Das australische Kino war und ist immer wieder für Überraschungen gut. Ende März 2011 tauchte zum Beispiel im hiesigen Heim-Kino der großartige Debütfilm des australischen Filmemachers DAVID MICHOD auf: „Animal Kingdom“, deutscher Titel: „KÖNIGREICH DES VERBRECHENS“ (s. Heimkino-KRITIK), der an vielen (Festival-)Orten der Welt enorme Aufmerksamkeit und riesige Zustimmung fand. Und Zuhause, in Australien, gleich 18 x für die einheimischen „Oscars“ (die „Australien Film Institute Awards“) nominiert wurde, was dann zu zehn (Rekord-)Trophäen führte. Neben-Akteurin Jacki Weaver bekam zudem den „Oscar“ als „Beste Nebendarstellerin“. Insgesamt erhielt dieser Erstlingsfilm 36 Auszeichnungen.
Jetzt ist das zweite KLASSE-Werk dieses talentierten Autoren-Regisseurs hierzulande – auch gleich wieder fürs Heimkino – erschienen. Dieses lief am 18. Mai 2014 beim Cannes-Festival außer Konkurrenz als „Mitternachts Screening“ und war kürzlich der Eröffnungsfilm beim renommierten „Fantasy Filmfest“:
„THE ROVER“ von David Michod (B + R; Australien 2012/2013; K: Natasha Braier; M: Antony Partos; 102 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 31.10.2014).
Australien. 10 Jahre nach dem Zusammenbruch. Heißt es eingangs kühl. In dieser staubigen „Mad Max“-Hitze. Irgendwo. Im Nirgendwo. Das Leben ist zum Vegetieren abgestumpft. Die letzten Menschheits-„Reste“ bestehen aus Schwindlern, dreckigen Gaunern, abgefuckten Figuren. Fast jeder trägt eine Waffe. Während die Landschaft sich, bei genauerem Hinsehen, als großzügig, schön, ungemein attraktiv erweist. Wenn sich keine Menschen in ihr aufhalten. Bewegen.
ER ist schweigsam. Taumelt wie im Schwindel. Wenn er von seinem Auto aussteigt, die Straße überquert, um in die Bar zu latschen. Irgendwann wird er seinen Namen preisgeben: Eric (GUY PEARCE). Ist Eric bekloppt? Oder traumatisiert? Warum reagiert er so „instabil“, als drei Missgeburten sein Auto klauen? Er hinterher, aber unbewaffnet. Natürlich hat er keine Chance. Kann von Glück sagen, dass er überlebt. Aber was macht der Typ? Er will weiterhin sein Auto zurückhaben. Zurückholen. Begegnet dabei Rey (ROBERT PATTINSON). Der sich als jüngerer Bruder einer der drei Auto-Diebe „herausstellt“. Und bei dem man ob seinen angefaulten Zähnen und dem „zittrigen“ Erscheinungsbild nicht weiß, ob er zurückgeblieben oder autistisch veranlagt ist. Jedenfalls sorgt Eric dafür, dass dem angeschossenen (und von seinem Bruder zurückgelassenen) Kerl erst einmal medizinische Hilfe verabreicht wird, bevor es dann gemeinsam auf die Suche nach jenem Auto geht, das Eric unbedingt finden will. Warum? „Ich war ein Farmer, jetzt bin ich hier“. Das isses. Mehr gibt es nicht zu erfahren. Vorerst.
Wie überhaupt „Der Rover“, „Der Wanderer“, nicht allzu oft spricht. In diesem postapokalyptischen Western-Drama-Thriller. Angesiedelt im Rest von Nichts. Am zeitlichen Welt-Ende. Wo alles nur noch roh und verroht erscheint. Bei diesem deformierten Personal. Wo Menschen am Straßenrand an Kreuzen hängen. Unmenschlichkeit, wohin man blickt. Moral findet in den Gesichter-Bewegungen kaum noch statt. Nur Outlaws, Freaks, eigenwillige Ordnungshüter. Ein Tarantino-Geruch macht sich faulend breit. Und ich denke: Wenn es keinen Schlaf geben würde, wäre hier alles noch viel schlimmer. Noch grausamer.
„The Rover“ ist auch ein spirituelles Road Movie. Hinein in den Lauf der atmosphärischen, spannenden Schmutzigkeit. Von Endlichkeit. Und Schund. Da ein paar Gestalten immer noch leben, finden noch rotzige, zynische „Begegnungen“ statt. Oft sehr langsam zelebriert. Es galt, „die Stille mit Details zu füllen“, erläutert David Michod im Bonus-Interview. Man hat hier Zeit. Um „unterwegs“ zu sein. Denn viel zu tun gibt es eh nicht mehr; eine soziale Kommunikation und eine organisierte Zivilisation hat längst aufgehört zu existieren. Was bleibt ist Warten. Auf den endgültigen Zerfall. Von Allem. Doch vorher „benötigt“ Eric noch seinen Wagen. Zurück. Was soll das? Verdammt nochmal.
GUY PEARCE, 1967 in England geboren und in Australien aufgewachsen, spielte in Christopher Nolans „Rückwärts-Movie“ „Memento“ (2000) groß auf, war in „The King’s Speech“ (2010) der abdankende britische König Edward VIII. Hier ist er als verstörter, beharrlicher „Eastwood“-Zausel (mit kurzer Hose und flatterndem Bart) ein charismatischer Anti-Held, dessen Schmerzensmotiv sich erst in den letzten Einstellungen plausibel offenbart. Die eigentliche Sensation aber ist der (zur Drehzeit) 26jährige Brite ROBERT PATTINSON, der coole Vampir Edward Cullen in den Verfilmungen der „Bis(s)“-„Twilight“-Romane von Stephenie Meyer. Als kindlicher Rey liefert eine grandiose Körpersprache-Performance in Sachen kaputtes Sensibelchen, kopfwackelndes Wrack mit „mimischen Störungen“ und cleveres Kerlchen ab. Was für ein präsenter Player, der hier völlig gegen sein (Sexy-)Image antritt; für eine außerordentlich verstörende, faszinierende Sog-Wirkung sorgt.
Ebenso wie der Sound: Begleitet wird „The Rover“ von einer prächtig-suggestiven Musik (von ANTONY PARTOS), die wie einst die „Carpenter-Rhythmen“ aus den Anfangsfilmen des John Carpenter („Assault – Anschlag bei Nacht“; „Die Klapperschlage“) klingt: Als spannend-sinnlicher Stimmungslenker begeisternd „anmachend“ tönt.
Mit „THE ROVER“ hat das hiesige Heim-Kino dem „Draußen-Kino“ einen erstklassigen Unterhaltungsfilm „abspenstig“ gemacht.
Anbieter: „Senator Home Entertainment“