„DAS SPINNENNETZ“ von Bernhard Wicki (D 1989; 196 Minuten; Start D: 21.09.1989). Thema: Wie entsteht Macht und Missbrauch, wie persönliche und politische Gewalt? Wie ein gemeiner, gefährlicher Mensch?
Diesen analytischen Fragen geht Bernhard Wicki in seinem großartigen Lebensfilmwerk “Das Spinnennetz“ anhand der Figur des Theodor Lohse in den Jahren von 1918 bis zum Hitler-Putsch 1923 nach. Der junge Leutnant Theodor Lohse kommt in und mit den Wirren der Weimarer Republik nicht zurecht. Ist aber ausreichend lernfähig, um zu begreifen, welches Verhalten nötig ist, um voranzukommen, um aus sich “was zu machen“. Theodor Lohse schließt sich einer noch geheimen nationalen Organisation an und geht notfalls auch über Leichen, um berufliche wie gesellschaftliche Karriere zu machen. Verrät Freunde und Vorgesetzte und gibt sich ganz dem nationalistischen Ruck der Weimarer Zeit hin.
Theodor Lohse, ein deutscher Opportunist und Untertan. Einer von denen, die “nötig“ sind, damit ein Führer diktatorisch auftreten und regieren kann. Daraus entwickelt der fast 70jährige weise Regisseur ein aufwendiges, sehr präzises und nahegehendes langes Politwerk. Mit vielen direkten wie symbolischen Anspielungen und natürlich Verweisen auf aktuelle politische Schlagzeilen und Entwicklungen. „Das Spinnennetz“, nach dem Roman von Joseph Roth entstanden, ist ein mahnender, brillanter Geschichtsfilm. Aber eben nicht behäbig und trocken, sondern mit den ansprechendsten Mitteln des Kinos versehen: Aufwühlend, spannend, faszinierend und nachdenkenswert. Mit dem ausgezeichneten DD-Schauspieler Ulrich Mühe in der Hauptrolle sowie Armin Mueller-Stahl, Klaus Maria Brandauer, Andras Fricsay oder Andrea Jonasson und Elisabeth Endress.
Aber das gesamte Ensemble vor und hinter der Kamera verdient Lob und Anerkennung für einen der reifsten und wichtigsten deutschen Filme der letzten Jahre (= 4 ½ PÖNIs).