SNOWPIERCER

PÖNIs: (4,5/5)

In diesen Wochen präsentiert das HEIMKINO hierzulande viele hervorragende Highlights. Die meisten davon sind „Zweitaufführungen“, nachdem sie bereits schon bei den KINO-Premieren angenehm auffielen. Und vom Publikum gut angenommen wurden. Es gibt aber natürlich auch – wie gehabt – einige Filme, die ebenfalls herausragend waren, aber nicht so euphorisch im Mittelpunkt des Publikumsinteresses standen. Und DIE nun, anlässlich des Heimkino-Starts, der unbedingten „Zweit-Empfehlung“ bedürfen. Eines dieser großartigen Film-Werke soll deshalb hier noch einmal gewürdigt werden:

„SNOWPIERCER“ von Bong Joon-ho (Co-B + R; Südkorea/USA/Fr 2012; Co-B: Kelly Masterson; K: Hong Kyung-Pyo; Visuelle Effekte: Eric Durst; M: Marco Beltrami; 126 Minuten; deutscher Kino-Start: 03.04.2014; Heimkino-Veröffentlichung: 23.09.2014); LOB, LOB, LOB – dieser Film setzt gedankliche wie spannende Maßstäbe! Zur gerade (am Wochenende 29./30. März 2014) viel zu wenig in den Titel-Schlagzeilen auftauchenden aktuellen Alarm-Nachricht vom WELTKLIMARAT aus Yokohama: Unser (selbst herbeigeführter) Klimawandel wird noch in diesem Jahrhundert zu fürchterlichen Schäden auf der Erde führen. Es sind nur noch wenige Minuten vor Zwölf. Vor dem irdischen Kollaps. Wir nehmen dies zur statistischen Kenntnis und gehen zur Tagesordnung über. Machen weiter. Diese „Wird schon nicht so schlimm sein-Stimmung“. Wie gehabt.

Wenn wir in diesen Film einsteigen, ist die Katastrophe bereits eingetreten. In vollem Gange. Der verzweifelte menschliche Chemie-Kampf gegen die globale Erderwärmung hat einst, 2014, eine neue Eiszeit verursacht. Hat letztlich fast alles Leben auf diesem Planeten vernichtet. Genau 17 Jahre später, 2031, blicken wir auf eine ratternde Arche. Diese heißt nicht Noah, sondern Snowpiercer. Ist ein gigantischer Zug, der von einer „allmächtigen Maschine“ in dauerhafter Bewegung gehalten wird und ständig auf einem weltumspannenden Schienennetz fährt. Entwickelt und gebaut wurde dieses Stahlmonster vom Großindustriellen Wilford, DEM „Großen Bruder“ des 21. Jahrhunderts. ER ist der Anführer. Lenker. Leiter. Was er denkt, sagt, macht, anordnet, ist Gesetz. Dem sich ALLE unterzuordnen haben. In diesem riesigen Vehikel befinden sich die „Reste“ der Menschheit. Aufgeteilt in Klassen. Ganz hinten, in der Vieh-Klasse, vegetieren die Massen. Der unterdrückte Pöbel. Der immer dasselbe zum Essen „geliefert“ bekommt, eine Art Eiweißgelee (was an die „Seifen“-Nahrung aus „Soylent Green“/„… Jahr 2022 … die überleben wollen“ von 1973 erinnert), und sich ansonsten den brutalen Anweisungen und rigorosen Maßnahmen der soldatischen Schergen des Diktators unterzuordnen hat. Natürlich gab es „von hinten“ immer wieder Rebellionsversuche, doch DIE waren erfolglos. Der letzte Aufstand wurde vor vier Jahren niedergeschlagen. Seitdem herrscht unterdrückte Ruhe. Und Wut. Doch nun will eine neue Generation „nach vorne“. An die Zugspitze. Wo geradezu paradiesische Zustände und komfortable gesellschaftliche Verhältnisse herrschen. Sollen. Doch „so weit“ vorzustoßen, sich durchzukämpfen, hat bisher noch niemand geschafft. Curtis (CHRIS EVANS) wagt das Unmögliche. Unterstützt von seinem alten Mentor Gilliam (JOHN HURT) und von einigen „extremen“ Individuen begleitet, beginnt die aggressive Explosion der Minderheit. Die Revolte der Habenichtse. Die keine Chance haben, aber diese unbedingt zu nutzen bereit sind. Mit aller Härte und List. Während der Zug weiter durch die eisige Welt pest.

Zunächst – was oder wer fällt einem (über die Genre-Jahre und Jahrzehnte) alles ein: diese politischen Italo-Western der 70er Jahre, wie „Leichen pflastern seinen Weg“, der Schnee-Fight von Sergio Corbucci. Natürlich der pfiffige australische „Mad Max“ in brutaler Endzeitstimmung. George Orwell und seine Visionen in dem düsteren Roman-Klassiker „1984“. Natürlich „Metropolis“ mit diesem beängstigenden optischen Maschinen-Drill. Roland Emmerichs endlose apokalyptischen Schneewüsten in „The Day After Tomorrow“. Natürlich kommt auch der Action-Rausch „Speed“ von wegen diesem einzigen mobilen Standort in den Sinn. SIE ALLE (und sicherlich noch viel mehr) nun zusammen mit dem voluminösen visuellen wie thematisch brisanten Einfallsreichtum von heute: die verbliebene Menschheit und Zivilisation in einem gigantischen Vehikel. Mit sauberen Wasserstellen, Gärten, Aquarien, Kinderstuben, inmitten einer viehischen Klassenordnung. Hier Unterdrückung, dort Überfluss. Ganz hinten, Mitte, das luxuriöse Vorne. „Jeder an seinem Platz“. So wie es sein muss. Tönt Chef Wilford (ED HARRIS, mit einem ähnlichen Part wie als „Produzent Christof“ in der „Truman Show“). Während er genüsslich ein Steak futtert. „Der Zug ist ein geschlossenes Ökosystem. Alles muss ausbalanciert sein“. Der Zug = die ungleiche Welt. Wir = die vielen und manipulierten Untertanen. Die dies sozial „so“ zu akzeptieren haben.

Von wegen. Denkt, sagt, zeigt, offenbart dieser beeindruckende Gladiatoren-Polit-Thriller. In dem es bald hart zur Sache geht. Kommt. Und wie! Am Ende signalisiert ein Eisbär die mögliche Zukunft…

Südkorea macht sich auf, faszinierendes KINO für breitere internationale Schichten zu erfinden. „Snowpiercer“ ist mit rund 40 Millionen Dollar Produktionskosten der bislang teuerste einheimische (Co-Produktions-)Film und basiert auf der französischen Graphic Novel „Schneekreuzer“ von Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochette. Entstand in den „Barrandov Studios“ in Tschechien. Avancierte im Vorjahr in Südkorea zum größten Jahreskassenkinohit. Co-Drehbuchautor und Regisseur BONG JOON-HO, geboren am 14. September 1969 in Seoul, wurde 2006 erstmals einem internationalen Publikum bekannt, als er auf den Filmfestspielen von Cannes seinen Monsterfilm „The Host“ erfolgreich präsentierte. (Die französische Fachzeitschrift „Cahiers du cinéma“ kürte ihn später zum drittbesten Film des Jahres 2006.) Mit seinem nächsten Werk, dem Thriller-Drama „Mother“, erhielt der Regisseur neben zahlreichen Auszeichnungen auch 2009 eine Auslands-„Oscar“-Nominierung.

Mit seinem ersten englischsprachigen Film katapultiert er sich nun weit „nach oben“. In die Bestenliste der kultigen Kinomacher. Denn mit „Snowpiercer“ gelingt ihm ein knallbrutaler, konsequenter und äußerst ansprechender Mix aus Science Fiction-Parabel, Polit-Drama, Sklaven-Spektakel. Mit einer extravaganten Action-Choreographie. In visueller wie gedanklicher Totaldüsternis. Sein Film lässt Niemanden kalt. Ist von kräftigem Reiz. Optisch wie vor allem auch als Kopfsauerstoff. Adrenalin pur. Mit realem Geschmack. In dem furiosen „Vielvölker“-Ensemble engagieren sich unter anderem ganz vorzüglich so namhafte Bekannte wie Chris Evans („Captain America“), John Hurt („Dame, König, As, Spion“), die herrlich „bösartige“ TILDA SWINTON („Grand Budapest Hotel“), wieder in und mit sensationeller Maske, Ed Harris („Pollock“), Jamie Bell (der inzwischen erwachsene „Billy Elliot – I Will Dance“).

In jeder Hinsicht: Ein ganz harter, ein ganz außergewöhnlicher, ein ganz ungeheuerlich stark (nach-)„wirkender“ Unterhaltungsstoff. „Snowpiercer“ ist ein genialer, packender, fesselnder und künftig nicht zu vergessener Zukunfts-Gegenwartsfilm (= 4 ½ PÖNIs).

Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“.

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