„SIE HABEN ALLE GELACHT“ von Peter Bogdanovich (Co-B + R; USA 1980; Co-B: Blain Novak; K: Robby Müller; M: George Gershwin; M-Titel: Frank Sinatra; 115 Minuten; BRD-Kino-Start: 05.03.1982); „They All Laughed“ ist einer der schönsten, stimmungsreichsten „Asphalt-Filme“ überhaupt. Entstanden im Sommer 1980, vornehmlich auf den Straßen von New York. Gilt immer noch als verhältnismäßig unbekannt, obwohl er vom „Meister“ PETER BOGDANOVICH stammt, der sich mit Werken wie „Targets – Bewegliche Ziele“; „The Last Picture Show – Die letzte Vorstellung“, sowie natürlich d e r Damals-Komödie überhaupt, „Is‘ was, Doc?“ (1972), in die Spitzengruppe der New Hollywood-Bewegung katapultiert hatte. (Zu denen damals eigenwillige Kreativ- wie Anfangs-Künstler wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, William Friedkin, George Lucas oder Brian De Palma zählten).
In der BRD wusste der damalige „Scotia“-Filmverleih mit diesem kleinen Meisterwerk überhaupt nichts anzufangen. Startete ihn im Kino weit „unter Wert“. So dass der Film weitgehend unbekannt blieb. Unerwähnt. Seit in den letzten Jahren Filmemacher wie Quentin Tarantino und Wes Anderson den Film positiv entdeckten und öffentlich „kommentierten“, begann eine Neu-Sicht. Und Neu-Bewertung. Und die Endlich-Erinnerung: Für mich gehört „SIE HABEN ALLE GELACHT“ unter die 10 Besten Screwball-Komödien aller Zeiten. Es wird Zeit, dass er endlich d i e Würdigung bekommt, die er verdient. Der folgende Kritik-Text ist meine Schwärmerei vom März 1982:
Vergessen Sie alles, was Sie über New York wissen. Es gibt hier keinen Müll, und sogar der Hudson schimmert sauber. Und die Typen, die wir von dort kennenlernen, sind alle durchaus „passabel“, also grund-sympathisch; die Girls clever und wunderschön. Eine von ihnen heißt Deborah und fährt Taxi, aber John (BEN GAZZARA) nennt sie nur Sam (PATTI HANSEN). Sam ist so etwas wie der Verbindungspunkt, Sam fährt sie alle. So beispielsweise auch John, der eigentlich Humphrey heißen müsste und natürlich Detektiv ist. Einer von dreien, die bei der Detektei Odyssee auf der pulsierenden Wall Street angestellt sind. Man hat sich auf die Beobachtung junger Frauen spezialisiert, deren Ehemänner eifersüchtig sind und sich dies einiges kosten lassen. Und so ist man andauernd unterwegs, auf der Straße, im Kaufhaus, im Schmuckladen, in Restaurants, auf der Rollschuhbahn, manchmal aber auch im Büro, ganz selten in der Wohnung, fast nie im Bett.
„Sie sind ein Profi“, äußert sich Angela (AUDREY HEPBURN) zu John, der sie laufend bewacht und sich dabei in sie verknallt hat wie ein Schulbub. Was also liegt näher, als sich „gemeinsam“ zu beschatten? Und auch bei den beiden anderen Helden ist es mit der professionellen Schnüffelei nicht weit her: Charles, den alle Charlie nennen (JOHN RITTER); in Ryan O’Neal-Pose aus „Is‘ was, Doc?“, hat sich unsterblich in die blonde Attraktion Dolores Martin (DOROTHY STRATTON) verschossen und flitzt ihr ganz automatisch nach, gemeinsam mit Kumpel Arthur Brodsky (BLAINE NOVAK), der immer Schwierigkeiten mit dem Licht hat, da er selten seine Sonnenbrille absetzt. Außerdem mit im flotten Beziehungstaumel: Christy (COLLEEN CAMP), eine Sängerin mit Karriere-Ambitionen, die mit sehr energischen Methoden die Männerwelt um sie herum dirigiert. Und dann gibt es noch den Detektei-Chef, Mr. Leondopoulos (GEORGE MORFOGEN), der sich ebenfalls als verwirrter Lover präsentiert.
Seine Sekretärin Amy, die Seele vom Geschäft (LINDA MacEWEN), hat es ihm HERZlich angetan, ohne dass ihm dies so richtig bewusst ist. Weil ja so viel Emotional- Unvorhergesehenes auf einmal passiert. Das zu überblicken für einen Chef-Detektiv nicht ganz einfach ist.
In „They All Laughed – SIE HABEN ALLE GELACHT“ geht es darum, dass ein paar wackere, aber eigentlich mehr wacklige Männer in Detektiv-Posen das New Yorker Straßenpflaster unsicher machen, weil sie mehr mit ihrem Gefühlsleben als mit ihrem Job zu tun haben. Und es geht darum, wie ein paar pfiffige und ebenso aufregende Frauen sie solange spielen und herumtanzen lassen, bis es ihnen genug ist. Peter Bogdanovich inszenierte, optisch prächtig unterstützt vom niederländischen Kamera-As ROBBY MÜLLER („Die gläserne Zelle“), eine kleine, feine und sehr schöne Road-Comedy. Mit netten Anmachereien, verspielten Albernheiten und höchst charmanten Figuren.
Frank Sinatra swingt manchmal stimmungsweisend seine „New York, New York“-Hymne, während sich drei melancholische Detektive um ihr Gefühlsinneres drängen und BEN GAZZARA auf schmucke Bogart-Touren kommt. Lässig und mit typischem Solo-Charme beherrscht er die Szenerie (deutsche Stimme: „Kojak“ EDGAR OTT), muß sich allerdings auch schon mal ein „Du bist ein Arsch“ sagen lassen, schließlich befinden wir uns im Beziehungstaumel von 1980 und nicht in „Casablanca“-1942. Sonst aber hat sich nichts geändert: Gazzara’s John ist am Ende der einzige, der alleine zurückbleibt. Eben wie ein echter Melancholie-Bogey (= 4 ½ PÖNIs).
EPILOG: Um „Sie haben alle gelacht“ ranken sich viele Geschichten. Die liebe-vollste: Rolling Stone-Gitarrist Keith Richard heiratete an seinem 40. Geburtstag, am 18. Dezember 1983, PATTI HANSEN. Sie drehte nur drei Spielfilme, in „They All Laughed“ hatte sie ihren besten = wirkungsvollsten = (Neben-)Auftritt.
Dorothy Ruth Hoogstraten. Am 28. Februar 1960 geboren in einem Heilsarmee-Krankenhaus im kanadischen Vancouver.1979 heiratet sie in Las Vegas den Promoter und Zuhälter Paul Snider. Nennt sich fortan DOROTHY STRATTEN. Im „Playboy“ ist sie 1979 „Miss August“. Kleinere Filmauftritte folgen. 1980 wird sie „Playmate des Jahres“. Peter Bogdanovich verpflichtet Dorothy Stratten für „Sie haben alle gelacht“. Verliebt sich während der Dreharbeiten in die 20-jährige. Sie trennt sich Anfang August 1980 von Paul Snider. Kurz nach den Dreharbeiten, am 14. August 1980, erschießt Paul Snider bei einer „Trennungsbegegnung“ seine Ehefrau und begeht danach Selbstmord.
Dorothy Strattens Geschichte wurde 1981 als TV-Produktion mit dem Titel „Death of Centerfold“ (mit Jamie Lee Curtis und Bruce Weitz) veröffentlicht; während Hollywood-Regisseur Bob Fosse 1983 aus „diesem Stoff“ den Kinospielfilm „Star 80“ schuf, mit Mariel Hemingway und Eric Roberts (= „Golden Globe“-Nominierung) in den Hauptrollen.
Peter Bogdanovich schrieb schließlich ein Buch über die Geschehnisse, Titel: „The Killing of Unicorn“; ein Artikel von ihm zu seinem Buch haben wir unter dem Titel „Die Dorothy Stratten-Geschichte“ in der Rubrik „ALLES FILM“ übersetzt veröffentlicht (s. TEXT).