„SPIEGLEIN, SPIEGLEIN – DIE WIRKLICH WAHRE GESCHICHTE VON SCHNEEWITCHEN“ von Tarsem Singh (USA 2011; 105 Minuten; Start D: 05.04.2012); heißt im Original schlicht „Mirror Mirror“, also „Spiegel Spiegel“. Basiert natürlich auf dem berühmten Märchen der Brüder Grimm, das in den „Kinder- und Hausmärchen“ an Stelle 53 steht und in der Erstausgabe von 1812 „Schneewittchen“ lautet.
TARSEM SINGH wurde am 26. Mai 1961 im indischen Jalandhar in Punjab als Sohn eines Flugzeug-Ingenieurs geboren. Im Alter von 24 Jahren kam er in die USA, wo er am „Art Center College of Design“ im kalifornischen Pasadena studierte. Am Anfang seiner Karriere drehte er Musik-Videos und Werbespots. Der Durchbruch gelang ihm 1992 mit dem Video zu R. E. M.s „Losing My Religion“, das mit einem „Grammy“ sowie acht MTV-Awards ausgezeichnet wurde. Sein Kino-Spielfilmdebüt gab Tarsem Singh mit dem im Jahr 2000 herausgekommenen Science Fiction-Thriller „The Cell“ (mit Jennifer Lopez), der für einen „Oscar“ in der Kategorie „Bestes Make-up“ nominiert war. Bei seinem zweiten Film, dem Fantasy-Drama „The Fall“, das 2006 auf dem „Toronto Festival“ Premiere hatte, war Singh nicht nur als Regisseur, sondern auch als Co-Drehbuch-Autor und Mit-Produzent beteiligt. Im Vorjahr schließlich kam mit dem Fantasy-Action-Streifen „Krieg der Götter“ (Original: Immortals“) der dritte Film heraus (mit Mickey Rourke als heroischem König Hyperion).
Auffallend in allen seinen Filmen sind diese „außergewöhnlichen Bilderwelten“, sind seine hervorragenden Designs, ist der imposante Look seiner Filme. 2011 wurde Tarsem Singh dafür mit dem „Filmpreis Köln“ ausgezeichnet, mit dem die Domstadt und die Film- und Medienstiftung NRW Künstler würdigen, die „in herausragender Weise zur Weiterentwicklung der Film- und Mediensprache“ beitragen.
In diesem Zusammenhang fällt ein Artikel von Sebastian Otto in der aktuellen Ausgabe des 14täglich erscheinenden Fachmagazins „Film-Dienst“ auf (Nr.7/2012) auf, der die japanische Kostüm-Designerin und „Oscar“-Preisträgerin EIKO ISHIOKA (12.7.1938 – 21.1.2012) würdigt. Denn wie schon in seinen vorherigen Werken bedient sich der Regisseur bei seinem 4. Kinofilm vor allem auch wieder diesem SEHR auffallenden pompösen „Äußeren“. Einer völlig ungewöhnlichen Kleider-Pracht. Als Design-Delikatesse. Von einer grandiosen Fach-Frau hergestellt. Von DIESER Fach-Frau. Solch fulminante phantastischen Kostüme und Dekors sind für einen „simplen Märchenfilm“ aus Hollywood schon etwas sehr auffallend Besonderes. Spezielles. „Füllen“ sozusagen bemerkenswert wie brillant-verführerisch die Augen. Stehen sozusagen gleichberechtigt „in“, also mit den (namhaften) Akteuren. Deshalb bedarf es einer kurzen Lebens-Skizze von Eiko Ishioka, wobei die Zitate dem genannten Artikel entnommen sind:
„Für Eiko Ishioka waren ihre extravaganten Kostümdesigns stets mehr als schmückendes Beiwerk: Ihre phantasievollen Kreationen gerieten zu ausladenden (Alp)-Traumgebilden, die ihre Träger zu Dämonen oder Engeln erheben konnten….. Ihr gelang es, die seelische Befindlichkeit und die Entwicklung eines Charakters expressiv herauszukehren und aus den Gewändern der Figuren schillernde Kunstwerke zu gestalten, die raffiniert verschiedenste historische und kulturelle Quellen ´anzapften’ und damit beziehungsreich spielten…..Für Coppolas „Dracula“-Verfilmung erhielt die Designerin 1992 den „Oscar“. Neben ihrer Tätigkeit beim Film arbeitete sie u.a. an diversen Broadway-Aufführungen mit und entwarf die Kostüme der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008; auch beschränkte sie sich nicht nur auf ihre Tätigkeit als Kostümdesignerin, entwarf u.a. auch das Cover zu Miles Davis’ Album „Tutu“ und führte Regie bei Musikvideos der isländischen Sängerin Björk. In den letzten Jahren arbeitete sie eng mit Tarsem Singh zusammen und prägte die Ausgestaltung seiner imposanten Bilderwelten: In Singhs Filmen entstehen aus der Synthese aus Schauspieler-Körper und Ishiokas üppigen Gewändern zeichenhafte, betörend schöne Kreaturen, die, ähnlich wie die Figuren eines Märchens, ihr Wesen wie eine Schale sichtbar am Leib tragen. Dass die letzte Zusammenarbeit der Japanerin mit Singh tatsächlich ein veritabler Märchenfilm ist, ist insofern nur konsequent: „Spieglein Spieglein…“ trägt unverkennbar auch Ishiokas Handschrift. Singh widmete seinen Film dem Gedenken an Eiko Ishioka“.
Das kennen wir ja. Dass „Herrschaften“ „oben“, also in der Regierung, das gemeine Volk ausplündern. Um ihren luxuriösen Lebensstil finanzieren zu können. Mit teuren Feten und exklusiven Kleidern hat die schurkische Königin ihr Reich in die Depression und den Ruin getrieben. Die Alte ist eine fiese Regentin. Hat erst ihren König-Ehemann verjagt/verzaubert und behandelt nun die junge bezaubernde Stieftochter Schneewittchen wie den letzten Dreck. Irgendwann reicht’s der. Sie ist 18 und verlangt nach Anerkennung. Und nach dem Thron. Doch da ist sie bei der schönheitsgeilen und permanent übel gelaunten Königin gerade falsch: Weg mit dieser „Tochter“, lautet der Befehl an ihren ständigen Schleim-Adlaten Brighton (köstlich süffisant als sympathischer Schwächling von Opportunisten: NATHAN LANE). Also – Rübe ab. Im Wald. Doch Brighton ist untertänig, aber kein Mörder. Also lässt er die Hübsche abhauen. Erst begegnet DIE dann dem begriffsstutzigen wie jungen attraktiven Prinzen Alcott alias ARMIE HAMMER; dessen bürgerlicher Schauspieler-Nachname hier inhaltlich Programm ist, denn er ist wirklich und meistens ziemlich deppert wie auch reichlich unangemessen arrogant. Dann stößt das flüchtende „Kind“ auf diesen merkwürdigen Wald-Haufen von kleinwüchsigen Kriminellen. Auch als „die sieben Zwerge“ bekannt. Die es faustdick nicht nur „hinter den Ohren“ haben und gerne auf ihren fixen Stelzen Durchreisende ausrauben. Und sich schließlich „mit dem Mädel“ verbünden. Im Kampf gegen die fiese Schlossherrin. Die sich allzu gerne mit dem – nochmal: SEHR begriffsstutzigen – blauäugigen wie reichen Prinzen vermählen will, um endlich wieder an Kohle heranzukommen. Aber Schneewittchen hat inzwischen die Fecht-Kunst erlernt und erweist sich nun als „gestandene Kämpferin“. Als adäquate Gegnerin. Doch die Alte hat natürlich weitere gemeine Tricks auf Lager…und das wahrhaft kleine Helfer-Team der Prinzessin besteht auch nicht gerade aus den Allerjüngsten und Allerfrischesten…
„Mirror Mirror“ ist eine feine wie moderne ironische Pose. Und Posse. Mit einer schmutzigen Stiefmutter-Chefin im Schönheitswahn. Die eiserne Lady. Besessen vom Geld-Fieber. Der volle Egoismus. Gierig. Kalt. Zynisch. Die Hauptsache: Ich, ich, ich. Lass doch den Pöbel zahlen. Das blöde Prekariat. Das primitive Pack. Kein Wunder, dass dagegen rebelliert werden muss. Die eigene Stieftochter führt die Opposition erst naiv, dann immer cleverer an. Überhaupt – die Kerle, ob groß oder klein, zeigen sich hier in der Mehrzahl als ziemlich einfältige Gestalten. Lange Zeit. Die Frauen müssen’s – wieder einmal – richten. So oder so. Also duellieren sich auf amüsant-durchtriebene Weise Hollywoods berühmte Lächel-Fee und „Oscar“-Star JULIA ROBERTS (44/“Erin Brockovich“) als grantige wie extravagante Edel-Hexe und finstere Monarchin und die goldige 21jährige Phil Collins-Tochter LILY COLLINS als schöne Maid (erste filmische Erprobungen davor in z.B. „Blind Side –Die große Chance“/neben „Oscar“-Lady Sandra Bullock/2009 sowie „Atemlos – Gefährliche Wahrheit“/mit Nathan Harper/2010). Mit schmunzelnden Gags, schelmischen Pointen und hübschen Slapstick-Bewegungen. Als vor allem visuelle Attraktion: Inmitten prächtigster Landschaften, herrlichstem Kostüm-Augenschmaus und schließlich einer kess fröhlichen musikalischen Bollywood-Sing-und-Tanz-Auslauf-Stimmung.
„Spieglein Spieglein…“ kann sich in seiner charmant-witzigen, kulinarisch-bildergewaltigen Naiv-Kost SCHÖN unterhaltsam SEHEN wie „schmackhaft“ feinironisch hören lassen. Wird garantiert bald ein Familienfilm-Klassiker (= 4 PÖNIs).