SOUL

PÖNIs: (4,5/5)

„SOUL“ von Pete Docter (Co-Drehbuch und Regie; USA 2016 – 2019, K: Matt Aspbury; M: Trent Reznor, Atticus Ross; Schnitt: Kevin Nolting; 100 Minuten; Disney+; Start: 25.12.2020).

Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug 

Seit heute, 25.12.2020, gibt es exklusiv beim Streaming-Dienst DISNEY+ fantastisches Film-Seelenfutter von PIXAR-Star-Regisseur PETE DOCTER, der sich bereits für einige der schönsten Animationssternstunden des Kinos verantwortlich zeichnete: Nach Emotionsknallern wie der – mit dem „Oscar“ belohnten – berührenden Altersdramedy „OBEN“ (2009) und dem ebenfalls mit dem „Oscar“ prämierten Werk „ALLES STEHT KOPF“ (2015 /s. Kino-KRITIK), in dem er verschiedene menschliche Gefühle in putzige Charaktere packte, taucht er nun ein in die „SOUL“ … die Seele. Aber – auch in d e n Soul von Musik: den Beat des Lebens. Den Groove unserer Existenz. Den Rhythmus zwischen Leben und Tod. Und: in den eingeschlafenen Daseins-Takt des Afroamerikaners Joe Gardner (Originalstimme: Jamie Foxx). Ein Mann am Ende seiner Träume. Gefangen in der Sackgasse seiner gescheiterten Karriere als einst ambitionierter Jazz-Pianist. Stattdessen: ein unbefriedigender Job als Aushilfslehrer und das ständige Gemecker seiner Mutter. Doch dann auf einmal: DIE Chance! Er erhält überraschend einen Wahnsinns-Gig an der Seite der berühmten Dorothea Williams (Originalstimme: Angela Bassett). Er taumelt vor Glück … direkt hinein in einen Gully. Fällt tief hinab (oder hinauf?) in eine Zwischenwelt, die sich irgendwie das „Vorseits“ nennt. Quasi eine Art Gegenteil von „Jenseits“, in dem junge Seelen darauf warten, von ihren sphärischen Mentoren für die Erde, für die Bestimmung des Mensch-Seins fit gemacht zu werden. Trotzdem: Sterben? Jetzt? Wo es endlich losgehen kann? Auf gar keinen Fall! Nicht mit Joe! Denkt der sich und beginnt auf einmal zu kämpfen: um sich und – gezwungenermaßen – auch um die kleine Nummer 22, ein uncharmantes Baby-Seelchen von Querulantin (süß quäkend: Originalsprecherin Tina Fey), die einfach nicht geboren werden will. Weil die Erde blöd ist. Und ihre Bewohner erst recht. Dann aber beginnt der Tauchgang, tief hinein in die Welt der Seelen und die Seelenwelt der Menschheit. Mal schön, mal hoffnungsvoll, mal sarkastisch. Und auch schon mal depressiv. Verpackt in humorvolle, philosophisch animierte Bilder, die optisch irgendwo zwischen Pablo Picasso und Salvador Dalí liegen. Kubisch, verschroben, komplex in ihren Aussagen. Sehr untypisch für die sonstige Fun-Schmiede PIXAR. Doch indes ebenso erfreulich innovativ wie erstaunlich erwachsen. Als erzählerische Seelentiefe, die eher die Großen erreicht und weniger die Kleinen. Letztere werden natürlich an der Slapstick einiger Momente ihren Spaß haben (Stichwort: Körpertausch zwischen Katze und „Herrchen“), können jedoch der vollen Inhaltsstärke von „SOUL“ kaum bis gar nicht folgen. Lebenserfahrungs-bedingt – denn dies ist ein Spielfilm für die Älteren.

PETE DOCTER, der Magier dieser unglaublichen Filmpsyche, kreiert ein Meisterwerk an Empathie, an Unterhaltung, an Witz, an Mitgefühl, das aufrüttelt, das uns aufweckt, das unseren Blick auf das Wesentliche lenkt. Auf die Frage: Was macht unser Leben eigentlich lebenswert? Pizza? Mag sein. Aber eventuell auch: viel mehr? Oder doch eher: viel weniger? Was für ein passendes Movie zur Weihnachtszeit! Und gerade umso mehr darüber hinaus. Das jeder sehen sollte. Ach was: muss, um innezuhalten. Um nachzudenken. Um umzudenken. Um nachzufühlen in den Farben, den Figuren. Um sich selbst nachzuspüren, um lebendig zu werden in und durch die unfassbar vielfältigen Melodien von Nine-Inch-Nails-Gründer TRENT REZNOR, die er hier zusammen mit Atticus Ross zaubert. PIXAR hat es – beziehungsweise u n s – wieder gepackt. An der eigenen Nase. Ohne erhobenen Zeigefinger. Mit ihrem hausgemachten SOUL, der direkt an unser ureigenes Seelen(fege)feuer hämmert. Ein Highlight, das definitiv in die großen Lichtspielhäuser gehört hätte (= 4 1/2 „Carrie“-PÖNIs).

 

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