hintergründe und Verbindungen sicht- und deutbar. Es geht nur eins: auf die Fresse und Liegenbleiben oder mit dem Business und du stehst. Unter kapitalistischem Starkstrom, aber immerhin. „Mitte“ gibt es nicht. Brüllt einer der besten amerikanische Wut-Spielfilme seit Jahren.

Mit taffen Typen wie COREY HAWKINS („Non-Stop“) als Dr. Dre; JASON MITCHELL als Eazy-E; der charismatische O’SHEA JACKSON, Jr., der seinen Vater Ice Cube glänzend identifiziert; NEIL BROWN, Jr. als DJ Yella und ALDIS HODGE als MC Ren. Und einem einmal mehr brillant aufgelegten PAUL GIAMATTI, neulich ja erst der diabolische Manager von Brian Wilson in „Love & Mercy“, in seiner Lieblingsrolle als cleverer Geschäftsmann mit Mephisto-Charme.

„Straight Outta Compoton“ von F. Gary Gray (davor: „Gesetz der Rache“; „The Italian Job“; „Verhandlungssache“) – oder: was für eine Prächtigkeit von allerbestem Lärm (= 4 ½ PÖNIs).

P.S.: Wie zu hören war – die Kanzlerin war heute (am 25. August 2015) zu persönlichem Besuch in Duisburg-Marxloh-Compton.

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